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29
09
2010

Wie Race-Director Mark Milde erläuterte, plant die Kopfgruppe die Halbdistanz in 62 Minuten anzulaufen, das wäre nahezu perfekt.

Berlin-Marathon 2010 – Die (Weltrekord-)Jagd kann beginnen – Anmerkungen zum Rennen der Männer beim 37. Berlin Marathon – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Sehr ausführlich wurde an diversen Stellen schon über den bevor stehenden 37. Berlin Marathon berichtet, bei dem leistungssportlich sicher das Rennen der Männer im Fokus des Interesses steht. Nachdem Haile Gebrselassie diese Veranstaltung in den letzten Jahren mit einmaligen Leistungen prägte, hat dieser sich schon frühzeitig in diesem Jahr für den New York City Marathon entschieden, so dass Berlin wieder zur Normalität zurückfinden musste.

Dies hat man allerdings großartig gemeistert, mit Patrick Makau und Geoffrey Mutai konnte Race Director Mark Milde die weitweit Jahresschnellsten verpflichten, die zudem in ein Zeitregime vorgedrungen sind, die Ambitionen auf einen neuen Weltrekord nicht unrealistisch erscheinen lassen. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass ihre Zeiten von 2:04:48 und 2:04:55 im April in Rotterdam gegen einen starken Wind im Mittelteil erzielt wurden, was allerdings ein furioses Finale im Schlussteil nicht verhinderte (Makau lief den vorletzten km nahe an 2:30).

 Und der Wind wird auch am Sonntag eine große Rolle spielen, denn neben idealen Temperaturen und hoffentlich kaum Regen soll der recht kräftig blasen (30 km/h) und dazu noch aufböen. Dann könnten nämlich die Rekordjäger vor ein ähnliches Problem gestellt werden, mit dem sich Haile beim ersten Auftritt in Berlin konfrontiert sah, als er Tergats Rekord im Visier hatte.

Mit Hilfe zweier Grafiken blicken wir auf Hailes einmalige Leistungen in Berlin zurück, wo in den ersten beiden Jahren die Marke von Paul Tergat von 2:04:55 (gestrichelte horizontale Linie) das Ziel der Rekordjagden war.

In der Grafik der Zeitdifferenzen zum bestehenden Weltrekord ist schön zu erkennen, dass Haile bereits 2006 bestens auf Kurs war (rote Kurve), bis nach 35 km auch durch den scharfen Gegenwind ein massiver Leistungseinbruch eintrat, und er am Ende Tergats Marke um eine Minute verfehlte. 2007 lief das weitaus besser (blaue Kurve), Haile holte bald einen Vorsprung von ca. 30 Sekunden heraus, den er dann bis ins Ziel halten konnte: 2:04:26.

Im folgenden Jahr jagte Haile nun seine eigene Marke, und dass Hailes Worten Taten folgten, zeigte er nach „2:03“ Ankündigungen ein Jahr später, als er bei idealen äußeren Bedingungen und einer renntaktischen Meisterleistung den Weltrekord mit 2:03:59 erstmals unter 2:04 drückte.

Dabei kann die Renngestaltung in allen Belangen als Vorbild gelten, mit beeindruckender Konstanz holte Haile über das gesamte Rennen einen Vorsprung heraus, den er insbesondere auch im Schlussteil halten konnte (Referenz hier sein WR von 2007). Dabei müssen unbedingt die großartigen Schrittmacherdienste des späteren Weltmeisters Abel Kirui bis fast 32 km erwähnt werden.

 

Makau und Mutai mit ihrer Zielzeit. Vielleicht laufen sie ja noch schneller …

Bei seinem letzten Auftritt in Berlin lief es dann nicht mehr so gut, wobei dies auch den rasch steigenden Temperaturen zuzuschreiben war. Wie die Grafik zeigt, folgte Haile zunächst der erfolgreichen Taktik des Vorjahrs, um nach gut 15 km das Tempo zu steigern.

Auch mit einem 30 km Weltrekord im Visier wurde dann das Tempo etwas überzogen und nach 35 km – auch durch stark steigenden Temperaturen bedingt – trat ein massiver Leistungsabfall ein, der dann noch über zwei Minuten kostete. Würde man einmal die Zeiten dieses einmaligen Regimes außer Acht lassen, zeigt die Grafik für 2009 den Rennverlauf eines „Anfängers“, der am Ende für die Überforderung in der ersten Phase Tribut zollen muss.

Auch am Sonntag wird es im Feld der gut 40.000 Starter wieder viele Teilnehmer geben, die mit zunehmender Laufzeit der roten Kurve folgen werden. Hoffen wir, dass dies der Männerspitze versagt bleibt. Mit Makau (2:04:48), Mutai (2:04:55), Kiptanui (2:05:39), Worku (2:06:15), Yegon (2:06:18), Tsegay (2:07:11), Wendimu (2:06:46) und Kipyego (2:07:01) ist eine derartige Klasse an der Spitze versammelt, dass Berlin in der Leistungsbreite wieder deutlich zulegen wird.

Eine Konsequenz der Entwicklungen im „Jahr 1 nach Haile“, dessen Start aus diversen Gründen nicht unerhebliche Konsequenzen auf das Feld der Mitkonkurrenten hat(te).

Es wird von vielen Faktoren abhängen, ob das Unternehmen Weltrekord im Jubiläumsjahr „2500 Jahre Marathon“ nach Rekorden im Halbmarathon und über die 25 km erfolgreich verlaufen wird. Der wichtige Faktor Wetter ist aktuell nicht unkritisch, auch die Tempomacher werden eine große Rolle spielen.

Wie Race-Director Mark Milde erläuterte, plant die Kopfgruppe die Halbdistanz in 62 Minuten anzulaufen, das wäre nahezu perfekt. Wie weit dann ein „Hase“ die Spitze noch bis jenseits der 30 km unterstützen kann, ist in der Tat, so Milde auf der Pressekonferenz, ein Problem, denn ca. 1:28 für die 30 km erfordern das Können eines absoluten Spitzenläufers, der mit diesem Einsatz einen Start bei einem weiteren Herbstmarathon über die volle Distanz kaum sinnvoll erscheinen lässt.

Mut machen sollte den Spitzenläufern die Grafik zur Entwicklung der Weltrekorde in den letzten Dekaden, präsentiert im Regime der mittleren Geschwindigkeit. Die roten Punkte zeigen die Rekorde aus Berlin. Nach einer kurzen Stagnation der Leistungsentwicklung nach Densimos 2:06:50 in Rotterdam (BD) war es Ronaldo da Costa (RdC) in Berlin, der das Tor zu weiteren Entwicklungen in Berlin aufstieß.

Extrapoliert man die Kurve weiter, wäre für 2010 durchaus eine weitere Entwicklung in Richtung 20,5 km/h als mittlere Geschwindigkeit drin.

       Die Topathleten auf der Pressekonferenz: Makau, Mutai, Kiptanui (v.l.) Foto: Winter

 

Am Sonntag wissen wir, ob ein weiterer „roter Punkt“ die Grafik ziert. Das bedeutet nämlich Weltrekord, und wer immer diesen aufstellt, beim toll besetzten Rennen des Chicago Marathons in 14 Tagen müssen dann Wanjiru, Kebede und Co. diese Marke jagen.

Aber bei aller Euphorie sei nach angefügt, dass der vermeintliche Favorit Patrick Makau keine ganz gute Erinnerungen an Rekordjagden in Berlin hat. Nach seinem tollen Streckenrekord in 58:56 beim Berliner Halbmarathon 2007 wollte er einen Monat später bei den 25 km von Berlin den Weltrekord brechen.

  

 

Die drei Topathleten zusammen mit dem Race Director Mark Milde (ganz rechts)

Seine Form war bestens, seine Leistung auch, aber Anfang Mai war es bereits hochsommerlich warm und ein Rekord nicht möglich. Aber vielleicht verläuft das diesmal anders.

Auch mit der gesteigerten Präsenz in den TV-Medien freuen wir uns auf einen spannenden Berlin Marathon 2010.

Helmut Winter

 

 

author: GRR

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