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22
10
2017

Leider sind die Film- und Fotoaufnahmen, die Zeiss 1912 machte, verschollen. Hier ein Foto von Wilmsmeyer bei einem anderen Armeegepäckmarsch 1912. ©Sammlung Dr. Kremer.

Bewegung durch Funktelegrafie mitgeteilt – 1. Nationaler Armeegepäckmarsch in Jena – Dr. Hans-Georg Kremer

By GRR 0

In einem der letzten Beiträge haben wir u. a. im Zusammenhang mit dem Jenaer Kernberglauf darauf hingewiesen, dass es bei Laufveranstaltungen außerhalb von Sportplätzen in Jena häufig Probleme mit den Nachrichtenverbindungen z. B. zwischen Wettkampfzentrum und Versorgungspunkten gab.

Besonders bei Landschaftsläufen, neudeutsch auch als „Trail-Running“ bezeichnet, wie dem Jenaer Kernberglauf, war dies vor der Erfindung der Mobiltelefone immer eine schwierige Aufgabe für die Organisatoren.

Auch bei Straßenläufen oder Radwettkämpfen konnte früher dieses Problem nur mit hohem Aufwand gelöst werden. Eine der ältesten bisher bekannten Laufveranstaltungen über eine längere Strecke außerhalb des Stadions war der am 13. Oktober 1912 gestartete 1. Nationale Armeegepäckmarsch.

Veranstalter war der Fußballclub „Carl Zeiss-Jena“. Das war damals eine absolut übliche Praxis, dass Fußballvereine sich auch um die Leichtathletik kümmerten, gehörten diese beiden Sportarten doch dem gleichen Fachverband, dem „Verband Mitteldeutscher Ballspielvereine“ an.

Da es in Jena bis Anfang der 1920er Jahre keine Laufbahn gab, wurde die Leichtathletik auf dem gleichen Rasenplatz durchgeführt, auf dem ansonsten Fußball gespielt wurde. Für Kurzstreckenläufe konnten sich in Jena die Organisatoren auch der vorhandenen 32 Tennisplätze bedienen, die zum Teil direkt nebeneinander lagen und durchgängig als Sandplätze hergerichtet wurden.

Man steckte einfach eine Laufbahn quer über mehrere Tennisplätze ab, wie historische Fotos zeigen.

Eine spezielle Disziplin, mit der zeitweilig versuchte wurde, die Leichtathletik und Fußball zusammenzubringen, war das Fußballweitstoßen. Die erste Zeitungsnotiz dazu stammt aus dem Jahr 1903, wo der Ballspielclub Victoria Erfurt neben einem Fußballspiel ein Mallaufen über 100 Meter, einen Dreisprungwettbewerb, ein Fußballziel- und ein Fußballweitstoßen organisierten.

Bei letztere schaffte der Sieger 34,20 Meter. Bei den sogenannten „Olympischen Spielen“ 1910, einem der ersten Leichtathletikwettkämpfe in Jena, errang im Fußballweitstoßen Willy Krauß, einer der drei Ex-Nationalspieler im Team vom Fußballclub Carl Zeiß vor 1914, mit 33,45 Meter den Sieg und überbot den deutschen Rekord sogar um 3,42 Meter.

Zurück zum „30km-Armeegepäckwettmarsch“: Diese Form von Wettkämpfen wurde im Rahmen der Kriegshysterie in Deutschland kurz vor dem I. Weltkrieg von vielen Sportvereinen als öffentliche Laufwettbewerbe organisiert.

Nach bisherigem Stand der Forschung war Jena der erste Ort in Thüringen, wo es einen solchen Wettbewerb gab. Die Strecke führte vom heutigen Stadion über Kunitz, Beutnitz, Nausitz nach Bürgel und über Großlöbichau zurück. Bekannte Größen des damaligen Laufsports hatten zugesagt. Vom VfB Jena (heute USV) beteiligte sich Herr Rost.

Preise wurden u. a. vom Großherzog von Weimar-Eisenach, den Herzögen von Meiningen und Coburg-Gotha, dem Fürsten von Schwarzburg, Dr. Schott, der Firma Dyckerhoff, der Fa. Zeiß, dem Hotelier Bieringer und der Brauerei Heidenreich-Ehringsdorf gestiftet.

Der Wettkampf wurde in der Fachpresse als modernste sportliche Veranstaltung bezeichnet, da „…die Bewegung der Läufer auf der Strecke dem Publikum auf dem Sportplatz durch Funktelegraphie mitgeteilt werden…“ In einem anderen Zeitungsbericht steht:

„Beteiligt sind auch die „Allgemeine Radfahrer-Union, Consulat Jena“ als Schrittmacher für die Geher, der Jenaer Automobilclub stellt mehrere Autos für die Schieds- und Renngerichte, Beobachter und Ärzte zur Verfügung. Das hiesige Corps der „freiw. Krankenträger im Krieg“ (war) im Einsatz… Am Ende des Feldes wird ein Landauer fahren, um die „Schlappen“ aufzunehmen und zur „Sammelstelle für Verunglückte“ nach Rodigast zu befördern.

Der Nachrichtendienst wird….durch Funkentelegrafie unter Führung von Dr. Villigers (Firma Zeiß) so getroffen, daß eine „Sammelstelle“ auf dem Jenzig den Stand des Rennens nach dem Zeißsportplatz telegrafiert, sodaß (das) auf dem Platz harrende Publikum die Resultate erfährt. Voraussichtlich wird die ganze Veranstaltung kinematografisch aufgenommen, sodaß man nach einigen Tagen im Palast-Theater und die oder jene Person im Konterfei zu sehen bekommt.“

Die Jenaer Bevölkerung zeigte an dem Lauf großes Interesse.

Auf der letzten Etappe von Wogau zum Zeiss-Sportplatz wurden ca. 5000 Zuschauer gezählt. Es gewann der 22-jährige Robert Wilmsmeyer (Düsseldorf) in 3: 40: 26 Stunden vor Männel (Dresden) 3:44,2 und Hackenschmidt (Plauen) 3:44,39. Wilmsmeyer war in dieser Zeit einer der bekanntesten Läufer in Deutschland.

Er gab sich selber als Vegetarier aus und war Besitzer eines Vegetarier-Restaurants. Seit seinem Sieg bei einem 100 Kilometerlauf bei Köln im Jahre 1908 gewann er mehrere Läufe über die langen Distanzen, darunter einige Armeegepäckwettmärsche. 1912 war sein erfolgreichstes Jahr. Im Frühjahr siegte er bei einem 37 km-Marsch und einen Monat nach Jena gewann er einen Armeegepäckmarsch mit 131 Startern in Berlin.

Der Armeegepäckmarsch von Jena wurde 1913 noch mal organisiert. 1914 fiel er aus, da zu diesem Zeitpunkt der I. Weltkrieg bereits begonnen hatte. Auch die Deutschen Meisterschaften im 100-Kilometer-Gehen, die der FC Carl Zeiss-Jena 1914 organisieren wollte, kamen nicht mehr zur Austragung.

Die Kernberglauforganisatoren lösten übrigens ihre Nachrichtenprobleme zu DDR-Zeiten mit Hilfe der Nationalen Volksarmee und der Kampfgruppe, erinnerte sich der damalige Sektionsleiter Rolf Schoder.

Dr. Hans-Georg Kremer in Thüringische Landeszeitung vom 18. Oktober 2017 Nr. 559

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