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22
07
2007

Schön und sprungstark: Die 29-jährige Bianca Kappler will nach der Geburt von Tochter Jolina noch einmal groß angreifen

Bianca Kappler: Eine Mutter wagt die großen Sprünge – Die 29-jährige Weitspringerin hat sich nach der Geburt ihrer Tochter in der Weltklasse etabliert. Die Olympischen Spiele in Peking 2008 sind ihr großes Ziel – Sebastian Arlt in der Berliner Morgenpost

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Bianca Kappler hat beschlossen, sich kein neues Autokennzeichen zu besorgen. Das endet mit der Zahl 685 – und so soll es auch bleiben. 685 war für Deutschlands beste Weitspringerin bisher eine magische Zahl, denn 6,85 Meter weit wollte sie in ihrer Karriere irgendwann einmal springen, \“das hatte ich mir in den Kopf gesetzt.\“ Ihr Heimtrainer und zugleich Bundestrainer Ulrich Knapp spricht sogar von einem \“Lebensziel\“.

Und dann kam beim Meeting in Bad Langensalza Anfang Juli dieser perfekte Sprung, bei dem alles passte und bei dem die 29-Jährige bei 6,90 m landete.

Sehr guter Anlauf, hervorragendes Umsetzen beim Absprung, 1,9 m/Sek. Rückenwind gerade noch im erlaubten Bereich. \“Vielleicht alle vier Jahre hat man mal so optimale Bedingungen\“, sagt Knapp. Noch nie ist eine im Sportsystem der alten Bundesländer aufgewachsene Sportlerin so weit gesprungen. Diesen bisher geltenden inoffiziellen Rekord hatte Heide Rosendahl im Jahr 1970 aufgestellt, mit 6,84 m.

Jetzt ist Bianca Kappler hin- und hergerissen. Zwischen \“genießen, was ich geschafft habe\“ und den \“Erwartungen, die jetzt natürlich gestiegen sind\“. Weil ein Leistungssportler doch gleich wieder gefragt werde: \“Was ist dein nächstes Ziel, was kannst du noch schaffen?\“ Sie spricht von einer \“Last\“, weil sie weiß, dass sie nun unter besonderer Beobachtung steht. So am heutigen Sonntag in Erfurt, wenn sie als klare Favoritin bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften an den Start geht. Ihr Sieg dürfte nicht infrage stehen, die Öffentlichkeit wird die Weite interessieren.

War dieser eine Sprung nur ein glücklicher Zufall, ein einmaliger Ausrutscher? \“Zwischen 6,70 m und 6,80 m\“ wolle sie sich erst einmal stabilisieren, sagt sie. Bei der Weltmeisterschaft Ende August in Osaka heißt das Ziel Finalteilnahme.

\“Zufrieden in meiner Welt\“

Aber bei Bianca Kappler scheint besagte Last eher Lust zu sein. \“Ich bin rundum zufrieden mit mir und meiner Welt\“, sagt sie lachend. Sportlich und privat, vor allem dank Jolina. 14 Monate ist Bianca Kapplers kleine Tochter jetzt alt – und die Frau Mama ist aus der Babypause stärker als je zuvor zurückgekehrt. Optimal kann sie sich momentan noch mit ihrem Lebensgefährten und Vater des Kindes, Klaus Ambrosch, bei Jolinas Betreuung abwechseln. Erst im Herbst wird sich der ehemalige österreichische Spitzenzehnkämpfer als Heilpraktiker und Osteopath selbstständig machen.
\“Sie ist schneller, stärker und sprungkräftiger\“, nennt Knapp als Erfolgsgeheimnis, der die gebürtige Hamburgerin betreut, seit sie 2003 aus der Hansestadt nach Neuweiler bei Saarbrücken umgezogen ist. Der Anlauf wurde umgestellt, das Krafttraining forciert, nachdem über Jahre kontinuierlich aufgebaut worden war.

Sechs Zentimeter fehlen zum Rekord

\“Ich bin drei Kilogramm leichter als vor der Schwangerschaft\“, ergänzt sie. Ihre Bestleistung von 6,71 m aus dem Jahr 2005 hat die blonde junge Frau in den vergangenen Wochen über 6,76 und 6,77 m auf eben 6,90 m gesteigert. Jetzt fehlen nur noch sechs Zentimeter zu einer Weite, die sie im März 2005 schlagartig bekannt machte und ihr sogar den Fair-Play-Preis des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) einbrachte.

Bei der Hallen-EM in Madrid wurden bei ihr 6,96 m gemessen, was den Titel bedeutet hätte. Doch sie protestierte sofort beim Kampfgericht: \“So weit kann ich doch gar nicht springen.\“ Es hatte einen Messfehler gegeben, nach langem Hin und Her wurde die Weite gestrichen und ihr die Bronzemedaille zugesprochen.

Mit Ehrgeiz an die Reserven gehen
Für Bianca Kappler, die 2002 ihr Lehramtstudium (Germanistik/Französisch) erfolgreich abgeschlossen und danach den Sport zum Beruf gemacht hatte, war es keine Frage gewesen, nach der Schwangerschaft die Karriere fortzusetzen.

\“Ich kenne doch mich und meinen Ehrgeiz.\“

Noch bis kurz vor der Geburt Jolinas hatte sie täglich \“ein bisschen trainiert\“. Auf dem Ergometer, mit ganz leichten Gewichten. \“Ich wusste, dass ich noch nicht alles gezeigt hatte, was ich kann.\“ Sie sollte recht behalten.

Sebastian Arlt
Berliner Morgenpost
Sonntag, dem 22. Juli 2007

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