DB-Riesentrikot-Übergabe in Frankfurt © Foto: DSSS/sampics
Der große Jahresrückblick 2022 – Jugend trainiert für Olympia und Paralympics – Von Kai Gemeinder
In den Anfangsmonaten des Jahres 2022 hielt die Corona-Pandemie Deutschland noch fest im Würgegriff, weshalb wie schon 2021 kein Winterfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics stattfinden konnte. Schweren Herzens gab die Deutsche Schulsportstiftung am 19. Januar die erneute Absage des für Ende Februar geplanten Winterfinales bekannt. Während die angespannte Corona-Lage auf schulsportlicher Ebene keine Wettbewerbe zuließ, sorgten indes frühere „Jugend trainiert“-Teilnehmer*innen bei den Olympischen und Paralympischen Winterspielen Peking 2022 für Furore.
Großartige Erfolge für ehemalige „Jugend trainiert“-Wintersportler*innen
Bei den XXIV. Olympischen Winterspielen, die vom 4.-20. Februar 2022 in Peking ausgetragen wurden, gingen zehn einstmalige „Jugend trainiert“-Bundesfinalist*innen an den Start. Sechs von ihnen kehrten mit Edelmetall aus China zurück, in drei Fällen sogar als Olympiasiegerinnen. Denise Herrmann-Wick triumphierte im Biathlon Einzel und erreichte zudem Platz drei mit der Damen-Staffel, in der auch Vanessa Voigt zum Bronze-Team gehörte. Die Skilangläuferinnen Katharina Hennig und Victoria Carl gewannen sensationell Olympiagold im Teamsprint und Silber im Staffel-Wettbewerb. Und auch die Männer-Staffel der Nordischen Kombinierer gewann Silber. Mitglieder des erfolgreichen Quartetts waren Eric Frenzel und Manuel Faißt.
Zwei Wochen, nachdem in Peking das olympische Feuer erloschen war, feierten die ehemaligen „Jugend trainiert“-Teilnehmerinnen Johanna Recktenwald und Leonie Walter ihre Paralympics-Premiere. Dabei gelang den beiden sehbeeinträchtigten Para Skilangläuferinnen und Biathletinnen ein fulminantes Paralympics-Debüt. Johanna Recktenwald, die 2016 beim Winterfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics in Schonach zum ersten Mal im Leben auf Skiern stand und als Talent entdeckt wurde, erreichte bei den vom 4.-13. März durchgeführten XIII. Paralympischen Winterspielen zwei vierte Plätze sowie einen fünften, siebten und achten Platz. Leonie Walter, zwischen 2015 und 2019 mit viermal Gold und einmal Silber bei „Jugend trainiert“ dekoriert, holte in Peking als 18-Jährige dreimal Bronze und einmal Gold – ein riesiger Erfolg.
Trikotübergaben als Zeichen des Neustarts
Apropos riesig: Seit die Deutsche Bahn 2012 Hauptsponsor bei Jugend trainiert für Olympia & Paralympics wurde, ist es gute Tradition, die erfolgreichsten Schüler*innen der Bundesfinals im Winter, Frühjahr und Herbst während der Siegerehrungen auf einem von der DB zur Verfügung gestellten Riesentrikot unterschreiben zu lassen. Zum 10-jährigen Jubiläum des Hauptsponsorings wurden die 25 so entstandenen Unikate im April 2022 an Schulen in ganz Deutschland verschenkt. Ein DB-Riesentrikot fand am 4. April an der Carl-von-Weinberg-Schule Frankfurt/Main sein neues Zuhause, wobei die Übergabe von Vertreter*innen der Deutschen Schulsportstiftung und Deutschen Bahn sowie Schüler*innen und Lehrkräften der hessischen Sporteliteschule begleitet wurde. Mit den beliebten Trikots sollte ein wenig „Jugend trainiert“-Feeling an die Schulen zurückkehren und Vorfreude auf das Comeback des Schulsportwettbewerbs entfacht werden. Als Zeichen des Neustarts gerieten die zwei mal drei Meter großen Trikots zu Vorboten des ersten Frühjahrsfinales seit 2019, das Anfang Mai 2022 wieder in Berlin würde stattfinden konnte.
Comeback der Emotionen
Am 3. Mai war es endlich so weit. 1.092 Tage nachdem sich zuletzt Schüler*innen auf den Weg zu einem Frühjahrsfinale von „Jugend trainiert“ gemacht hatten, feierte der klassische Schulsportwettbewerb seine Wiedergeburt in der Hauptstadt. Zwar lag die Zahl der Teilnehmenden mit rund 2.700 noch nicht auf dem Niveau von 2019, was unter anderem daran lag, dass Bayern keine und Rheinland-Pfalz nur eine Schule zum Bundesfinale entsandt hatte. Aber für diejenigen, die das Frühjahrsfinale 2022 in Berlin erlebten, war es ein grandioses Ereignis, das durchgängig von einem Gefühl der Dankbarkeit begleitet wurde.
24 Bundessiege in sechs olympischen und drei paralympischen Sportarten wurden vergeben. Neun Titel konnten dabei von Berliner Schulteams bejubelt werden, womit die Hauptstadt deutlich im Medaillenspiegel vorne lag. Gleichzeitig erreichte jedes der 15 vertretenen Bundesländer mindestens eine Podestplatzierung. Aber weit wichtiger als Gold, Silber und Bronze wog ohnehin die Tatsache, dass sich Schulteams unter Einhaltung eines umfangreichen Hygienekonzepts wieder zum Wettstreit treffen durften.
Eine Geschichte fernab von sportlichen Resultaten bewegte beim Frühjahrsfinale besonders. In der weiblichen Basketballmannschaft der Stadtteilschule Alter Teichweg Hamburg spielte mit Anna „Anja“ Didychuk ein Mädchen, das erst sieben Wochen zuvor mit ihrer Familie aus der Ukraine geflüchtet war. Sie sei dankbar, hier dabei sein zu dürfen, erzählte Anna im persönlichen Gespräch und fügte hinzu: „Wenn ich auf dem Feld stehe, fühlt es sich an, als sei ich in der Ukraine“. Basketball ist Heimat für sie. Die Spiele bei „Jugend trainiert“ schenkten der 15-Jährigen ein paar unbeschwerte Momente fernab von Bomben und Krieg. Noch immer lebt Anna in Hamburg und spielt inzwischen auch im Verein Basketball. Allerdings besucht sie mittlerweile eine neue Schule, weil sie zwischenzeitlich mit ihrer Familie in einen anderen Hamburger Stadtteil umgezogen ist.
Von einer rührenden Familiengeschichte unter dem Motto „dabei sein ist alles“ berichtete unter anderem der rbb in einem Fernsehbeitrag. Dass die Turnmädchen der Grundschule im Taunusviertel Berlin überhaupt dabei sein konnten, hatten sie nämlich vor allem Opa Jan zu verdanken. Weil dessen Enkeltochter und eine weitere Mitschülerin sich eigentlich zur Zeit des Bundesfinales auf Klassenfahrt befanden, wollte die Betreuerin den Start des eigenen Teams bereits zurückziehen. Das wäre eine große Enttäuschung für alle Mädchen gewesen, die sich erfolgreich auf Landesebene für das Frühjahrsfinale qualifiziert hatten. Doch Opa Jan erklärte sich bereit, die beiden Turnerinnen von der Klassenfahrt abzuholen und nach dem Wettkampf wieder dorthin zurückzubringen. Vier Stunden Autofahrt nahm er dafür gerne in Kauf. Deshalb waren sich alle Beteiligten einig: Opa ist der Beste.
Neuer Vorstand und neuer Partner: Deutsche Schulsportstiftung ebnet Weg in die Zukunft
Frei nach einer alten Fußballweisheit könnte man sagen: Nach dem Frühjahrsfinale ist vor dem Herbstfinale. Die Monate zwischen diesen beiden Jahreshighlights waren im Sommer 2022 von Aufbruchstimmung und Veränderung gekennzeichnet.
Im Juli wurde bei der Stiftungsversammlung der Deutschen Schulsportstiftung ein neuer Vorstand gewählt. Zwei Positionen wurden dabei neu besetzt, weil die jeweiligen Amtsinhaber nicht mehr kandidierten. Den Vorstandsvorsitz von Dr. Thomas Poller übernahm auf einstimmigen Beschluss der Versammlung Martin Schönwandt, der schon als Geschäftsführer der Deutschen Sportjugend und zuvor als Jugendsekretär der Deutschen Turnerjugend sowie als Geschäftsführer der Luftsportjugend im Deutschen Aeroklub über viele Jahre seine Energie dem Kinder- und Jugendsport gewidmet hatte. Außerdem wurde Miriam Vogt, Vizepräsidentin des Deutschen Skiverbands, anstelle von Dr. Peter Bösl als Vertreterin der Spitzenverbände in den Vorstand berufen.
„Jugend trainiert“-Grundschulwettbewerb begeistert in Dreieich © DSSS/sampics
Im August verkündeten Deutsche Schulsportstiftung und DFL Deutsche Fußball Liga die Vereinbarung einer Partnerschaft, bei der als gemeinsames Anliegen die Förderung junger Menschen und des Schulsportwettbewerbs Jugend trainiert für Olympia & Paralympics im Mittelpunkt steht. Zudem fungiert die DFL neben Hauptsponsor Deutsche Bahn und Premium Partner Allianz als Gründungspartner des „Jugend trainiert“-Grundschulwettbewerbs, der mit Beginn des Schuljahres 2022/23 neu eingeführt und beim Herbstfinale 2022 offiziell vorgestellt worden ist.
Jubiläumsfinale mit internationalem Flair: 100. Bundesfinalveranstaltung in Berlin begeistert
Vom 13.-17. September kämpften 448 Schulmannschaften beim Herbstfinale um 32 Titel bzw. 96 Medaillen in zehn olympischen und drei paralympischen Sportarten. Wie schon beim Frühjahrsfinale waren die Berliner Schulen dabei am erfolgreichsten (5x Gold, 4x Silber, 4x Bronze). Und wie beim Frühjahrsfinale ging kein Bundesland bei der Medaillenvergabe leer aus.
Dabei stand das Herbstfinale 2022 ganz im Zeichen eines Jubiläums: Zum 100. Mal seit der „Jugend trainiert“-Premiere im Jahr 1969 fand ein Bundesfinale in Berlin statt, weshalb die zweifache Leichtathletik-Europameisterin Gina Lückenkemper es sich nicht nehmen ließ, bei der Finalveranstaltung dabei zu sein. Im Rahmen des Pressegesprächs bezeichnete die Sprinterin, die später im Jahr noch zur Sportlerin des Jahres 2022 gewählt werden würde, sich selbst als Fan des Wettbewerbs und meinte: „,Jugend trainiert‘ schafft sportliche Gemeinschafts-Erlebnisse, an die man sich ein Leben lang erinnert.“ An selber Stelle wurde von Martin Schönwandt der von Pädagogen entwickelte „Jugend trainiert“-Grundschulwettbewerb vorgestellt. Dieser kann direkt an den Grundschulen durchgeführt werden und dazu beitragen, schon die Jüngsten sportartübergreifend zu erreichen und für Sport und Bewegung zu begeistern.
Pressegespräch beim Herbstfinale mit der Europameisterin Gina Lückenkemper (2.v.r.) und den beiden Marathonläuferinnen Schöneborns (lks.) – Foto: © DSSS/sampics
Die Jubiläumsauflage von „Jugend trainiert“ mit seinen 4.500 Teilnehmenden strahlte zudem internationales Flair aus. Zum einen besuchte eine französische Delegation mit hochrangigen Vertreter*innen des Gastgebers der Olympischen und Paralympischen Spiele Paris 2024 einige Wettbewerbe sowie die Abschlussveranstaltung im Velodrom. Zum anderen nahm erstmals in der langen Historie des Schulsportwettbewerbs eine ausländische Schule an einem Bundesfinale teil. Die deutsche Minderheitenschule aus dem dänischen Sonderburg qualifizierte sich beim Landesentscheid Schleswig-Holsteins im Triathlon für das Herbstfinale 2022 und belegte – ohne reine Triathlet*innen im Team – einen beachtlichen siebten Platz.
Außerdem waren insgesamt acht aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtete Jugendliche für die Humboldtschule Hannover im Rudern beim Herbstfinale vertreten. Ähnlich wie Basketballerin Anna beim Frühjahrsfinale war auch der Rudernachwuchs dankbar für die willkommene Ablenkung, die ihm der Wettbewerb bescherte. Beim Herbstfinale dabei sein zu dürfen, bezeichnete die ukrainische Nationalkaderathletin Alisa Lehenchenko als Geschenk.
Allianz Werte-Challenge lässt Schüler*innen strahlen
Geschenke verteilten im Laufe des Jahres auch die Werte-Pat*innen Laura Ludwig, Felix Neureuther und Felix Loch im Rahmen der Allianz Werte-Challenge. Schulen waren dazu aufgerufen, rund um das Thema „Sport für eine bessere Zukunft“ kreative Videos in den Kategorien Fairplay, Nachhaltigkeit und Vielfalt zu erstellen und einzureichen. Die Macher*innen des besten Beitrags pro Kategorie gewannen eine Allianz Bewegungstonne im Wert von 1.000 Euro – persönlich überreicht von den Sportstars Ludwig, Neureuther und Loch.
Des Weiteren wurde unter allen Einsendungen als Hauptpreis eine Klassenfahrt nach München inklusive des Besuchs der Allianz Arena bei einem Heimspiel des FC Bayern München verlost. Im Dezember-Newsletter wurden als glückliche Gewinner*innen dieses Hauptpreises die Grundschüler*innen der Klasse 6b von der Mary-Poppins-Grundschule Berlin bekanntgegeben. Sie freuen sich auf ihren Besuch in München, wenn im April 2023 die Berliner Hertha beim deutschen Rekordmeister gastiert.
Endlich wieder Winterfinale, endlich wieder Normalität
Schon etwas früher im neuen Jahr wird für die besten Schulteams der Sportarten (Para) Skilanglauf, Ski Alpin und Skispringen endlich wieder ein „Jugend trainiert“-Winterfinale stattfinden. Vom 26. Februar bis 2. März reisen Wintersporttalente aus ganz Deutschland nach Schonach im Schwarzwald. Wenn der Tag der Anreise gekommen ist, werden mehr als drei Jahre vergangen sein, seit zuletzt ein Winterfinale ausgerichtet werden konnte. Die Sehnsucht danach ist entsprechend groß. Die Vorfreude bei allen Wintersportfans und der gesamten „Jugend trainiert“-Familie auch.
2023 soll das erste Jahr seit 2019 werden, in dem wieder drei Bundesfinalveranstaltungen und flächendeckend die dazu gehörigen Qualifikationswettbewerbe auf Regional- und Landesebene in allen 19 olympischen und sieben paralympischen „Jugend trainiert“-Sportarten durchgeführt werden können.
Zugleich soll der „Jugend trainiert“-Grundschulwettbewerb richtig durchstarten. Welche Begeisterung das neue Format entfachen kann, zeigte sich bereits bei der Auftaktveranstaltung, die im Beisein des Hessischen Kultusministers Alexander Lorz an der Karl-Nahrgang-Schule Dreieich im November 2022 stattgefunden hatte.
Den Schwung dieses Startschusses will die Deutsche Schulsportstiftung mit ins neue Jahr 2023 nehmen und den Wettbewerb Jugend trainiert für Olympia & Paralympics wieder zu dem machen, was er eigentlich ist und in der langen Zeit der Corona-Pandemie nicht sein durfte: zum größten Schulsportwettbewerb der Welt.
Kai Gemeinder
Quelle: Jugend trainiert für Olympia und Paralympics