Startnummer vom Ersten Gesamt-Berliner Neujahrslauf am 1. Januar 1990 mit Ein- und Ausreisestempeln der DDR-Grenztruppen - Foto: Horst Milde
Berliner Neujahrslauf – Ein sport-historischer Rückblick auf den 1.1.1990 von Horst Milde
Der SilvesterlaufLass das Stimmungsbarometer nach oben schnellen: Bei dieser Veranstaltung sind Kostümierungen nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht! Kreativ sein lohnt sich, denn die originellsten Kostüme von Kindern und Erwachsenen werden vor Ort ausgezeichnet. Bei diesem Lauf gibt es für jede:n die passende Herausforderung auf den unterschiedlichen Strecken im Grunewald. |
1. Gesamt-Berliner NEUJAHRSLAUF am 1. Januar 1990 um 14.00 Uhr
Der Neujahrslauf am 1.1.1990 hatte „historische Dimensionen“ – national und international – wenige Tage nach dem Mauerfall am 9. November 1989, daß ein Lauf nach fast 30 Jahren Trennung in Ost- und West-Berlin zum ersten Mal wieder durch beide Teile Berlins und durch das Brandenburger Tor verlaufen konnte.
Deshalb soll und muss ein Rückblick auf dieses einzigartige – und nicht wiederkehrbare Ereignis – erlaubt sein.
Hier wurde die „DDR-Initiativgruppe BERLIN-MARATHON“ gegründet, deren Ziel es war den BERLIN-MARATHON 1990 durch Ost-Berlin – und vor allen Dingen durch das Brandenburger Tor – zu führen. Als „Aufgalopp und Fingerübung“ sollte schon am 1. Januar 1990 ein „GESAMT-BERLINER NEUJAHRSLAUF durch das Brandenburger Tor organisiert werden.
Das Schreiben an den Oberbürgermeister von Ost-Berlin Erhard Krack wurde noch am gleichen Tag von Roland Winkler aufgesetzt – der Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin Walter Momper durch mich folgte am nächsten Tag.
Die Idee zum Berliner Neujahrslauf kam von Michael Coleman, der mich am 10. November 1989 etwa um 9.00 aus London anrief – er kam seit Jahren als Times-Journalist zum BERLIN-MARATHON nach Berlin – und erklärte mir am Telefon, ich müsste unbedingt einen Neujahrslauf am 1.1.1990 vom Olympiastadion zum Roten Rathaus organisieren, wobei ich nur meinte, eigentlich habe ich jetzt gerade etwas anderes im Kopf hier in Berlin (der Neujahrslauf 1990 war dann später aber viel kürzer!) als einen neuen Lauf zu organisieren.
Ein Neujahrslauf war für die Läuferinnen und Läufer aus Ost-Berlin nichts Neues: Der Berliner Rundfunk mit dem bekannten DDR Journalisten Heinz-Florian Oertel an der Spitze organisierte schon seit Jahren erfolgreich zusammen mit dem DTSB (Der Deutsche Turn- und Sportbund war die Zentrale für den Sport zuständige Massenorganisation der DDR) den (OST)-Berliner Neujahrslauf im Berliner Volkspark Friedrichshain, nach dem Muster des berühmten und tradtionellen Silvesterlaufes in Sao Paulo in Brasilien.
In Berlin (West) gab es zum Jahreswechsel bisher nur den Silvesterlauf „Rund um den Teufelsberg“ vom SCC, den sog. „Pfannkuchenlauf“, aber ein Neujahrslauf stand bis dato nicht auf der Veranstaltungsterminliste, das war im „laufreichen“ Berlin (West) eine noch unbekannte Veranstaltungsform.
Die Genehmigung aus Ost-Berlin vom DVfL ein Funkgerät im Führfahrzeug mitzunehmen – Foto: Horst Milde
So kam es zum Treffen – wieder bei uns zu Haus – im November 1989 mit Stefan Senkel und Harry Welle, dem Vorsitzenden vom Bezirksvorstand des Fachverbandes Leichtathletik – „Laufkommission“ – des DTSB, um die technischen und organisatorischen Einzelheiten für den „1. GESAMTBERLINER NEUJAHRSLAUF“ durch West- und Ost-Berlin zu erörtern und festzulegen.
Streckenvermessung in Berlin (Ost) mit Helge Ibert (r), Stefan Senkel (m) und Horst Milde (lks.) – Foto: privat
Am 14. Dezember 1989 war die Überschrift der SCC Pressemitteilung:
„Der KNALLER zum Jahresbeginn 1990: Gesamt-Berliner NEUJAHRSLAUF perfekt!“
„Mit einem Paukenschlag beginnen die Leichtathleten aus beiden Teilen Berlins das Neue Jahr 1990. Mit dem „ 1. Gesamt-Berliner NEUJAHRSLAUF am 1. Januar 1990 um 14.00 Uhr“ – mit Start und Ziel auf der Straße des 17. Juni, nahe der Entlastungsstraße (die es heute nicht mehr gibt), wird es nach über 40 Jahren der Trennung zum ersten Mal einen grenzüberschreitenden Lauf geben. 1949 gab es die letzte Auflage der 25 km von „Quer durch Berlin“, die durch beide Teile Berlins führte.
Die Mauer vor dem Brandenburger Tor in Berlin (West) am 10. November 1989 – Foto: Horst Milde
Am 14. Dezember 1989 war noch nicht klar, ob das Brandenburger Tor geöffnet (die Mauer davor) sein würde, deswegen war den Behörden vorgeschlagen worden, die folgenden Straßen zu belaufen: Entlastungsstraße (gibt es heute nicht mehr), Bellevuestraße, über den „Übergang“ Potsdamer Platz, Grotewohlstraße (gibt es heute nicht mehr!), Unter den Linden, Karl-Liebknecht-Straße bis zur Wende am Roten Rathaus und die gleiche Strecke zurück bis zur Straße des 17. Juni, Streckenlänge etwa 6,5 km; ohne Wettkampfcharakter, kein Startgeld, aber Spenden für UNICEF.
Die beiden Bürgermeister Berlins Momper (West) und Krack (Ost) sollten gemeinsam den Startschuss abgeben.
Der Mann im Hintergrund, mit dem roten Schal – das ist der Regierende Bürgermeister von Berlin (West) – Walter Momper – (es existieren leider keine weiteren Fotos der beiden Bürgermeister von Berlin, wegen des großen Gedränges am Start) – Foto: Horst Milde
Voran gegangen waren zu dieser Erfolgsmeldung zahlreiche Treffen mit Behörden in Ost und West. Schwer in Erinnerung geblieben ist mir ein Treffen im Volkspolizeipräsidium (Grenztruppen) am Alexanderplatz am 17. Dezember 1989. Das Gebäude zu betreten war schon beängstigend mit seinen vielen Kameras und Bewachern. Am Verhandlungstisch saßen, neben Stefan Senkel (Ost-Berlin) (von ihm kam ich einen Passierschein für den Grenzübertritt) und unserem Sohn Karsten, 10 – 12 DDR Offizieren/Generäle, für die meine Vorstellungen einen Lauf in West-und Ost-Berlin zu organisieren, wohl ein Stück aus dem Tollhaus war.
Die Meinung der Ost-Berliner Verhandlungsführer: „Mit einem Fahrzeug und einem Funkgerät vorneweg zu fahren sei ein „Ding der Unmöglichkeit“ in Ost-Berlin. Alle Ausländer, die am Lauf teilnehmen wollen, müssten über den alliierten „Checkpoint Charlie“ ein- und ausreisen, beim Überlaufen der Grenze dann am Brandenburger Tor am 1.1.1990 müssten die „Pässe gestempelt“ werden.
Ich stellte die ganz einfache Gegenfrage, wie man das bei erwarteten 10.000 bis 20.000 Teilnehmern machen sollte. Ich versuchte zu erklären, wie derartige Straßenläufe in Berlin (West) üblicherweise über die Bühne gehen, was wohl Fassungslosigkeit seitens der volkspolizeilichen Obrigkeit hervorrief.
Bis zu diesem Zeitpunkt war aber das Brandenburger Tor durch den „antifaschistischen Schutzwall“ – sprich Mauer – umgeben und man einigte sich wenigstens darauf, daß der Lauf überhaupt stattfindet.
Inzwischen kündigte sich ein „Run“ auf den Berliner Neujahrslauf an, Journalisten aus aller Welt meldeten sich, um bei diesem einzigartigen Ereignis dabei zu sein, obwohl überhaupt noch nicht feststand, wie die Organisation gemeistert werden sollte.
Stefan Senkel organisierte mit der (Ost) Berliner „ Laufkommission“ den Ablauf mit Ordnern u.a.m. in den Straßen Ostberlins, während ich mit der Organisation des BERLIN-MARATHON für den Ablauf in Westberlin verantwortlich war.
Als Sponsor für den Lauf wurde die „Berliner Bank“ (die gibt es heute auch nicht mehr) gewonnen, die den Druck der Startnummern und Urkunden finanzierte und in ihren Filialen die Startnummern schon vorher ausgab.
Die lang erwartete Sensation war aber zwei Tage vor Weihnachten (am 21./22. Dezember 1989 perfekt) der Durchbruch der Mauer rechts und links des Brandenburger Tores wurde offiziell bekanntgegegeben im Zusammenhang mit dem Treffen von Bundeskanzler Helmut Kohl und DDR-Regierungschef Hans Modrow.
Nach 28 Jahren (es waren eigentlich mehr als 35 Jahre, denn „grenzüberschreitender Sportverkehr“ war vorher auch nicht möglich, zumindest nicht durch das Brandenburger Tor!) war es wieder möglich durch die Säulen des Tores zu gehen und zu laufen.
Am 27. Dezember 1989 gab es dann eine Ortsbesichtigung mit der Volkspolizei/Grenztruppen der DDR am Brandenburger Tor. Für mich war wichtig, daß der Lauf nicht NUR durch die beiden neuen Durchbrüche der Mauer verlief, sondern daß die Teilnehmer auch durch das Brandenburger Tor laufen konnten, d.h. sie mußten durch den Engpaß der Mauer, dann praktisch ein kurzes Stück zurücklaufen, dann wieder eine Wende machen um dann durch die Säulen des Brandenburger Tors laufen zu können.
Diesen „Slalomlauf“, um von hinten durch das Tor zu rennen, störten aber die Abfertigungs- oder Aufenthaltshäuschen der Grenztruppen, wobei ich mir bei der Begehung die Bemerkung erlaubte, „die müssen aber hier auch noch weg“ – was utopisch erschien – aber am 1. Januar 1990 waren die „Häuschen“ tatsächlich weg – und die Utopie des freien Laufens durch das Brandenburger Tor war Wirklichkeit.
Eine Episode sei noch erwähnenswert. Ich erzählte dem einen Volkspolizisten mit dem wir die geplante Laufstrecke am Tor abgingen, daß die Mauerstücke überall jetzt als attraktive Souvenirs gesucht seien und ich unserem Sohn Mark in den USA ein Stück schicken wollte. Er ging unaufgefordert in einen Schuppen – und holte mir einen vollen Eimer Mauerstücke heraus – das allein war schon überwältigend und die gingen auf den Weg per Päckchen in die USA! Mark war zu dieser Zeit Austauschschüler in Billings/Montana. Die Mauerstücke fanden dort natürlich reißenden Absatz bei seinen Mitschülern, die gerne nicht wenige Dollar locker machten!
Mit Stefan Senkel traf ich mich auf dem U-Bahnhof Kochstraße – wer U-Bahnfahrer in Berlin war, wird die Ansage noch in den Ohren haben: – „letzter Bahnhof im Westsektor“ – praktisch subversiv – um letzte Informationen und Papiere auszutauschen, ohne eigentlich zu ahnen, was uns bevorsteht.
In Ostberlin gab es den Neujahrslauf traditionell schon seit fast seit zwei Jahrzehnten mit Heinz-Florian Oertel – das wurde schon anfangs erwähnt. Dieser Lauf fand immer mit viel sportlicher DDR-Prominenz im Volkspark Friedrichshain statt, 1990 war am 1.01.1990 um 11.00 Uhr dort die 19. Auflage fällig – aber schon um 31.12.1989 fand der Silvesterlauf von BSG Motor Lichtenberg im Plänterwald (Ost-Berlin) und um 14.00 Uhr der 14. Berliner Silvesterlauf („Der Pfannkuchenlauf“) vom SCC am/auf dem Teufelsberg statt.
Die Berliner Laufgemeinde war also läuferisch gefordert!
Noch eine Story, die zu diesen „verrückten Tagen“ passt: Am Vorabend des 31.12.1989 transportierte ich abends gegen 20.00 Uhr die Pfannkuchen für den 14. Berliner Silvesterlauf aus unserer Bäckerei-Konditorei in Tempelhof in das Mommsenstadion in Charlottenburg. Das Stadion lag im Dunklen, aber am Eingang zum Stadion zum „Casino“ stand eine Gruppe von Menschen, durch die ich durch mußte, um in das Büro der SCC Leichtathletikabteilung zu kommen, um dort die Pfannkuchen für den nächsten Tag abzustellen.
Ich fragte sie, auf wen sie denn warteten, die Antwort war verblüffend: „Na, auf Horst Milde, wir hatten dem doch geschrieben, daß wir aus der DDR (Vogtland) kämen und an den Läufen in Westberlin teilnehmen wollen. Er solle uns auch Quartier besorgen.“
Natürlich war bisher kein Brief bei mir angekommen – und vorbereitet war natürlich auch nichts. Die Gruppe bestand aus 8 Personen – aber es kamen noch vier Läufer hinzu, die unterwegs waren, „um mit Horst Milde zu telefonieren“!
Ein Teil der Gäste aus dem Vogtland mit Sabine Milde (ganz r.oben) und Horst Milde (Dritter v.lks. stehend), Gesine Milde (Zweite v.lks.) und Schwager Peter Hammer (ganz lks. stehend) und Schwägerin Ulli Hammer (ganz rechts sitzend) – Foto: privat
Meine Frau Sabine war nicht wenig überrascht, als plötzlich 12 Personen mehr zum Haushalt gehörten – die schlafen und essen wollten, denn alle Hotels waren in Berlin ausgebucht. Bei uns in der Wohnung hatten sich auch schon Gäste aus den USA zum Übernachten angemeldet:
John McGrath, Herausgeber der Laufzeitung „New England Runner“ aus Boston mit seiner Ehefrau Nancy Clark und ihrem Baby. Da waren es dann schon 15 Personen mehr im Haus!
Bei „Mildes“ im Wohnzimmer (oben) die Gäste aus dem Vogtland – Foto: Horst Milde
John McGrath und Ehefrau Nancy mit Baby aus USA, wollten sich den Neujahrslauf nicht entgehen lassen – Fotos: Horst Milde
Hinzu kam, daß die Tage um den Jahreswechsel in einer Bäckerei-Konditorei die arbeitsintensivsten des ganzen Jahres sind, sodaß mir im Rückblick nicht mehr ganz klar ist, wie wir das mit dem Beruf und zwei Lauf-Veranstaltungen – und einem „Fast-Hotel“ – alles geschafft haben.
Das Wachregiment der DDR an der Neuen Wache in neuer Funktion, sie „klatschen“ ab, noch etwas verschämt beim Rückweg zum Start – Foto: Bernd Hübner
Am 31.12.1989 waren vormittags die „Laufgäste“ und ich, wie üblich, mit dem Silvesterlauf am Teufelsberg beschäftigt, am Abend waren sie alle zu der „Jahrhundertfeier“ am Brandenburger Tor verschwunden.
Nach der Feier des Jahrhunderts am Brandenburger Tor am 31. Dezember 1989 begann der 1. Januar 1990 am Frühstückstisch mit einem Anruf morgens um 8.00 Uhr der BILD-Zeitung, die mich fragten, ob denn der Neujahrslauf überhaupt stattfände, wegen des tödlichen Unfalls während der Silvesterfeier am Brandenburger Tor, da ein Gerüst zusammengebrochen sei und ein Beteiligter ums Leben kam.
Das war mir bis dato nicht bekannt, stand aber nun aber nicht mit der geplanten Laufveranstaltung im Zusammenhang. Eine für die alle Beteiligten größeres Problem sei aber der gewaltige Anfall von Abfall, angefangen von Feuerwerkskörpern bis zu Flaschen und Scherben auf der Straße des 17. Juni in Berlin (West) und „Unter den Linden“ in Berlin (Ost). Während in Westberlin die Stadtreinigung schon schwer am Aufräumen war, passierte in Ostberlin wenig.
Die DDR-Initiative mit Roland Winkler (ganz links) und Dr. Detlef Dalk+ (ganz rechts) – Foto: privat
Der Startort des 1. Gesamt-Berliner NEUJAHRSLAUFES war auf der Straße des 17 Juni – zwischen Siegessäule und der damaligen Entlastungsstraße (gibt es heute nicht mehr) – in Richtung Brandenburger Tor. Als Equipment der Organisation gab es nur Tische für die Ausgabe von zusätzlichen Startnummern, später für die Ausgabe der Urkunden – und der Ausgabe von Tee und Getränken durch das DRK.
Karsten Milde war mit dem Führungswagen (und Funksprechgerät!) – über die Übergangsstelle Potsdamer Platz gefahren und stand am Brandenburger Tor – er teilte mir um 13.30 Uhr mit, daß jetzt der Pariser Platz – und die weiterführenden Straßen von der (Ostberliner) Stadtreinigung gereinigt seien.
Die Läufer und Läuferinnen auf dem Weg zurück zum Start – Foto: Bernd Hübner
Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper und der Oberbürgermeister Erhard Krack waren pünktlich um 14.00 Uhr zur Stelle – standen auf einem kleinen Podest in der Mitte der Straße – und gaben den Startschuss ab. Es war dabei ein unglaubliches Gedränge, so daß Fotografen keine Chance hatten den gemeinsamen Startschuss aufzunehmen, jedenfalls ist mir keines bekannt.
Bernd Hübner (ganz lks.) mit Ehefrau Monika und Freundin vor dem Roten Rathaus – Foto: privat
Zuvor war er Andrang von Teilnehmern (aus aller Welt) unbeschreiblich, an eine geordnete Aufstellung, wie bei einem wettkampfmäßigen Lauf war durch die hochgehenden Emotionen nicht möglich. Der Versuch die Läufer/-Läuferinnen hinter die Startlinie (Kreidestrich auf der Fahrbahn) zu „schieben“ erwies sich als undurchführbar – die ersten Reihen waren durch stämmige und kräftige US-GIs besetzt, die keinen Schritt zurückgingen.
Warum auch – es ging schließlich nicht um Sieg und Niederlage!
Ausgabetisch für Startnummern und später für Urkunden mit Helferinnen (m.) Gesine Milde – Foto: Bernd Hübner
Nach dem Lauf „Kampf“ um die Urkunden – Foto: privat
An der Spitze des Laufes – es ging nicht um Zeit und Sieg – sondern es sollte gemächlich gelaufen werden, waren natürlich die Übereifrigen, die besonders schnell sein wollten und den Führungswagen fast auf und davon liefen. An der Staatsoper stand, soweit ich das in Erinnerung habe, eine Kapelle, die Musik machte und vom Vereinskameraden Christian F. Ziervogel auf nicht bekanntem Weg dorthin beordert worden war.
Karsten Milde mit dem Firmen-Führungswagen auf der Strecke – Foto: privat
Der Lauf durch die Mauer und dann durch die Säulen des Brandenburger Tors zum Roten Rathaus und zurück war eine hoch emotionale und gefühlsbeladene „Zeremonie“ für die annähernd 25.000 Teilnehmer aus vielen Nationen, für die Zuschauer und die Medien, die dieses einmalige Ereignis durch das Live-Fernsehen in alle Welt verbreiteten.
Beim Rücklauf durch die Öffnungen am Brandenburger Tor stempelten die DDR-Grenztruppen entweder die Startnummer oder einfach den Handrücken der Teilnehmer mit ihrem Ausreisestempel.
Beim Urkunden verteilen – Ulli und Klaus Hammer (r.) – Foto: Horst Milde
Eine Einmaligkeit, die nie wiederkehrt – und die alle zu Tränen rührte.
Für alle Teilnehmer gab es ein Erinnerungs-Urkunde – 20.000 Stück waren gedruckt – sie reichten aber nicht aus und mussten nachgedruckt werden – die Berliner Bank gab dann ab dem 8.01.1990 in ihren Filialen die Urkunde nachträglich aus, Teilnehmer aus der DDR konnten sich die Urkunde per Post zuschicken lassen.
Bei der Ausgabe der Startnummern und Erinnerungs-Urkunden mussten alle unsere Familienangehörige zusätzlich mithelfen, die extra aus „Westdeutschland“ nach Berlin kamen – da die meisten sonstigen ehrenamtlichen Helfer des BERLIN-MARATHON selbst bei diesem Lauf mitrennen und sich dieses Ereignis läuferisch nicht entgehen lassen wollten (was verständlich war!).
Nach dem Lauf wurde um 16.00 Uhr im Restaurant in der nahe liegenden Kongresshalle eine Pressekonferenz mit dem Präsidenten der IAAF Premio Nebiolo, der extra nach Berlin einflog (seine Frau nahm am Lauf teil), dem Präsidenten des DLV Helmut Meyer, dem Präsidenten des Landessportbundes Berlin Manfred Freiherr von Richthofen, dem Präsidenten des DTSB Rudi Ebmeyer, dem Vorstand der Berliner Bank Helmut Fuchs, Stefan Senkel und mir abgehalten. Hier wurde tatsächlich schon über eine mögliche kommende Leichtathletik-Weltmeisterschaft im Olympiastadion in Berlin gesprochen.
Horst Milde läuft mit Funksprechgerät! mit – Foto: privat
Die Spendensammlung für UNICEF erbrachte 12.696,37 DM in fünf verschiedenen Währungen, incl. Ostmark, Rubel und Dollar, die BERLINER BANK erhöhte auf DM 13.000,00 DM (West).
Erinnerungs-Urkunde für alle Teilnehmer/-innen mit den Unterschriften von Horst Milde (West) und Stefan Senkel (Ost) – Foto: Horst Milde
Das „Haus der Geschichte in Bonn“ wertete diesen historischen Lauf am 1.1.1990 als eine sporthistorische und weltweit einmalige – auch politische – Sportveranstaltung – und erbat schon einige Tage später Exponate wie Startnummern, Urkunden und T-shirts u.s.w. für ihre Sammlung.
Zurück zum Ziel auf die „Straße des 17. Juni“ – das Brandenburger Tor noch mit dem „antifaschistischen Schutzwall“ – Foto: privat
Der 1. Gesamt-Berliner NEUJAHRSLAUF am 1. Januar 1990 hatte seine eigene historische Sport-Geschichte geschrieben – und bleibt wohl unauslöschlich in den Köpfen aller Teilnehmer.
Horst Milde
PS: Mit Heinz-Florian Oertel einigte ich mich später (wir trafen uns in unserem Firmenwagen auf der Strasse des 17. Juni) daß nach dem großen Erfolg des Laufes mit Start und Ziel am Brandenburger Tor, dieser Lauf in der Mitte Berlins – wegen seiner grösseren Popularität – weiter bestehen sollte, der Lauf im Friedrichshain eingestellt wird.
Aber der neue Lauf dann vom Brandenburger Tor (Pariser Platz) und über den Boulevard „Unter den Linden“ soll die Zählung und die Geschichte vom Lauf im Friedrichshain übernehmen und für die jetzt wieder vereinte Sportgeschichte Berlins zusammen weiter gezählt- und erzählt werden.