Selbstverständlich ist es nötig, immer wieder an das Missverhältnis in unserer Gesellschaft zu erinnern.
Der DOSB KOMMENTAR I Gedenktage – Jörg Stratmann zum Internationalen Tag der Frau
Auch der – natürlich, der – Radio-Moderator auf Bayern Klassik geriet an diesem Morgen in Erklärungsnotstand. „Selbst am Internationalen Tag der Frau keine Komponistin im Programm", sagte er und fragte mit gespieltem Seufzer: „Wie konnte das passieren?"
Nun, mit ein wenig gutem Willen hätte die Redaktion dem abhelfen können. Schließlich zählt beispielsweise Reclams Komponisten-Lexikon auch 80 Frauen auf . Aber es ist halt in diesem musikalischen Spezialgebiet wie – fast – überall: Unter den mehr als 700 Einzeldarstellungen sind sie bei weitem die Minderheit. Und braucht es diesen besonderen Tag, um immer wieder mal darauf aufmerksam zu machen?
Das ist eine heikle Frage. Auf die hat es an diesem Dienstag, dem 100. Weltfrauentag, seit die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz auf Vorschlag von Clara Zetkin seine Einführung beschloss, einige Antworten gegeben, darunter wieder viele phrasenreiche. Und deshalb plädierte beispielsweise Alice Schwarzer in der Frankfurter Rundschau gleich dafür, „diesen gönnerhaften 8. März" abzuschaffen. Immerhin hält sie eine Alternative bereit: statt einem gleich 365 Tage für Menschen, Frauen wie Männer. Das ist hübsch selbstbewusst, aber wohl ähnlich folgenlos wie die meisten anderen Antworten.
Selbstverständlich ist es nötig, immer wieder an das Missverhältnis in unserer Gesellschaft zu erinnern. Deshalb hatte beispielsweise der DOSB 2009 zum „Jahr der Frauen im Sport" erklärt und mit zahlreichen Projekten begleitet. Das war erfolgreich und hat doch nicht dazu geführt, dass sich an den eindeutigen Zahlen etwas Grundlegendes geändert hätte. Auch im Sport gilt weiterhin: Wir brauchen mehr weibliche Führungskräfte.
Dabei hält der DOSB auch im Ehrenamt eine Quote für den falschen Weg. Auch das hätte etwas Gönnerhaftes und damit auf subtile Weise Diskriminierendes an sich. Es geht um die Anerken-nung von Qualität. Wobei, wie auch DOSB-Präsident Thomas Bach immer wieder sagt, Angebote erforderlich seien, die der besonderen Lebenssituation von Frauen Rechnung tragen. Dazu Ermutigung und Begleitung. Und Vorbilder.
Darauf kann auch ein Gedenktag aufmerksam machen. Doch wirksam werden die Gedanken nur, wenn sie an den übrigen 364 Tagen weiterverfolgt werden – und möglichst verwirklicht.
Übrigens: Der nächste Internationale Tag ist der 21. März. Er macht gleich auf dreierlei zugleich aufmerksam. Es ist der Tag der Poesie, der Tag des Waldes – und der Tag für die Beseitigung der Rassendiskriminierung. Wir sollten nicht erst auf diesen Tag warten.
Jörg Stratmann in der DOSB Presse
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