Dabei hatten sie gut begonnen mit ihrer Entscheidung, Start und Ziel des Marathons und der Gehwettbewerbe erstmals aus dem Stadion in die Stadt zu verlegen, direkt ans Brandenburger Tor. Mit dem größten Namen der Berliner Leichtathletikgeschichte, Jesse Owens, arbeitet eine privat organisierte Ausstellung.
Der Leitartikel im Tagesspiegel – Leichtathletik-WM: Die bewegte Stadt – Das Olympiastadion fühlt sich im Moment noch halb leer an, nicht halb voll. Dabei sind 250 000 verkaufte Tickets ein Erfolg. Aber eines fehlt: der Faktor Berlin. Friedhard Teuffel
Schon jetzt wurden mehr Karten verkauft als bei der WM 2007 in Osaka, 250 000 von 560 000. Beim Vorverkauf schlägt diese WM viele ihrer Vorgänger. Das Fernsehen wird mit 80 Kameras in 190 Länder übertragen. Das muss ein Erfolg werden, vorausgesetzt natürlich, dass bei diesen Zahlen kein Statistikdoping im Spiel ist.
Dennoch fühlt sich das Olympiastadion eher halb leer als halb voll an. Deutsche Athleten klagen, dass von der WM bisher wenig zu sehen sei. Und dann gibt es noch zwei Vergleiche, die den Veranstaltern um die Ohren gehauen werden: der mit der Leichtathletik-WM 1993 in Stuttgart und der mit der Fußball-WM 2006.
Die letzte Leichtathletik-WM in Deutschland ist gerade wegen der Zuschauer zur Legende geworden. Die Unesco zeichnete das Stuttgarter Publikum für seine Leidenschaft und Kompetenz mit einem Fairplay-Preis aus. Aber die Leichtathletik von 2009 ist nicht mehr die von 1993. Immer mehr Doping ist einerseits ans Licht gekommen. Andererseits gewinnen deutsche Athleten bei Olympia immer weniger Medaillen.
Die Vergangenheit wie eine Kugel am Bein
Mit dem Fußball kann selbst die olympischste aller Sportarten ohnehin nicht mehr mithalten. Diskuswerfer Robert Harting wird Michael Ballack noch im Armdrücken besiegen, Ballack zieht jedoch Tausende ins Stadion, Harting vor allem seine Familie und Freunde.
Leichtathletik gehört eben nicht zu den sogenannten Biersportarten. Dafür ist sie wunderbar einfach – auf den ersten Blick, weil der Erste im Ziel gewonnen hat. Aber es passiert vieles gleichzeitig im Stadion, 47 Entscheidungen stehen an, die Sieger kommen aus aller Herren Länder. Hinzu kommt, dass die Vergangenheit, all die Heroen und Mythen der Leichtathletik in ihrer identitätsarmen Gegenwart wie eine schwere Kugel am Bein hängen. Da sind 250 000 verkaufte Tickets ein Erfolg.
Beaufsichtigt vom Land Berlin präsentiert der Deutsche Leichtathletik-Verband das Großereignis mit klassischen Methoden, mit Fahnen am Großen Stern, Faltblättchen und Plüschmaskottchen. Als ob die Leichtathletik immer noch dieselbe wäre und die WM irgendwo stattfinden würde und nicht in Berlin. Das Argument der Veranstalter, dass für mehr Werbung nicht mehr Geld da sei, zieht gerade in Berlin nicht. Den Faktor Berlin, das kreative Moment und die einzigartige Geschichte der Stadt, haben sie jedenfalls nicht annähernd ausgereizt.
Wo bleibt das Public Doing?
Dabei hatten sie gut begonnen mit ihrer Entscheidung, Start und Ziel des Marathons und der Gehwettbewerbe erstmals aus dem Stadion in die Stadt zu verlegen, direkt ans Brandenburger Tor. Ebenso mit der Ankündigung, kein Public Viewing, sondern ein Public Doing anzubieten. Eine charmante Abgrenzung von der Biersportart Fußball. Nur haben sie diese Ankündigung kaum mit Leben gefüllt. Einen Jedermannlauf über zehn Kilometer bieten sie an. 22 Euro Startgeld werden nicht dazu beitragen, die WM zu öffnen.
Mit dem größten Namen der Berliner Leichtathletikgeschichte, Jesse Owens, arbeitet eine privat organisierte Ausstellung. Das offizielle Kulturprogramm setzt dagegen auf ein Kulturstadion am Pariser Platz, 5000 Leute werden dort erwartet, während auf der anderen Seite des Brandenburger Tors bei der Fußball-WM Hunderttausende feierten.
Für das Kulturprogramm hatte eine kleine, unerfahrene Agentur ihre Dienste für ein einzelnes Segment offeriert. Sie bekam den Zuschlag für das ganze Programm. Klingt nach einer hübschen Berliner Start-up-Geschichte. Aber die Stärke von Berlin ist, dass Spontaneität und Professionalität längst ein Doppel bilden.
So wird die Leichtathletik-WM ohne großes Aufwärmprogramm stattfinden. In einer Sportart, für die schon Laufschuhe und Turnhose ausreichen. Die WM könnte Berlin als bewegte Stadt zeigen.
Wenn sich die Veranstalter nicht noch etwas einfallen lassen, wird ganz Berlin erst einen Monat später auf die Beine kommen. Beim Berlin-Marathon.
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Donnerstag, dem 23. Juli 2009
ZUM THEMA.
30. Dezember 2008 – WM
Laufexperte Horst Milde zur Leichtathletik-WM in Berlin – "Wir müssen Stuttgart bloß kopieren" – Mitte August 2009 findet die Leichtathletik-WM statt – nur weiß davon kaum einer was, sagt der Laufexperte Horst Milde. Im Vorfeld seien Fehler gemacht worden, dabei gab es mit der WM 1993 in Stuttgart ein tolles Vorbild. INTERVIEW: JOHANNES KOPP in der TAZ
Laufexperte Horst Milde zu Leichtathletik-WM in Berlin – "Wir müssen Stuttgart bloß kopieren"
SPORTMUSEUM
Keine Ehrung für Jesse Owens – BOC 2009 lehnt ab – Was ist den Leichtathletik-WM-Organisatoren „Jesse Owens“ wert? Diese Frage wurde am 23. Juli 2008 vom Geschäftsführer der Vorbereitungsorganisation für die WM (BOC 2009) mit „nichts“ beantwortet!
Keine Ehrung für Jesse Owens – BOC 2009 lehnt ab
10. November 2004
WM 2009 – Optionen für die Marathon- (und Gehstrecken) in Berlin für die IAAF Weltmeisterschaft – Horst Milde berichtet
WM 2009 – Optionen für die Marathon- (und Gehstrecken) in Berlin für die IAAF Weltmeisterschaft
WM-Tickets – Usain Bolt im Spot – Die Vermarkter der Leichtathletik-WM wollen nun gezielt für absatzschwache Tage werben. Sie setzen dabei auf Plakate und Spots in Radio und Fernsehen. Friedhard Teuffel
Berlin – Jetzt werden die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin zerlegt. In jeden einzelnen der neun Tage. Das Organisationskomitee nimmt sich scheinbar besonders unattraktive Tage der WM vor, um für sie Eintrittskarten zu verkaufen. Angefangen hat es mit dem ersten Sonntag der WM, dem 16. August. „Da mussten wir nachjustieren. Wir wollen jetzt die Highlights herausstellen“, sagt Michael Mronz, der für die Ticketvermarktung im Organisationskomitee zuständig ist und holt ein Plakat aus seiner Tasche. Das soll bundesweit aufgehängt werden. Zu sehen sind darauf die 100-Meter-Läufer Usain Bolt und Tyson Gay. Das Duell in der kürzesten, aber spektakulärsten Disziplin der Leichtathletik als Verkaufsargument.
Vom 100-Meter-Lauf wird nicht nur etwas auf Papier zu sehen sein in den nächsten Tagen, auch im Fernsehen soll mit Spots auf die WM aufmerksam gemacht werden, ebenso im Radio, und im Mittelpunkt steht jeweils der Kommentar des ZDF-Leichtathletikreporters Wolf-Dieter Poschmann zum Olympiasieg von Usain Bolt in Peking.
Die Radiospots werden in Berlin, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zu hören sein. Insgesamt haben die Veranstalter bislang 250 000 der 560 000 Karten abgesetzt, 9 Prozent davon in Brandenburg, 12 Prozent in Nordrhein-Westfalen, 20 Prozent in Berlin und 14 Prozent im Ausland. Von den geplanten 15 Millionen Euro aus dem Ticketverkauf hätten sie schon 68 Prozent in der Kasse.
Dass das Olympiastadion voll wird, steht für manche Tage schon fest, für andere ist es äußerst ungewiss. Während etwa für den ersten Tag nicht einmal die Hälfte der Karten vergeben ist, sind für den Samstag eine Woche später nur noch 2300 Tickets zu haben. „Da können wir nicht alles falsch gemacht haben“, sagt Mronz.
Gelegentlich war angezweifelt worden, dass die Tickets wirklich verkauft sind. Es war fraglich, ob es sich nicht vielmehr um Reservierungen von Reiseveranstaltern handelt. „Diese Tickets haben wir fest verkauft“, sagt Mronz. Zudem seien noch knapp 10 000 Buchungen von Reiseveranstaltern offen, die möglicherweise noch obendrauf kämen.
Schwierigkeiten bereiten Mronz die Logen, von 25 sind noch 9 zu haben. Zwei Gründe macht Mronz dafür verantwortlich: zum einen die Wirtschaftskrise. Zum anderen: „Es gibt eine Rechtsproblematik bei den Logen, die in Zukunft zu lösen sein wird.“ Einladungen von Firmen an Politiker oder Interessenvertreter unterliegen inzwischen strikten Regeln.
Derzeit muss sich WM-Vermarkter Mronz noch mit einigen Vorwürfen auseinandersetzen. Athleten wie die Speerwerferin Christina Obergföll hatten sich beklagt, nicht ausreichend in die WM-Kampagne eingebunden zu sein. „Das war ein Fehler, das geben wir offen zu“, sagt Mronz. Dafür wird sie nun im Fernsehspot zu sehen sein, der in mehreren Privatsendern ausgestrahlt wird.
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Donnerstag, dem 23. Juli 2009