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28
01
2024

Abschied von Wolfgang Meller - Foto: Horst Milde

Bodo Tümmler nimmt Abschied von seinem Trainer

By GRR 0

Liebe Familie, liebe Trauergemeinde, liebe Weggefährten!

Wir nehmen heute Abschied von Wolfgang in einem kleinen Kreis, so wie Wolfgang es sich gewünscht und ausbedungen hatte.

Mein letztes gemeinsames Zusammentreffen mit ihm am Abend vor der Verlegung ins Hessische trug bereits den Kern des endgültigen Abschieds in sich. Die langen Phasen des stillen, in sich versunkenen Schweigens und Nachdenkens im Waldkrankenhaus wurde von ihm unterbrochen durch ein bemühtes aber dann doch kraftvolles Aufrichten aus der liegenden Position, wir fassten uns an den Armen, ein Leuchten ging über sein Gesicht, als wir uns nochmals versicherten, wie wertvoll jeder für jeweils den anderen war und wie verbunden wir uns einander fühlten.

Ein letztes, kurzes Zunicken, er sank zurück, ich ging hinaus – froh und in gewisser Weise erleichtert, denn ich hatte das Gefühl mitgenommen, dass Wolfgang zufrieden war mit sich und dem Leben auf dieser Erde.

Diese tiefe Verbundenheit begleitete uns in unserer gemeinsamen Zeit meiner und seiner Karriere als Läufer und als Trainer. Denn jeder für sich entwickelte sich an und mit dem anderen. Während sich meine Karriere öffentlichkeitswirksam in der Presse widerspiegelte, spielte sich seine mehr im Verborgenen ab. Bescheiden blieb er bei den Sportfesten im Hintergrund.

In den Fachkreisen in der Berliner Sportszene war er aber durchaus bekannt und geschätzt . Viele Trainer und Manager aus anderen Sportarten suchten bei ihm Rat und transferierten sein Wissen, was das Krafttraining und die Trainingsmethodik anging, für ihre Sportarten, z.B. Volleyball.

Dieses Wissen gab er bereitwillig weiter, was er sich autodidaktisch und durch immenses Recherchieren der nationalen und internationalen Literatur angeeignet hatte. Durch seine Anstellung im Institut für Leistungsmedizin war er in ständigem Kontakt mit den jüngsten Entwicklungen in der Sportwissenschaft und war als Coautor eines Buches über Trainingsphysiologie aufgetreten. Statistische Auswertungen und Tabellen lagen ihm.

Doch seine Liebe galt der praktischen Arbeit am Mann. Beim SCC im Mommsenstadion entwickelten sich unter seiner Obhut eine Vielzahl von Sprintern und Mittelstrecklern und Athleten anderer Disziplinen, die er zur nationalen und internationalen Reife führte.

Bodo Tümmler (m) 2018 mit seinem Heimtrainer Wolfgang Meller (lks) und dem DLV Bundestrainer Paul Schmidt – Foto: Horst Milde

Er war ein Visionär, ein ewiger Sucher und Tüftler, ein akribischer Arbeiter, um aus jedem Athleten mit individualisierten Programmen das Beste herauszuholen. Die Staffeln lagen ihm besonders am Herzen, denn es machte ihm eine diebische Freude, individuell leistungsstärkere Staffeln durch Drill und Disziplin beim Wechseltraining doch noch zu schlagen.

Mit Bedauern, auch und gerade jetzt in dieser Stunde des Abschieds, stelle ich fest, dass er sein umfassendes Wissen nicht in Form eines Fachbuchs niedergeschrieben hat. In diesem Punkt hat er sein Licht unter den Scheffel gestellt. Vielleicht auch deswegen, weil er neben seinen Notizen ein phänomenales Gedächtnis hatte und mich immer wieder überraschte,wenn er noch immer meine Trainingszeiten bis auf die Zehntelsekunde nennen konnte.

Aber wie gesagt, seine Liebe galt der praktischen Arbeit am Athleten. Und hier konnte ich persönlich erfahren, mit welcher Hingabe, mit welchem Enthusiasmus, mit welchem Einfühlungsvermögen er die einzelnen Trainingseinheiten plante, und was noch wichtiger war, nicht das Training schablonenhaft durchzog, sondern situationsgemäß anpasste.

Das ging nur, weil er mit sicherem Blick bereits beim Einlaufen erkannte, ob der Athlet an diesem Tag das geplante Training durchhalten kann oder ob es modifiziert werden muss. Er führte mich zur erweiterten Weltspitze, ich bezweifle, ob ich sie ohne ihn erreicht hätte.

Meinen Dank konnte ich ihm mit einem gemeinsamen Erlebnis aussprechen. Denn er war Zeuge eines Trainingslaufs von mir im Wald, meinem bevorzugten Trainingsgelände. Ich war auf dem Höhepunkt meines Leistungsvermögens und flog dahin, kaum dass ich den Boden berührte. Wolfgang konnte mit dem Fahrrad kaum folgen. Am Ende der Strecke lachten wir uns an und jubelten und genossen den Augenblick, denn es war uns bewusst, dieser Lauf war eine Sternstunde in meiner Laufbahn. Unsere gemeinsame Arbeit fand hier ihren Niederschlag. Beifall brauchten wir nicht, denn wir hatten einander. Die große Bühne war nicht unser Ding.

Diese emotionale Verbundenheit hat uns das ganze Leben lang begleitet, auch wenn wir uns über lange Zeit aus den Augen verloren hatten. Unsere Treffen lebten erst wieder auf, als Gerhard Kopp, mit dem er seine ersten Erfolge als Trainer hatte, die Idee hatte und den Anstoß dazu gab, sich monatlich zu treffen und gemeinsam zu frühstücken und sich auszutauschen, Vergangenes Revue passieren zu lassen und über den heutigen Sportzirkus zu schimpfen.

Danke Koppi

Die letzten Treffen fanden in Wolfgangs bevorzugtem Café statt, der Wiener Conditorei am Steubenplatz, wo er mit den Kellnerinnen in den letzten Jahrzehnten alt geworden war. Diesmal erzählte er von seiner Kindheit und Jugendzeit, mit welcher Akribie er bereits damals mit einfachsten Mitteln, Bausätze gab es noch nicht, ein kleines Segelschiff baute, begeisterte sich an den Einzelheiten, wie die Rahen zu setzen waren usw.

Er paukte, noch in Ostberlin wohnend, französisch um das französische Gymnasium in Reinickendorf besuchen zu können. Die Aufnahmeprüfung bestand er mit Bravour. Später, er war schon Trainer beim SCC, half er dort der Theatergruppe um Didi Hallervorden als Souffleur aus. Ja es war ein
sehr bewegtes, ereignisreiches, sinnvolles und erfülltes Leben.

Danke, dass ich das Privileg hatte, ihm zu begegnen.

Bodo Tümmler

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author: GRR