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08
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2009

Der Stress wird schon noch kommen, je näher der 20. August rückt, der Tag des Hochsprungfinales im Berliner Olympiastadion.

Countdown zur Leichtathletik-WM: Noch 9 Tage – Höhenflug für ein Riesenstück Kuchen – Sebastian Arlt in der Berliner Morgenpost

By GRR 0

Blanka Vlasic scheint es gut zu gehen. Fröhlich erzählt sie, was sie in ihrer Heimatstadt Split so alles treibt. "Wir haben super Wetter, ich kann an den Strand gehen, alles ist perfekt." Lachend ordnet sie ihr momentanes Leben ein: "Es ist wie im Urlaub."
 
Was wohl etwas übertrieben ist, weil auf dem täglichen Plan der Hochspringerin aus Kroatien natürlich auch Trainingseinheiten stehen. Denn die 25-Jährige hat nur ein Ziel: Sie will bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin (15. bis 23. August) ihren Titel verteidigen, den sie vor zwei Jahren in Osaka gewonnen hat.

Die optimalen Umstände in Split sorgen auch dafür, "dass ich den Kopf frei bekomme". So gelinge es ihr sehr gut, "nicht so viel an die WM in Berlin zu denken". Sie werde sich vorbereiten wie immer, springen wie immer… Also, fragt sie rhetorisch: "Warum soll ich mir Stress machen?"

Der Stress wird schon noch kommen, je näher der 20. August rückt, der Tag des Hochsprungfinales im Berliner Olympiastadion. "Es wird ein großartiger Wettkampf", prophezeit Blanka Vlasic. Und sie weiß auch, dass ihre wohl schärfste Konkurrentin, die Frankfurterin Ariane Friedrich, sozusagen ein Heimspiel hat. "Der Heimvorteil ist schon wichtig", sagt Vlasic. Sie kenne das, wenn sie in Split, Zagreb oder Rijeka starte. "Aber ich will mir darüber nicht so viele Gedanken machen", sagt sie mit Blick auf Friedrich.

Natürlich drehen sich die meisten Fragen eben doch um den Zweikampf zwischen Friedrich und Vlasic, ein Duell, das sicher zu den Höhepunkten der WM zählen wird – aus deutscher Sicht allemal. "Ariane ist nicht meine einzige Konkurrentin. Da sind noch andere Mädels, die etwas vom Kuchen abhaben wollen", sagt die Kroatin.
Vergleichen mag sich Blanka Vlasic auch nicht mit ihrer gleichaltrigen Konkurrentin, nur soviel: "Ich bin etwas größer als sie." Nein, jeder habe eben seinen Stil, seine Sprungtechnik. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen.

"Für den Hochsprung ist es natürlich prima, dass es gleich zwei Athletinnen gibt, die 2,05 Meter überspringen können", fügt sie dann doch noch an. Das sorge für Attraktivität – "und das ist doch eine gute Sache für alle". Friedrich hin, Friedrich her: "Letztlich springt jede für sich. Ich mache meinen eigenen Wettkampf und kämpfe gegen die Höhe."

Noch zusätzliches Selbstvertrauen hat ihr der Sieg beim Meeting in Monte Carlo gegeben, als sie nach einigen Niederlagen gegen die Frankfurterin vor gut einer Woche höhengleich – beide übersprangen 2,03 Meter – vor der Deutschen gewann. Doch überbewerten will sie das Ergebnis des letzten Aufeinandertreffens vor den Welttitelkämpfen nicht: "Am Ende ist das alles irrelevant, dann zählen nur die zwei Stunden Finalwettkampf in Berlin." Wenn sie dort ihr Maximum gegeben habe, "dann kann ich mit erhobenem Kopf gehen und friedlich schlafen".
Vlasic denkt an die Folgen ihres Erfolges bei der Weltmeisterschaft 2007 in Osaka. "Du wirst auch Opfer eines solchen Sieges", stellt sie rückblickend fest. Überall sei die Titelträgerin dann favorisiert, immer würden Erfolge erwartet. Doch für Vlasic folgten Rückschläge: Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde sie überraschend von der Belgierin Tia Hellebaut bezwungen. Ein paar Wochen später unterlag sie beim Golden-League-Meeting in Brüssel gegen Friedrich, was sie einen Anteil am Jackpot von 500 000 Dollar kostete. So konnte die 800-m-Läuferin Pamela Jelimo aus Kenia eine Million Dollar kassieren – und musste sich die Summe nicht mit der Kroatin teilen.

Im März 2009, als Friedrich in Turin Hallen-Europameisterin wurde, hatte die Kroatin einen völligen Blackout, wurde nur Fünfte. Mit Hilfe eines Psychologen hat die damals völlig niedergeschlagene Vlasic inzwischen ihr Tief aber überwunden.

Günter Eisinger, Trainer und Manager von Friedrich, weiß zu berichten, dass Trainer und Management von Vlasic jetzt ähnlich vorgingen wie das Frankfurter Duo: relativ wenig Wettkämpfe, möglichst wenig Medientermine, Konzentration nur auf das Wichtigste.

An Berlin, an das Olympiastadion erinnere sie sich gern: "Es war sehr schön dort." Auch wenn sie vor zwei Monaten beim Internationalen Stadionfest, dem Auftakt der Golden-League-Meetingserie, gegen Friedrich unterlag, die 2,06 Meter übersprang und damit einen deutschen Rekord aufstellte. Zugleich hatte Ariane Friedrich ihrer kroatischen Konkurrentin erneut die Tour vermasselt: Den Jackpot mit sechs Siegen bei sechs Meetings kann sie auch diesmal nicht mehr gewinnen.

Am 21. August kommt die Zeit der Revanche.

Sebastian Arlt in der Berliner Morgenpost, Donnerstag, dem 6. August 2009 

author: GRR

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