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22
08
2013

Sieger Peter Flock ©Barbara Speckner, LG Mauerweg Berlin e.V.

Der Berliner Mauerweglauf: 160,9 Kilometer der Erinnerung – Alexander von Uleniecki berichtet

By GRR 0

Eigentlich ist fast jede Laufveranstaltung mit vielen Emotionen verbunden. Ob nun 10 Km, Marathon oder Ultramarathon. Sportliche Ziele werden erreicht oder verfehlt, es fließen Tränen der Freude oder des Frustes. Und es gibt Läufe, die bewegen zusätzlich und gehen stark an die Gefühle. Einer davon ist der Mauerweglauf in Berlin, der immer (und von jetzt an jährlich) am Wochenende nach dem Mauerbau-Gedenktag, dem 13. August, stattfindet.

Am 13. August 1961 wurde die Teilung Berlins mit Beton und Stacheldraht durch die DDR-Führung vollzogen. Mindestens 136 Menschen starben in der Folgezeit bis zum Fall der Mauer im November 1989. An diese unmenschliche Grenze und ihre Opfer erinnert der Mauerweg, der ursprünglich als Patrouillenweg für die Grenztruppen angelegt wurde und Dank der Initiative des heutigen Europaabgeordneten Michael Cramer als „Weg der Erinnerung“ auch nach der Wende erhalten werden konnte.

Er führt um das westliche Berlin, ist größtenteils asphaltiert und (mit wenigen Ausnahmen) überwiegend flach. Am Wegesrand erinnern zahlreiche orangene Gedenkstelen an die Opfer. Wenige Wachtürme sind erhalten geblieben, die größtenteils als Gedenkstätten genutzt werden. 

Läuft man den Berliner Mauerweg in kompletter Länge ab, so kommt man auf eine Distanz von etwa 100 Meilen. Aus dieser Tatsache heraus entwickelte sich die Ursprungsidee, zum 50. Jahrestag des Mauerbaus im August 2011 einen 100-Meilen-Lauf zu veranstalten. Motto: „Niemand hat die Absicht, 100 Meilen zu laufen!“. Abgeleitet vom historischen Ulbricht-Zitat. Als Schirmherr für diesen neuen Gedenklauf in der Hauptstadt konnte der frühere DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann gewonnen werden. Und er war es auch, der dann am 20. August 2011 das Startsignal für die Premiere der „100MeilenBerlin“ (so der offizielle Veranstaltungsname) für die 93 Läuferinnen und Läufer gab. Von denen erreichten schließlich 78 das Ziel im Stadion an der Lobeckstraße in Kreuzberg – Michael Vanicek und Jan Prochaska waren mit einer Laufzeit von 16:22 Stunden die Schnellsten. 

2012 nahm sich der veranstaltende Verein, die LG Mauerweg Berlin e.V., eine kurze Auszeit, um die vielen Erfahrungen der Premiere zu verarbeiten und mit neuer Kraft an die zweite 100Meilen-Auflage heranzugehen. Wurde 2011 noch im Uhrzeigersinn auf dem Mauerweg gelaufen, so sollte es am 17. August 2013 in die andere Richtung gehen. Die Zahl der Verpflegungspunkte wurde von 24 auf 27 noch einmal erhöht (alle 5 bis 7 Kilometer), um beispielsweise auf hohe Temperaturen vorbereitet zu sein. Und auch die Zahl der Teilnehmer konnte in diesem Jahr deutlich gesteigert werden: 223 Sportler aus 18 Nationen gingen diesmal an den Start, außerdem erstmals zwei 2er- und zwölf 4er-Staffeln, unter anderem mit dem Spartathlon-Sieger-Duo Ivan Cudin und Stu Thoms.

Die Bedeutung dieses Laufs hatte im Vorfeld auch Berlins Innenstaatssekretär Andreas Statzkowski unterstrichen: „Wir sind froh, dass es diesen Lauf der Erinnerung gibt und die Stadt wird ihn fördern!“

Ähnlich lobend hatte sich zuvor bereits LGM-Ehrenmitglied und Vater des Berlin-Marathons, Horst Milde, geäußert: „Die Idee dieses Laufs ist so gut – sie hätte  auch von mir stammen können.“ 

Eine Besonderheit der „100MeilenBerlin“ ist auch, dass der Lauf in jedem Jahr einem anderen Maueropfer gewidmet wird. War es bei der Premiere der letzte erschossene Mensch an der Grenze, Chris Gueffroy, der die Finisher-Medaille mit seinem Konterfei zierte, so wurde in diesem Jahr Günter Litfin geehrt. Litfin wurde 1961, wenige Tage nach dem Bau der Mauer, als erster Flüchtling in der Nähe des heutigen Hauptbahnhofs von DDR-Transportpolizisten getötet.

Und so war es für die meisten 100Meilen-Teilnehmer auch ein bewegender Augenblick, dass ausgerechnet Jürgen Litfin, sein Bruder, den ersten Verpflegungspunkt mit betreute und dort die Mauerwegläufer begrüßte. Das war kein Zufall, denn der VP1 befand sich genau vor der Gedenkstätte Günter Litfin, einem ehemaligen Wachturm in der Kieler Straße in Berlin-Mitte. 

Zurück zum sportlichen Teil: Vor allem die italienischen Läufer waren in diesem Jahr stark vertreten. Und das hat einen Grund, denn mit dem „Magredi Mountain Trail“ am Fuße der Dolomiten gibt es eine Partnerschaft, man kann schon fast sagen: eine Freundschaft! Zusammen mit dem „Thames Path 100“ in England bilden alle drei 100-Meilen-Läufe den „European 100 Miles Club“.

Teilnehmer, die alle drei Events innerhalb eines Jahres finishen, werden in diesen Club aufgenommen und erhalten als Geschenk eine hochwertige Funktionsjacke. Als erste Club-Mitglieder durften bei der späteren Siegerehrung im Ramada-Hotel am Alexanderplatz Michael Frenz und Oliver Franz geehrt werden.  

Von Beginn an war das Tempo an der Spitze recht hoch. Zu hoch, wie auch die Premieren-Sieger Michael Vanicek und Jan Prochaska, die diesmal den VP 7 in Frohnau betreuten, schnell erkannten. Die Sonne brannte bei Temperaturen um die 25 Grad auf die Athleten, hinzu kam zeitweilig eine unangenehme Schwüle. Ash Tehrani aus Australien, der auf der ersten Hälfte des Laufs noch in Führung lag, bekam das zu spüren und fiel zurück. Auch der Italiener Federico Borlenghi, der bis Km 120 noch die Nase vorn hatte, konnte das Tempo nicht bis ins Ziel halten. Davon konnte letztlich Peter Flock aus Thüringen profitieren, der sich nach vorne schob und am Ende mit 15:53 Stunden einen neuen Streckenrekord bei den „100MeilenBerlin“ aufstellen konnte.

Nach dem Sieg beim WiBoLT und dem dritten Platz beim Thüringen-Ultra nun ein weiterer, großer Erfolg für Peter. Auf den weiteren Plätzen folgten die Italiener Borlenghi und Torelli. Bei den Frauen konnte Annett Bahlcke vom Ultrateam der LG Nord Berlin überzeugen: Auch sie knackte mit 17:13 Stunden deutlich den alten Streckenrekord von Marika Heinlein (17:49). Hinter ihr belegten Kerstin Fenzlein (LG Nord) und Martina Schliep (LG Mauerweg) die Plätze 2 und 3. Insgesamt erreichten vor den Augen von Ultralauf-Legende Werner Sonntag 174 Läuferinnen und Läufer das Ziel in der Lobeckstraße.

Als Dankeschön und Zeichen der Anerkennung gab es gleich nach Zieleinlauf das exklusive 100Meilen-Finisher-Shirt; in diesem Jahr mit einem Motiv des East-Side-Gallery-Künstlers Kani Alavi. 

Ein Ausblick auf das kommende Jahr sei erlaubt: 2014 wird der Berliner Mauerweglauf am 16./17. August stattfinden, dann wieder (wie bei der Premiere) im Uhrzeigersinn. Start und Ziel ziehen von Kreuzberg in den größeren Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg um.

Damit werden die 100Meilen-Läufer erstmals direkt am Mauerweg starten und dort  auch wieder ankommen. Die Zahl der Einzel-Startplätze wurde – um den Stress bei der Anmeldung zu verhindern – auf 500 erhöht.

Und erstmals wird es auch die Möglichkeit geben, Staffeln mit einer Größe von bis zu 28 Läufern an den Start zu bringen.

Anmeldungen sind ab sofort über die Webseite www.100Meilen.de möglich. 

 

Alexander von Uleniecki, LG Mauerweg Berlin e.V. , https://lgmauerweg.de/ 

author: GRR

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