Symbolfoto: 2009 World Championships Berlin, Germany August 15-23, 2009 Photo: Victah Sailer@Photo Run
DER ABSTURZ DER LEICHTATHLETIK: In nur drei Jahren rutscht der DLV von Platz Eins ins Mittelfeld ab – Dr. Wolfgang Blödorn
Auf der Webseite der German Road Races (GRR) war die Kritik an der Förderstruktur und den Fördermaßnahmen im Deutschen Leichtathletik-Verband schon 2021 laut.
Leichtathletik-Experten sahen in der Leistungsförderung und dessen Struktur im DLV mehr als nur dunkle Wolken heraufziehen. Nun wird diese Kritik vom DOSB-PotAS-Bericht Sommersport 2024 nachdrücklich und empfindlich bestätigt.
Wie hat sich der DLV 2021 noch gefeiert. Platz Eins im PotAS-Ranking Sommersport 2021. Es wurde nicht nur auf der DLV-Webseite leichtathletik.de gejubelt. Und nun 2024? Keine Nachricht über das Abschneiden des DLV auf seiner Webseite. Schweigen oder gar Verschweigen zum Abschneiden des DLV?
Man kann dem DLV zugutehalten, dass im DOSB-PotAS-Bericht 2024 die Leichtathletik als Sportart insgesamt nicht mehr vorkommt. Stattdessen wird die Leichtathletik, weil sie die Königin der Sportarten ist, zu Recht in ihre Disziplinblöcke aufgesplittet. Dabei werden Frauen und Männer in zehn Kategorien getrennt betrachtet. Diese Aufsplittung verhindert aber nicht eine Gesamtanalyse der Leichtathletik im DLV!
Die zehn Unterteilungen des PotAS-Berichts 2024 weisen als besten Platz den Platz Sieben für den Mehrkampf der Männer nach. Am schwächsten hat der Block Sprint/Hürden der Frauen mit Platz 69 abgeschnitten. Im Durchschnitt aller Platzierungen der Blöcke im DLV ergibt sich Platz 48,8. Das Abschneiden der einzelnen Disziplinblöcke lässt sich an der nachfolgen Tabelle erkennen.
Ranking der Disziplinblöcke im DLV laut PotAS-Bericht Sommersport 2024
Die Tabelle macht sehr deutlich, die Sprint- und Laufdisziplinen dümpeln in der Spalte Erfolg und Potenzial vor sich hin. Sie liegen mehr als deutlich unter dem Mittelwert aller Disziplinblöcke.
Wie kann dies sein? Postet der DLV auf seiner Webseite doch regelmäßig die Spitzenleistungen der Sprinter*Innen und Läufer*Innen.
Aber man sollte nicht ungerecht sein! In der Verbandsstruktur steht der DLV – wie 2021 – mit 98,18 an der Spitze des Rankings. Da stellt sich die Frage, weshalb eine so exzellente Struktur des Verbandes nicht auf die Leistungen seiner Athlet*Innen durchschlägt. Ist es das Ziel des DLV eine Weltklassebehörde zu sein oder will es seiner Funktion nach im Spitzensport Welt- klasse erbringen und fördern?
Festhalten darf man auf jeden Fall, dass die sehr gute Verbandsstruktur im DLV ab 2025 möglicherweise überhaupt keine Rolle mehr bei der PotAS-Analyse spielen wird. Es wird darüber beraten, die Strukturbewertung für den Zyklus 2025 bis 2028 aus der PotAS-Analyse herauszunehmen. Dies würde bedeuten, der DLV wird in seiner Bewertung auf das zurückgeworfen, wofür er stehen sollte: Top-Leistungen im internationalen Vergleich seiner Athlet*Innen möglich zu machen! Um dieses zu gewährleisten, scheint es mehr als dringend notwendig, Personal und Strukturen zu überdenken und möglicherweise zu verändern. Nur so ist überhaupt noch ein Zipfel des DLV-Zieles, 2028 bei den Olympischen Spielen unter den besten fünf Nationen sein zu , zu erhaschen. Die Zeit drängt und Struktur- sowie Personalentscheidungen müssten umgehend getroffen werden!
Nun ist hier nicht der Ort über die Qualität des Personals im DLV zu reden. Sprechen jedoch muss man über notwendige Strukturänderungen.
Schon 2021 wurde auf der Webseite des GRR die unzureichende Talentauswahl- und -entwicklung hingewiesen. Besonders stach hierbei heraus, dass auch international erfolgreichen Spitzennachwuchsathleten in der Erwachsenenklasse international nicht wiederzufinden waren. Es wurde der Verdacht laut, Spitzenleistungen im Nachwuchsbereich könnten dem DLV wichtiger sein wie Erfolge bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen.
Träfe diese Vermutung zu, wäre dies nicht nur ein sportpädagogisches Fiasko im DLV.
Ein weiteres und großes Strukturproblem stellen die Kadernormen im DLV dar. Sie sind auch für die Saison 2025 z.B. im Mittelstreckenlauf deutlich zu niedrig angesetzt. Die geforderten Normen für die Berufung in den Perspektivkader entsprechen eher einem Platz Dreißig in den vergangenen Weltbestenlisten als einem Platz unter den ersten Zwölf in der aktuellen Weltbestenliste von 2024. Anders gesprochen: Die Kadernormen sind rückwärtsgewandt, anstatt die
Zukunft in den Blick zu nehmen!
Zusammenfassend ist dem DLV dringend zu raten, seine personelle und strukturelle Aufstellung zu überdenken und zu verändern. Dies scheint allerdings unter den Verwaltungsbedingungen im DLV nur möglich, wenn die Vorstände im DLV bereit sind, Vorstellungen von außen ernsthaft zu durchdenken und nicht als unberechtigte Kritik abzutun. Zuwarten und auf Besserung hoffen reicht nicht aus.
Leistungssport ist kein Kokon, aus dem bei Nichtstun irgendwann ein Schmetterling entfliegt
Dr. Wolfgang Blödorn