Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - Der Kommentar in der FAZ - Arme Länder ©privat
Der Kommentar in der FAZ – Arme Länder – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
25.03.2014 · Innenminister de Maizière ist der Böse, und die Kinder sind seine unschuldigen Opfer. Der Politiker ist allerdings böse geworden, weil die Länder den Bund seit Jahren alleinlassen mit der Doping-Bekämpfung.
Eine Riesengemeinheit, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière ausgerechnet Schulkinder, die sich sportlich engagieren, unter Druck setzt in seinem Machtkampf mit den Ländern! Der Mann, der zuständig ist für Sicherheit und inneren Frieden, für öffentliche Verwaltung und nicht zuletzt für Spitzensport, wendet sich gegen die Kleinen, weil er sich gegenüber Politikern in der Provinz nicht durchsetzen kann.
Noch behält er nur die Hälfte seines Zuschusses für „Jugend trainiert für Olympia“ ein und droht damit, den besten Schulmannschaften Deutschlands, 800.000 Mädchen und Jungen, das Ziel ihrer Wettbewerbe zu nehmen: die Finals in Berlin und einem Wintergebiet. Und das ein Jahr nachdem das 1969 gegründete und inzwischen zu einer Tradition gewordene Olympia der Basis um „Jugend trainiert für Paralympics“ ergänzt worden ist.
So also sieht’s aus: De Maizière ist der Böse, und die Kinder sind seine unschuldigen Opfer. Der Politiker ist allerdings böse geworden, im Sinne von wütend, weil die Länder den Bund seit Jahren alleinlassen mit der Doping-Bekämpfung: bei seiner Finanzierung aus einer Stiftung. Den Ländern scheint es egal zu sein, dass sie damit, wie die Wirtschaft in ihrer Allgemeinheit auch, die Idee vom Stakeholder des Sports scheitern lassen.
Wer Anteile hält am Modell Leistungssport, wer Eliteschulen für Spitzensportler finanziert und Polizeieinheiten, steht in der Verantwortung dafür, dass deren Treiben so weit wie möglich sauber gehalten wird – eben auch durch Kontrollen.
Dabei geht es, Jahr für Jahr, um ein Defizit von lediglich einer Million Euro – für sechzehn Länder rechnerisch ein Klacks. Politisch ist die Weigerung der Länder, die das in der Doping-Bekämpfung engagierte Baden-Württemberg wiederum ablehnt, keine Kleinigkeit.
Die Kassen sind voll
De Maizière dürfte nur zu gut in Erinnerung haben, wie die Länder seinen Nachfolger und Vorgänger Hans-Peter Friedrich auflaufen ließen, als der zur Rettung der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) an einen runden Tisch in Berlin bat. Die Vertreter der Länder kamen nicht einmal mit leeren Händen. Sie kamen überhaupt nicht. Derart will sich de Maizière nicht desavouieren lassen. Seine Strafe jetzt ist dennoch eine milde Drohung. Schließlich zieht er, zum Beispiel, nicht die Bundespolizei von Einsätzen bei Fußballspielen zurück.
Die Kassen der Deutschen Schulsportstiftung, Träger von Jugend trainiert, sind voll. Und die Länder, da können die Kleinen und ihre Eltern sicher sein, werden den Wettbewerb nicht scheitern lassen. Zwar behaupten sie, dass sie nicht für den Spitzensport und damit die Doping-Bekämpfung zuständig seien, sondern lediglich für den Nachwuchssport.
Schulkinder in Geiselhaft
Doch noch nie haben sie so viel für die Förderung von Top-Athleten ausgegeben wie derzeit. Wenn jedes Land der Nada ebenso viel überwiese, wie sich seine Regierungschefs und Minister die Reisen kosten lassen, auf denen sie Athleten bei Welt- und Europameisterschaften sowie bei Olympischen Spielen unterstützen, dürfte das Problem gelöst sein. Und niemand müsste Schulkinder in Geiselhaft nehmen.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 25. März 2014