„Bewegt Euch!“ – Plädoyer für einen geglückten Alltag mit Bewegung - Dr. Hajo Schumacher alias Achim Achilles setzt neue Maßstäbe - LESETIPPS von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann ©Ludwig Verlag
„Bewegt Euch!“ – Plädoyer für einen geglückten Alltag mit Bewegung – Dr. Hajo Schumacher alias Achim Achilles setzt neue Maßstäbe – LESETIPPS von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Die Botschaft des Buches ist so basal wie banal: „Bewegt Euch!“. Der Titel erinnert ein bisschen an die alte Trimm-Dich-Bewegung des Deutschen Sportbundes aus den 1970er Jahren. Darauf geht der Autor am Anfang sogar kurz ein.
Das alte DSB-Fitness-Programm an der frischen Luft war nämlich schmerzlicher Bestandteil der frühen Bewegungssozialisation des Achtjährigen zusammen mit dem Vater: „Meine ärgste Sportverletzung zog ich mir auf einem Trimm-Dich-Pfad bei Urlaub im Schwarzwald zu“ (S. 27). Kurz darauf startete er seine Handballkarriere in der D-Jugend vom SC Münster 08.
Heute ist der Berliner (TV-)Journalist und Autor Dr. Hajo Schumacher mit seinem alter ego Achim Achilles (Bestseller: „Achilles Verse“) längst Deutschlands bekanntester unbekannter Freizeitsportler geworden. Deswegen ist das Buch jedoch kein Trainingsbuch. Ganz im Gegenteil: „Schluss mit den Trainingsplänen“ verkündet schon die vordere innere Coverseite und kündigt die Umkehr des Autos an zu einer völlig neuen Sinnfindung im Sport – und warum heißt die dann trotzdem noch immer: „Bewegt Euch!“?
Schumacher definiert die Aufforderung „Bewegt Euch!“ völlig neu. Ob das Buch dann auch als „Glücks-Philosophie“ taugt, kann jeder bei sich erfahren. Die Aufforderung ist zuallererst pädagogisch zu verstehen – ganz im Sinne der im schulischen Kontext so bedeutsamen „individuellen Förderung“ versteht sich das Buch als Leitfaden, damit jeder seinen eigenen Weg zu (mehr) Bewegung (neu) findet. Schumacher ist als „Pfadfinder“ schon mal selbst vorgelaufen, hat seine eigene Strecke auf knapp 300 Seiten übersichtlich markiert und neu vermessen.
„Bewegt Euch!“ legt persönliche Maßstäbe für das Sporttreiben nahe, will keinen von außen erzeugten Druck und Zwang durch stures „Abarbeiten“ von Trainingsprogrammen mit Festlegung von Umfang und Intensität in Minuten und Wiederholungen mit fortlaufender Erhöhung der Dosis und allem technokratischen Schnickschnack, wie er inzwischen in zig populärwissenschaftlichen Ratgebern (vor allem für den Ausdauerbereich) angepriesen wird.
Schumacher räumt auf damit, er beendet seine eigene Leidenszeit. Ihn leitet die (späte) Selbsterkenntnis, dass er als sportlicher Versager dasteht, weil er nicht gut genug war für all diese Trainingspläne oder die Pläne eben nicht gut genug für ihn. Es hat irgendwie nicht gepasst. Schumacher lebt mit „Bewegt Euch!“ (s)eine Alternative vor – nämlich „ein Plädoyer für Bewegung als selbstverständlicher Teil eines glücklichen Alltags“ (Klappentext). Da bestimmt der Akteur selbst, wie er Bewegung und wie viel davon er in seinen Alltag integriert.
Da werden die Grenzen von Art, Umfang und Intensität der Belastung selbst gesetzt; Erholung eingeschlossen.
Wer das Buch von vorn liest, erhält illustre Einblicke einer typischen (?) Sport- und Bewegungsbiografie aus der Alterskohorte der in den 1960er Jahren geborenen Breitensportler. Schumachers Schreibe kommt authentisch daher, hat argumentative Züge, ist bildreich, aber nicht anbiedernd daher, weitgehend witzig geschrieben – selbst an der Stelle, wo es ganz ernst wird und er den Entschluss fasst, bei der Sekundenjagd in Training und Wettkampf nicht mehr mitzumachen.
Der verkorkste Marathon (wieder nicht unter vier Stunden!) liegt drei Wochen zurück: „Was wollte ich wirklich Sekunden sparen? War das die große Aufgabe, die mir für mein Leben gestellt worden war? Ziemlich arm, oder? Die sehr viel schwierige Übung war es, einfach mal loszulassen. Ich bleibe dran.“
Dranbleiben können ohne Dranbleiben zu müssen: Eine Leistung erbringen können, aber ohne die „Perfor-mance“, bei die Leistung nur wegen der Darstellung zählt: „Die Korrelation zwischen lebenslangem Performance-Müssen und dem grassierenden Burn-out ist offensichtlich.“
Verbissenes Leisten-Wollen kann (auch im Sport) krank machen. Schumacher hat sich vom permanenten Performen verabschiedet, will nicht länger Opfer der „Performance-Falle“ sein – mehr Gelassenheit als Verbissenheit.
Zum Aufbau des Buches noch soviel: Die vier Kernkapitel sind eingerahmt vom „Anpfiff“ vorn und dem „Finale“ hinten, wo der Autor sein Alten-Bewegungsheim der Zukunft skizziert und gleichsam einlädt: „Wer kommt mit ins Heim?“ (Überschrift). In den vier Kapiteln wird die „Glücks-Philosophie“ Schritt für Schritt in 52 mehrseitigen Abschnitten entwickelt. Darin geht es um den „Mythos vom Schweinehund“ und „Von Pontius zu Pilates“ oder um „Sportsfreunde“ und „Bewegen entdecken“.
Alles ist streng biografisch durchtränkt. Viele werden sich vermutlich selbst hier und da wieder finden, mögen Schumachers Erfahrungen teilen, wenn nicht sogar zustimmen – denn: „Bewegen ist eine der universellen Sprachen dieser Welt, eine Kultur, die über Grenzen, Religionen, Generationen und Schichten hinweg funktioniert“ – am besten funktioniert das in Gemeinschaft: „Wer mit anderen im Gleichtakt unterwegs ist, verspürt das Miteinander intensiver. Bewegen bildet ein Band, das alle zusammenhält“.
Sport als globales Netzwerk.
Fazit: Für Schumacher ist „das ganze Leben ein Sportplatz“ (S. 16) – man kann jederzeit hingehen und mitmachen. Dort gibt es immer einen, der uns zuruft: „Bewegt Euch!“. Der Rest ist dranbleiben und das Maß für den persönlichen Wohlfühlfaktor finden.
Dann lässt der geglückte Alltag grüßen!
Hajo Schumacher: Bewegt Euch! Die Glücks-Philosophie des Achim Achilles. Ludwig Verlag: München 2012. 288 S.; 19,99 €
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann