Auch Titelverteidiger Jan Fitschen freute sich im Ziel über seine Platzierung, denn sein Wunschergebnis, unter die ersten zwölf (29:16,59 Minuten) zu kommen, klappte auf den Punkt
Beherzte Auftritte der deutschen Läufer bei den Europameisterschaften in Barcelona – Wolfram Marx berichtet
Einen guten, aber medaillenlosen, Auftakt erlebten die deutschen Teilnehmer am ersten Wettkampftag der Leichtathletik Europameisterschaften in Barcelona. Trotz der morgendlichen Hitze von bereits rund 28 Grad um zehn Uhr zeigte sich Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt) über 400 Meter Hürden putzmunter. Und das, obwohl sie eigentlich kein Morgenmensch ist. „Ich schlafe gerne länger, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Hier bin ich bereits um sechs Uhr aufgestanden.
Das und das Frühstück um sieben Uhr habe ich zuhause trainiert.“ Dabei hat die neue Routine gut angeschlagen, denn sie zeigte einen guten Qualifikationslauf und erreichte souverän die zweite Runde am Dienstagabend. Nur die Russin Natalya Antyukh war in ihrem Lauf schneller. „Ich wusste, ich kann sie nicht mehr erreichen, da habe ich den zweiten Platz abgesichert. Ich habe zwar hintenraus nicht rausgenommen, aber dies war noch nicht mein letztes Hemd“, blickt sie durchaus optimistisch nach vorne. Dazu hat sie auch allen Grund, waren die 55,69 Sekunden persönliche Bestleistung für sie.
Die Fortsetzung des guten Starts in die Titelkämpfe fand die deutsche Mannschaft dann bei den Kugelstoßerinnen. Alle drei, Nadine Kleinert (SC Magdeburg), Petra Lammert (SC Neubrandenburg) und Denise Hinrichs (TV Wattenscheid), qualifizierten sich souverän für das Finale, blieben in diesem aber mit den Plätzen sechs bis acht ohne die erhoffte Medaille.
Die erste große Enttäuschung gab es dann durch Hammerwerfer Markus Esser (Bayer Leverkusen). Der Leverkusener, in den vergangenen Jahren ein sicherer Kandidat fürs Finale, blieb mit 71,89 Metern fast acht Meter hinter seiner Saisonbestleistung. Dabei hatte er im Vorfeld der Meisterschaft sogar mit einer Medaille geliebäugelt, eine Prognose, die angesichts der Vorleistungen nicht ganz unmöglich erschien.
Die Morgenveranstaltung des ersten Tages endete in einem nur spärlich besetzten Olympiastadion für die deutsche Mannschaft dann mit einer weiteren Enttäuschung. Bianca Kappler (LC Rehlingen) scheiterte in der Weitsprung-Qualifikation mit 6,50 Meter. Damit musste die erfahrene Athletin aus Rehlingen beim zweiten internationalen Großereignis nach der WM 2009 in Berlin hintereinander nach der ersten Runde die Koffer packen. „Ich bin sehr enttäuscht. Leider war der erste Sprung vor dem Balken.“
Zufrieden mit ihrer Leistung konnte dagegen Nadja Käther (Hamburger SV) sein. Mit 6,61 Meter scheiterte die 21-Jährige um nur einen Zentimeter an der Qualifikation fürs Finale. Sie war denn auch mit ihrer Weite zufrieden, denn sie kam damit bis auf fünf Zentimeter an ihre Bestleistung heran.
Die deutschen Trainer sind aber mit der Mannschaft und der Stimmung im Team zufrieden, die auch einhellig von allen Athleten gelobt wird. Auch die bereits ausgeschiedenen Athleten wollen nun in Barcelona bleiben, um die Kollegen bei den nächsten Wettkämpfen zu unterstützen. DLV-Präsident Dr, Clemens Prokop sieht in der katalanischen Metropole eine „Mannschaft der Zukunft“ am Start, die mindestens bis 2012 Akzente setzen könne. Dies zeigte sich auch im Sprint, denn Tobias Unger (LG Stadtwerke München), Alexander Kosenkow (TV Wattenscheid) und Christian Blum (LAC Erdgas Chemnitz) erreichten alle die nächste Runde über 100 Meter, wobei allerdings Kosenkow und Unger mit 33 und 31 Jahren nicht mehr die Jugend im DLV verkörpern.
Mehr als ein Lebenszeichen sendeten am ersten Tag auch die wenigen Vertreter des DLV im Mittel-und Langstreckenbereich vor den bei weitem nicht gefüllten Tribünen des Olympiastadions von 1992. Naturgemäß waren Claudia Hoffmann (SC Potsdam) über 800 Meter und Jan Fitschen (TV Wattenscheid), Christian Glatting (TV Wattenscheid) und Filmon Ghirmai (LAV Asics Tübingen) von den Medaillen weit entfernt, denn ein Rennen wie Fitschen vor vier Jahren in Göteborg gelingt nur äußerst selten ein zweites Mal, doch überzeugten sie alle mit beherzten Rennen.
Claudia Hoffmann zeigte im zweiten Semifinale Kämpferherz, wenn es auch am Ende nicht zum Einzug ins Finale reichte. Sie setzte sich von Beginn an die Spitze und absolvierte die erste Runde in 58.15 Sekunden. „Dies war eine Zeit, wie ich sie mir immer gewünscht habe und sie auch bei den Meetings haben wollte.“ Dann wurde sie aber vom Feld geschluckt und 200 Meter vor dem Ziel sah es nach einem achten Platz aus. „Mir war klar, dass die anderen zu diesem Zeitpunkt im Rennen kommen werden. Ich musste es versuchen, denn nachdem die Vorläufe gestrichen worden waren, wusste ich, dass es schwer werden wird. Aber ich habe mich teuer verkauft und gezeigt, dass ich auf der Mittelstrecke angekommen bin.“
Am Ende wurde sie in ihrem Lauf sechste und blieb mit 2:01.19 Minuten nur eine Hundertstelsekunde über ihrer persönlichen Bestzeit. „Ich wollte eine Bestzeit haben, leider hat es knapp nicht gereicht. Dieses Rennen und die anderen über 800 dieses Jahr geben mir aber viel Selbstvertrauen und sind ein Riesenfortschritt gegenüber 2009.“ Nun gelte die volle Konzentration der Staffel, in der die Deutschen „ganz vorne mitmischen wollen“, blickt Hoffmann nach vorne.
Kämpferisch gefallen konnten auch die drei Teilnehmer über 10.000 Meter, die in ihrem Rennen trotz der Startzeit um 21 Uhr noch mit Temperaturen um die 25 Grad fertig werden mussten. Am Ende schaffte Christian Glatting mit Platz 9 in 29:09,84 eine Top-10-Platzierung, ein Ergebnis, das vor dem Rennen keiner erwartet hatte. „Ich hätte nie gedacht, dass es für die Top 10 reicht und bin wahnsinnig zufrieden“, meinte er freudestrahlend im Ziel.
Auch Titelverteidiger Jan Fitschen freute sich im Ziel über seine Platzierung, denn sein Wunschergebnis, unter die ersten zwölf (29:16,59 Minuten) zu kommen, klappte auf den Punkt. „Ich habe mich während des Rennens zum Teil schlecht gefühlt, dann haben mich einige andere eingeholt, da hätte ich nicht gedacht, dass es dafür reicht.“ Er zeigte sich selbst erstaunt, dass er mit nur vier Wettkämpfen in zwei Jahren unter den Besten Europas mitmischen könne. „Wir haben mit Platz neun, Platz zwölf und Platz 15 von Filmon Ghirmai auch ein tolles Mannschaftsergebnis erzielt. Für den so toten Laufbereich des DLV ein klares Lebenszeichen.“
Zufrieden war auch Ghirmai (29:28,31 Minuten), wenn er das Rennen auch als eines seiner taktisch schlechtesten bezeichnete. Der Tübinger war von Anfang in der Spitzengruppe unterwegs, lief mutig, hielt das Tempo dort mit, musste aber nach etwa 6.800 Metern die Gruppe ziehen lassen und fiel dann zurück. „In der zweiten Hälfte bin ich dann ziemlich gestorben. Im Nachhinein gesehen, hätte ich langsamer anlaufen müssen. Von der Form her wäre eine bessere Zeit und Platzierung möglich gewesen, doch dafür war ich am Anfang zu schnell. Naja, die 10.000 Meter sind doch etwas anderes als 3.000 Meter Hindernis. Es wurde schon sehr lang am Ende.“
Bleibt zu hoffen, dass der Zuschauerzuspruch in den nächsten Tagen besser wird, nachdem den Spaniern die ersehnte Medaille über 10.000 Meter versagt blieb, denn Ayad Lamdassem musste für seine zwischenzeitliche Tempoarbeit Tribut zollen und fiel noch vom zweiten auf den vierten Platz zurück und schleppte sich mit letzter Kraft ins Ziel.
Wolfram Marx