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05
10
2012

Geoffrey Mutai und Dennis Kimetto im Ziel ©Volker Schubert

Berlin-Marathon: Weltrekord, wir jagen dich – Volker Schubert berichtet

By GRR 0

Flach, schnell und unvergesslich, das ist Berlin, wenn es um die legendären 42,195 Kilometer geht. Ein weltweit einmaliger Leichtathletik-Parcours also, der wie maßgeschneidert für superschnelle Zeiten zu sein scheint.

Seit 2003 wurde der Weltrekord bereits viermal in der Hauptstadt geknackt und dabei gleich zweimal die Unter–2:04–Stunden-Schallmauer durchstoßen – zuletzt durch den Kenianer Patrick Makau, der 2011 zur Fabelzeit von 2:03:38 Stunden „sprintete“.

Traditionell am letzten Septembersonntag ausgerichtet, gingen mit dem Keniaduo Geoffrey Mutai und Dennis Kimetto erneut zwei Weltrekordjäger im Feld der Über-40.000 an den Start. Im Marathonlauf gilt das Durchbrechen der Unter-2:04-Stundenmarke derzeit als die ultimative Schallmauer. Auf 100-Meter-Abschnitte portioniert, erfordert die Fabelzeit, dass ein Leichtathlet nahezu 422 Mal ein Durchschnittstempo von 17,5 Sekunden durchpeitschen muss, um die magische Zeitmarke zu durchstoßen  – gewissenmaßen ein Catwalk der ganz heißen Sohlen.

Rund 2:55 Minuten pro Kilometer stehen dem Topläufer dabei zur Verfügung, wenn er mit mehr als 20 Stundenkilometern dem Ziel entgegenrennt. Zu dieser gnadenlosen Tempojagd hatten sich am Sonntag zwei wahre Ausnahmeleichtathleten verabredet – nämlich Geoffrey Mutai und Dennis Kimetto, beide aus Kenia.

Ein Rendezvous, das natürlich in Berlin stattfinden musste, denn der Asphalt der Spreemetropole wird unter Leichtathleten als das schnellste Pflaster der Welt gerühmt. Mit klarem Fuß-Votum, wie die 40.987 Läufer aus 125 Nationen eindrucksvoll unterstrichen, die am Sonntag um Punkt neun Uhr bei der 39. Auflage des Berlin- Marathon starteten.

Mutai, der Weltrekord-Angreifer

Mutai, der 2011 in Boston mit sensationellen 2:03:02 Stunden siegte, zeigte sich zuversichtlich, weil sein Training gut verlaufen sei und er sich daher gut vorbereitet fühlte. „Ich werde mein Bestes geben“, so Mutai zwei Tage zuvor, der schon deshalb hoch motiviert an die Startlinie ging, weil seine Boston-Zeit nicht als offizieller Weltrekord gewertet wurde. Die amtlich schnellste Zeit hat noch immer Berliner Wurzeln und wurde 2011 mit famosen 2:03:38 Stunden durch den Kenianer Patrick Makau aufgestellt.

So ging Mutai auch mit Weltrekordfahrplan an den Start, den eine Crew persönlicher Tempomacher, die fast alle aus seiner Laufgruppe stammten, in präzise Schrittfolgen umsetzen sollte. Auch sein schärfster Konkurrent, Dennis Kimetto, kommt aus dieser Laufgemeinschaft. Im Mai war Mutais Landsmann in 1:11:18 Stunden Weltrekord über 25 Kilometer gerannt – natürlich in Berlin. Mit der Entscheidung an der Spree zu starten, läutete Kimetto zudem sein Marathon-Debüt ein. „Ich werde einfach mitlaufen“, so der 28-jährige Newcomer.

Und so kam es zum mit Spannung erwarteten Duell der Superlative. Dennoch, mit 62:06 Minuten rannte die Phalanx die Halbdistanz 26 Sekunden langsamer als im Fahrplan vorgesehen. Als die neunköpfige Spitzen-gruppe bei Kilometer 30 weiter verlangsamte, ergriff Mutai die Initiative und erhöhte das Tempo. Dabei schien der 30-Jährige aus einem unversiegbaren Potential zu schöpfen. Die kommenden fünf Kilometer avancierten zum einmaligen Steigerungslauf. Bis zu Kilometer 35 lief Mutai zu sagenhaften 14:19 Minuten auf und streute dabei zwei 1.000-Meter-Abschnitte von 2:42 Minuten und 2:48 Minuten ein.

Die schnellsten je beim Berlin Marathon gelaufenen Streckenabschnitte, wie die spätere Evaluation ergab. Nur einer konnte da noch folgen: Dennis Kimetto. Bei Kilometer 40 lag das Tempo sogar so hoch, das die Differenz zum Weltrekord lediglich eine Sekunde betrug. Doch die Aufholjagd kostete am Ende zu große Kräfte. Ausgezehrt blieb das Duo dennoch beisammen. Bis kurz vor dem Ziel, wo Mutai seinen hauchdünnen Vorsprung mit einer Sekunde nur um eine Schrittlänge behaupten konnte. Die Siegerzeit lag mit 2:04:15 Stunden 37 Sekunden über der Bestmarke von 2011.

Quasi am Weltrekord vorbeigeschrammt, zeigte sich Mutai dennoch hoch zufrieden: „Wir hatten eine Chance auf den Weltrekord, aber es hat auf den letzten Kilometern nicht gereicht“. Immerhin war der Keniamann mit seinem Sieg Jahresweltbestzeit gelaufen. Dritter wurde Kenialäufer Geoffrey Kipsang, der mit 2:06:12 Stunden ebenfalls eine Spitzenzeit lief und damit den Dreifachtriumph des afrikanischen Läuferlands Nummer eins perfekt machte.

Jan Fitschen: Wechsel von der Bahn zum Marathon vollzogen

Seinen fünften Marathonlauf absolviert die deutsche Hoffnung, der 10.000-Meter-Europameister 2006, Jan Fitschen. Für den TV Wattenscheid startend, peilte der 35-Jährige eine Zeit unter 2:15 Stunden an. Auch Fitschen baute auf Tempomacher, die ihn in 66:59 Minuten absolut planmäßig über die Halbmarathonmarke führten. Danach musste der Wattenscheider allerdings einen „Pitstop“ im streckennahen Plaste-Pissoir einlegen. „Das waren wohl so 25 Sekunden, die ich da verlor“, schmunzelte Fitschen später. Dennoch rannte er die zweiten 21 Kilometer deutlich schneller und kam als Vierzehnter mit persönlicher Bestzeit von 2:13:10 Stunden – neuer deutscher Jahresbestzeit – ins Ziel.

Viel Lob fand Fitschen für die tolle Stimmung und die euphorische Zuschauerunterstützung. Tausende Jan-Rufe hätten ihm sehr geholfen. „Ich bin überglücklich“, gestand Fitschen bei der anschließenden Pressekonferenz. Der Wechsel von der Bahn auf die Straße sein ihm nun voll geglückt. Lange Tempoläufe auf Asphalt würde er lieben, aber auf die Kunststoffbahn ziehe es ihn weiterhin. „Als Kontrastprogramm renne ich immer noch super gern meine Zweihunderter mit Spikes“, so Fitschen. Jetzt will er sich mit Zeiten von Unter-2:12-Stunden beschäftigen, sagte er weiter.

Duell der Trainingspartnerinnen

Das Frauenrennen entwickelte sich – wie sollte es auch anders sein – als äthiopisch-kenianischer Schlagab-tausch. Die stärksten Konkurrentinnen dabei, die beiden Trainingspartnerinnen Aberu Kebede und Tirfi Tsegaye, die von der Kenialäuferin Flomena Chepchirchir angegriffen wurden. Ein überaus schnelles Rennen, welches das Trio dort hinlegte, denn bei der Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:10:33 Stunden, deutete die Zielzeit auf ein 1:20-Stunden-Resultat hin.

Eine Tempohatz allerdings, die ihren Tribut zollte. So drückten die beiden äthiopischen Läuferinnen so massiv auf die Tube, dass die Kenianerin kurz vor der 30-Kilometer-Marke deutlich Federn ließ und stark geschwächt zurückfiel.

Die eigentliche Entscheidung bahnte sich um die 35-Kilometer-Marke an, als Aberu Kebede ihr Absetz-programm startete. Im Ziel war dann von Konkurrenz nichts mehr zu sehen. Dennoch gab sich Kebede nicht vollends zufrieden: „Ich wollte unter 2:20 laufen, aber es hat nicht ganz gereicht“. Vermutlich, weil die 23-Jährige trotz ihrer bravourösen 2:20:30 Stunden ihren persönlichen Rekord lediglich um drei Sekunden verbesserte. „Aber ich freue mich, dass ich zum zweiten Mal in Berlin gewonnen habe“, bügelte Kebede den Wermutstropfen dann wieder aus.

Zweite wurde Tsegaye in 2:21:19 Stunden, gefolgt von der Ukrainerin Olena Shurhno, die in 2:23:32 Stunden Landesrekord lief. Im Ergebnis glänzten die drei platzierten Leichtathletinnen mit persönlichen Bestzeiten.

Aus deutscher Sicht und wie bei den Männern erfreulich, bot Anna Hahner ein beachtliches Rennen. Auch wenn die erst 22-Jährige ihre Wunschzeit von knapp unter 2:30:00 Stunden verfehlte und mit 2:30:37 Stunden exakte 23 Sekunden über ihrer diesjährigen Bestmarke blieb, konnte sich die für Marathon Düsseldorf startende Nordrhein-Westfalin immerhin auf Rang acht platzieren.

Von Tempomachern unterstützt, habe sie die Halbdistanz planmäßig mit 1:14:28 Stunden überquert, hätte im zweiten Teilstück das Tempo aber nicht ganz durchstehen können, so Hahner. Sie habe sich beim Halbmarathon und „auch danach gut gefühlt“. „Aber dann habe ich pro Kilometer ein paar Sekunden verloren“, so Anna Hahner abschließend.

 
Volker Schubert

author: GRR

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