In dieser Situation reichen die Organisatoren der Leichtathletik-Weltmeisterschaft beim Berliner Senat einen Zettel rein, auf dem sie notiert haben, was in Sachen Stadion noch alles zu erledigen sei.
Der Leichtathletik-Kommentar – Helle Köpfe – Von Michael Reinsch in Frankfurter Allgemeinen Zeitung
21. Oktober 2008 Mehr Licht! gehört zu den berühmten letzten Sätzen. Die Forderung, die Goethe zugeschrieben wird, machen sich nun auch die Leichtathleten zu eigen. Und sie spielen – es geht um das Berliner Olympiastadion – mit dem Feuer.
Das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zwischen Italien und Frankreich fand in Berlin statt, in dem Stadion, das Werner March für die Olympischen Spiele 1936 in Hitlerdeutschland und für 100.000 Besucher errichtete. Eine Viertelmilliarde Euro ließ sich die öffentliche Hand die Überdachung, die Modernisierung und Verschönerung für die Fußball-Weltmeisterschaft siebzig Jahre später kosten. Es lag nicht am Licht, dass die wenigsten der 69.000 Zuschauer am 9. Juli 2006 im Olympiastadion das entscheidende Foul, den Kopfstoß von Zidane, nicht sahen.
Mehr Licht für die Laufbahn
Dafür bekam die ganze Welt ein Signal aus Berlin. Es ist knallblau und umrundete bis heute das Spielfeld. Mit dem Einbau der Laufbahn demonstriert das Land Berlin, das von den Modernisierungskosten rund 50 Millionen Euro trug, dass dieses Stadion nicht dem Fußball allein gehört. Die blue note des Berliner Olympiastadions lässt die Fans der Hertha buchstäblich auf Distanz gehen, aber sie steht dafür, dass in diesem Stadion auch die Leichtathletik zu Hause sein soll.
Wie zur Belohnung bekam Berlin die Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Das Aus des Istaf-Meetings, das den Zuschlag gefährdet hätte, wurde abgewendet – womöglich aufgeschoben, wie sich dieser Tage zeigt. Ein Berliner Unternehmer erwarb die traditionsreiche Leichtathletikveranstaltung aus dem Konkurs. Nun ist das letzte erstklassige Sportfest Deutschlands wieder akut gefährdet. Gut möglich, dass es im Jahr der WM, 2009, zum letzten Mal stattfindet.
Zusätzlich sechs Millionen in das neue Stadion stecken?
In dieser Situation reichen die Organisatoren der Leichtathletik-Weltmeisterschaft beim Berliner Senat einen Zettel rein, auf dem sie notiert haben, was in Sachen Stadion noch alles zu erledigen sei. Mehr Licht für die Laufbahn verlangen sie etwa. Nun ist ja der Senat des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit keiner Feier abgeneigt. Aber zu den zwanzig Millionen, die sich Berlin die WM im kommenden Jahr kosten lassen will, zusätzlich sechs Millionen in das so gut wie nagelneue Stadion zu stecken – das leuchtet Politik und Verwaltung nicht recht ein. Im Gegenteil: Man ist indigniert.
Von Nachforderungen könne keine Rede sein, beteuert nun Frank Hensel, der Cheforganisator. Es gehe nur um die Einhaltung von Zusagen aus der Bewerbung. Vielleicht fällt ihm ein Dreh ein, die undiplomatische Forderung in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Von Goethe wird behauptet, er habe in Frankfurter Mundart zu der Klage angehoben: „Mer licht hier so schlescht. . .“
Michael Reinsch in Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 21. Oktober 2008