Die Entwicklung des Sports in Deutschland wirft schon seit längerer Zeit eine ganze Reihe von Fragen auf, die auf Probleme verweisen, die dringend von den Verantwortlichen in den Organisationen des Sports gelöst werden müssen. In einer von den „Vätern des Grundgesetzes“ bewusst gewollten subsidiären Beziehung zwischen freiwilligen Vereinigungen und dem Staat haben aber auch die politischen Institutionen im Bund und in den Ländern eine besondere Verantwortung, dem Sport bei der Lösung seiner Probleme zu helfen, ohne dessen Autonomie und parteipolitische Neutralität zu gefährden.
Für die Sportorganisationen müsste es eigentlich eine der wichtigsten Aufgaben sein, sich sehr genau mit den Regierungsprogrammen der jeweiligen Bundes- und Landesregierungen auseinanderzusetzen, die für deren aktuelle Regierungszeit Gültigkeit haben. Ja man müsste eigentlich erwarten, dass die Verantwortlichen des Sports sich bereits frühzeitig an den Diskussionen über die jeweiligen Regierungsprogramme beteiligen, ihre Interessen gegenüber den politischen Parteien, die die nächsten Regierungen bilden, aktiv einbringen und während der jeweiligen Amtszeit die Regierungen überwachen, ob sie auch die Versprechungen gegenüber dem Sport, wie sie in ihren Regierungsprogrammen zum Ausdruck gebracht werden, tatsächlich erfüllen und umsetzen. Betrachtet man jedoch die Tagesordnungen, d.h. die Kommunikationsagenda der Landessportbünde, der deutschen Sportfachverbände und des DOSB etwas genauer, so muss man überraschend feststellen, dass dies eher nur selten der Fall ist. Die meisten Verantwortlichen in den Organisationen des Sports, so scheint es, unterwerfen sich viel mehr eher passiv der politischen Programmatik ihres jeweiligen Bundeslandes und der Bundesregierung. Sie pflegen nicht selten eine devote Beziehung zur staatlichen Politik.
Ein kritischer Blick auf die bestehenden Koalitions- und Regierungsverträge lohnt sich
Dabei könnte ein genauerer Blick in die Koalitionsverträge und Regierungsprogramme der 16 Landesregierungen und der Bundesregierung für die Sportorganisationen durchaus aufschlussreich sein.
Tut man dies und im Folgenden soll dies versucht werden, so muss man zunächst einmal erkennen, dass allein die Umfänge der jeweiligen Regierungsprogramme höchst unterschiedlich sein können.
Schleswig-Holstein benötigt zur Darstellung seines Regierungsprogramms 242 Seiten, hingegen begnügt sich das Bundesland Thüringen mit 38 Seiten zur Darlegung ihrer Regierungsarbeit für die nächsten vier Jahre. Umfangreich sind auch die Darlegungen in Hessen (201), Hamburg (202), Rheinland-Pfalz (183), Baden-Württemberg (161), Bremen (169), Sachsen-Anhalt (152), während man sich in den Bundesländern NRW (146), Brandenburg (82), Saarland (56), Berlin (136), Niedersachsen (120), Mecklenburg-Vorpommern (80), Sachsen (131), Bayern (84) eher mit weniger Seiten zufriedengegeben hat. Die aktuelle Bundesregierung stellt ihre politische Programmatik auf 138 Seiten dar. Der Umfang der Darlegungen über den Sport weist eine vergleichbare Variabilität auf. Die Bundesregierung widmet dem Sport gerade einmal eine halbe Seite. Bayern beschränkt sich auf ebenfalls nur eine Seite. Ähnlich kurz fasst man sich in Brandenburg, Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Hingegen widmet sich Berlin mit zehn Seiten sehr umfangreich der Sportthematik. Ähnlich ausführlich wird das Thema „Sport“ in Sachsen-Anhalt, in Schleswig-Holstein, in Hessen, Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen behandelt.
Die parteipolitische Zusammensetzung der jeweiligen Landesregierungen und der Bundesregierung variiert über alle Parteien, die im deutschen Bundestag vertreten sind. Ausgeschlossen ist dabei lediglich die AfD. Eine Regierung mit absoluter Mehrheit, d.h. ein Regierungsprogramm, das nur von einer Partei (SPD) geschrieben wurde, ist nur im Bundesland Saarland anzutreffen.
Will man die Qualität der Sportpolitik der Bundesländer und der Bundesregierung beurteilen so ist nicht der Umfang, sondern der Inhalt ihrer Regierungsprogramme ausschlaggebend. Letztlich entscheidend ist allerdings, was dabei in der jeweiligen Regierungsarbeit umgesetzt wird. Eine erste Lektüre der 16 Programme der Landesregierungen und des Programms der Bundesregierung hat dabei mit mehreren Überraschungen aufzuwarten. Eine Überraschung ist dabei, dass dem Sport eher nur selten ein eigenständiges Kapitel gewidmet wird. Der Sport scheint es dabei nicht wert zu sein, dass er mit einem eigenen Kapitel in dem jeweiligen Vertrag hervorgehoben wird. In Baden-Württemberg wird dessen Sportpolitik unter der Überschrift „“Zusammenhalt und Beteiligung“ behandelt. In Brandenburg erscheint der Sport unter der Überschrift „Bildung, Kita, Wissenschaft, Jugend, Sport, Kultur und Medienpolitik“, in NRW liest man Ausführungen über den Sport im Kapitel „Sozialer Zusammenhalt in Zeiten des Umbruchs“, in Sachsen-Anhalt heißt das entsprechende Kapitel „Für einander da sein – Soziales, Kinder, Jugend, Familie und Sport“, in Niedersachsen „Inneres und Sport“, in Schleswig-Holstein wird der Sport dem Kapitel „Wohnen, Kommunales, ländliche Räume und Stadtentwicklung“ zugeordnet.
Dezidierte, d.h. ausschließlich der Sportpolitik gewidmete Kapitel finden sich hingegen im Koalitionsvertrag in Bayern „Für den Sport“, in Berlin „Sport“, in Bremen, in Schleswig-Holstein „Sport und E-Sport“, in Thüringen “Sport“, im Saarland „Sport, Bewegung schafft Zusammenhalt“. Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen bezeichnen sich selbst als „Sportland“.
Der in Deutschland zu Recht gepflegte Föderalismus, der sich über 70 Jahre auch sehr bewährt hat, findet seinen Niederschlag ganz offensichtlich auch auf dem Gebiet der Sportpolitik, wobei dies für die Entwicklung des Sports nicht immer nur förderlich sein kann. So wie die Sportpolitik auf Landesebene durchaus auch in verschiedenen Ministerien (Schule, Soziales, Inneres) ressortiert sein kann und dabei deren „Ressortierung“ sogar des Öfteren in den einzelnen Ländern wechselt, so unterschiedlich scheint auch die Gewichtung des Sports in den Koalitionsvereinbarungen in den einzelnen Bundesländern zu sein. Sie reicht von grober Vernachlässigung bis hin zur herausragenden Positionierung. Der aktuell gültige Vertrag der derzeitigen Bundesregierung, in dem der Sport unter der Überschrift „Innere Sicherheit, Bürgerrechte, Justiz, Verbraucherschutz, Sport“ erwähnt wird, macht in diesem Zusammenhang keine Ausnahme.
Was in den Regierungsprogrammen über den Sport geschrieben steht
Was sind nun die Aufgaben, denen sich die 16 Landesregierungen in Bezug auf die Entwicklung des Sports in ihrem jeweiligen Bundesland widmen möchten und deren Erledigung sie ihren Wählern versprechen?
- Baden-Württemberg: „Jetzt für Morgen“ (Bündnis 90/Die Grünen und CDU):
Unter der Überschrift „Sport fördern für mehr miteinander“ wird angekündigt, dass der „Solidarpakt Sport“ rechtzeitig vor seinem Auslaufen 2026 verlängert wird. Die Sportstätten sollen nachhaltig gesichert und verbessert werden. Es soll ein einmaliges Sonderprogramm in Höhe von 40 Millionen € für den Vereinssportstättenbau aufgelegt werden. Sport- Großveranstaltungen steht die Regierung positiv gegenüber. Bei allem soll das Prinzip der Nachhaltigkeit beachtet werden. Barrierefreier Zugang zu den Sportstätten ist zu gewährleisten. Die Initiative „Spitzensportland Baden-Württemberg“ wird unterstützt. Dabei wird eine transparente Sportförderung gefordert. In der Verwaltung des Landes werden für die Ausbildung von Leistungssportlerinnen und Leistungssportler 20 Plätze zur Verfügung gestellt. Der Schwimmunterricht soll an den Schulen gestärkt werden. Sport in Kita und Schule soll weiter ausgebaut werden. Der Sportunterricht soll durch Fachlehrerinnen und Fachlehrer in Kooperation von Schule und Verein gehalten werden.
- Bayern: „Freiheit und Stabilität“ (CSU /Freie Wähler):
Für die Koalition ist Bayern ein „Sportland“, das sich den Vereinen und der Jugendförderung verpflichtet sieht. Deshalb sollen die Rahmenbedingungen für die ehrenamtliche Betätigung optimiert werden, die Anerkennungskultur fort- und die Förder- und Unterstützungsmaßnahmen weitergeführt werden. Beim Bund möchte sich Bayern für steuerliche Erleichterungen bei der Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale einsetzen. Die energetische Sanierung von Sportstätten wird gefördert. Die verdoppelte Vereinspauschale zur Förderung des Sportbetriebs der Verbände wird verstetigt. Damit wird auch die Übungsleiterausbildung unterstützt. Ein Fokus wird auf die Schwimmförderung gelegt. Bayern wird sich weiter um internationale Sportwettbewerbe bewerben. Die Leistungssportförderung der bayerischen Polizei wird gestärkt. Die Sportschulen werden unterstützt. Gleiches gilt für Fanprojekte. Die Koalition bekennt sich zum Erhalt der Reitanlage München- Riem als Kraftzentrum des bayerischen Pferdesports.
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Berlin: „Das Beste für Berlin“ (CDU/SPD)
Der Landessportbund Berlin, die Vereine und Verbände organisieren ihre Angelegenheiten autonom. Die Koalition will gute Rahmenbedingungen für Sport und Bewegung bieten zur Förderung von Kindern und Jugendlichen, von Integration, Inklusion und guter Gesundheit. Die Koalition hält an der unentgeltlichen Überlassung von Sportstätten fest. Die Fördervereinbarung mit dem LSB wird weiterentwickelt. Der Sportflächenknappheit in Berlin wird mit innovativen Lösungen begegnet. Zukünftig sollen Sporthallen auch mehrstöckig und Sportflächen auch auf bestehende Gebäude gebaut beziehungsweise in neue Gebäude integriert werden. Die Sportanlagen sollen wettkampfgerecht und barrierearm sein. Es wird ein langfristig angelegter Masterplan „Sport- Infrastruktur“ in Kooperation mit den Bezirken erstellt. Die Mittel für das bezirkliche Sportanlagen- Sanierungsprogramm werden erhöht. Der Standort Mellow Park für Trendsportarten wie BMX und Skaten wird weiter entwickelt. Der Bau einer neuen Trainingshalle wird unterstützt. Das Cantianstadion im Friedrich Ludwig Jahn Park wird als inklusives Stadion beschleunigt gebaut. Es wird ein „Sportpark für Alle“ gewährleistet, der barrierefrei, klimaneutral und ökologisch nachhaltig ist. Gleiches gilt für das Sportforum als nationales Spitzensport Zentrum und für das Stadion in Hohenschönhausen. Die Schwimm- und Sprunghalle am Europa Sportpark, das Velodrom, die Max-Schmeling-Halle und das Olympiastadion müssen in Stand gehalten und Schritt für Schritt saniert werden. Der Ausbau der Alten Försterei und der Bau eines Nachwuchsleistungszentrum für Union Berlin wird unterstützt. Ebenso der Neubau eines privatfinanzierten reinen Fußballstadions für Hertha BSC mit einer Kapazität von circa 45.000 Zuschauern auf einem angemessenen Ort auf dem Olympiaparkgelände.