Prof. Dr. Detlef Kuhlmann - Begrüßung zum Berliner Literatur-Marathon im Schlot
Begegnungen mit Detlef Kuhlmann – 70 Jahre – Von Horst Milde
Am 8. Oktober 2024 vollendete Prof. Dr. Detlef Kuhlmann sein 70. Lebensjahr, das er in familiärem Kreise zuhause in Bielefeld feiert
Am selben Tag erschien das ihm gewidmete Buch „Detlef Kuhlmann – Sportpädagoge aus Leidenschaft“ (Verlag tredition, 336 Seiten). In diesem von Wolfgang W. Schüler herausgegebenen Band beschreiben rund 30 Wegbegleiterinnen und -begleiter Detlef Kuhlmanns‘ Verdienste im Sport, in der Sportwissenschaft sowie im Sportverbandswesen.
Unter ihnen Horst Milde, der die Berliner Zeiten des Jubilars in nachfolgendem Beitrag aufleben lässt.
Eigentlich kann ich mich nicht direkt an ein erstes Treffen mit Detlef Kuhlmann erinnern. Es muss aber in Berlin gewesen sein, Mitte der Achtziger Jahre, als er an der Führungs- und Verwaltungs-Akademie des Deutschen Sportbundes beschäftigt war und mich zu einem Vortrag einlud. Oder doch am Institut für Sportwissenschaft der Freien Universität Berlin, wo er von 1992 bis 2000 als Akademischer Oberrat wirkte? Am wahrscheinlichsten aber war es bei einem der vielen Läufe des Sport-Club Charlottenburg (SCC Berlin), an denen ich organisatorisch beteiligt war. Im Zusammenhang mit dem renommierten Berlin-Marathon steht zumindest ein Jahr schon einmal fest: 1990.
1990 setzte sich Detlef Kuhlmann – als Literatur-Experte – selbst sein eigenes lauf-literarisches Denkmal. Da brachte er den Vorschlag ein, bei der jährlichen Marathon-Expo als kulturelles Rahmenprogramm des Berlin-Marathon einen „Literatur-Marathon“ zu initiieren, zusammen mit mir als „Race-Director“ dieses Laufes. Eine Idee, die zum 17. Berlin-Marathon am 30.9.1990 umgesetzt wurde. Und eine Weltneuheit zugleich.
Seitdem organisiert Detlef Kuhlmann als ehrenamtlicher Ressortleiter Kultur bei (jetzt) SCC Events GmbH in ununterbrochener Reihenfolge dieses literarische Ereignis. Er lädt die Lauf-Literaten „für‘n Appel und ‘n Ei“ nach Berlin ein, moderiert die „Lesestunde“ und stellt die Autorinnen und Autoren vor. In den Anfangsjahren geschah dies an durchaus unterschiedlichen Orten wie in Hotels, den Berliner Messehallen, im Sommergarten und in der Deutschlandhalle, jeweils tags vor dem Marathon. Seit dem Jahr 2005 findet die Lesung immer am Sonntag vor dem Berlin-Marathon im „Schlot“ (Kunstfabrik Schlot) in den Edison Höfen, Invalidenstraße 117 als Auftakt der Berliner Marathonwoche statt, bei freiem Eintritt.
Gefüllter Saal beim Literatur-Marathon (Ausschnitt)
Als Vortragende beim Literatur-Marathon: Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff (m) und 5.000-m-Olympiasieger Dieter Baumann (r)
Illustre Gästeschar – in der Mitte der vielfache Literatur-Preisträger Günter Herburger
Mit Laufpionier Werner Sonntag (2. v. l.) und Marathon-Olympia-Teilnehmer Manfred Steffny (2.v. r.)
Mit Journalist Dr. Hajo Schumacher r. (Achim Achilles)
Seitdem haben bei 34 Ausgaben des Literatur-Marathon weit über 100 Autorinnen und Autoren aus ihren laufliterarischen Texten vorgelesen, darunter Klaus Haetzel, Jupp Suttner, Herbert Somplatzki, Klaus-Rainer Martin, Jürgen Roscher, Prof. Dr. Hans Dieter Mummendey, Dieter Baumann, Günter Herburger, Dr. Andrea Löw, Dr. Erdmute Nieke, Dr. Martina Münch, Volker Schlöndorff, Heidi Schmitt, Dr. Hajo Schumacher (Achilles), Manfred Steffny, Gesine Strempel, Joanna Zybon, Klaus Eckardt, Klaus Weidt, Lothar Koopmann, Isabel Bogdan, Sylvia Schenk, Dr. Marcus Pinsker und Volker Schröder. – Die Nichtgenannten mögen verzeihen. – Die Attraktivität der Veranstaltungsreihe steht außer Frage, und auch beim 50-jährigen Berlin-Marathon in 2024 wird die 35. Ausgabe wieder ihr interessiertes Publikum finden.
Der Literatur-Marathon, der weltweit seinesgleichen sucht, dauert nie länger als die aktuelle Weltrekordzeit über 42,195 km. Er ist ein Aushängeschild des Berlin-Marathon, der zur Reputation dieser Veranstaltung beiträgt. Im Übrigen wurde Detlef Kuhlmann schon von anderen Veranstaltern eingeladen, um bei deren Läufen ein ähnliches Projekt zu starten.
Womit wir beim realen Laufen sind. Detlef Kuhlmann ist ein gestandener Marathonläufer: In Berlin ist er Mitglied des berühmten Berlin-Marathon Jubilee-Club. Mit der „ewigen“ Startnummer „322″ des Clubs kann er bei diesem Lauf nachweisen, dass er 30mal „gefinisht“ hat. Seine Marathonbestzeit beträgt 3:00:46 Stunden. Das ist eine respektable Zeit, für die man schon hart trainieren muss. Und das tut Detlef. Beim Austausch von E-mails mit ihm kommt zum Schluss immer ein Zusatz: „gerade 20 km“, oder „65 Min. durch den Wald und jetzt noch in die Muckibude“ oder „auf dem Weg zu Arminia Bielefeld“.
Detlef Kuhlmann war „Dauerläufer“ in einer Laufgruppe beim Sport-Club Charlottenburg, zusammen mit Dirk Borgert und Bernd Hübner. Ebenso betreute er mit Dirk auch die Frauen-Lauftrainingsgruppe an Sonnabenden um 16.00 Uhr im Tiergarten – hier bereiteten sich Frauen und Mädchen zielgerichtet auf den traditionellen Avon Frauenlauf im Mai jeden Jahres vor. In Berlin hat er an vielen Läufen teilgenommen, ob Halbmarathon, 10 km im Tiergarten bzw. später auf dem Kurfürstendamm, Silvester- und Neujahrslauf. Man kann das Berliner Angebot durchdeklinieren, Detlef war fast überall dabei. Sein Lieblingslauf blieb allerdings der Hermannslauf, die 31,1 km von Detmold nach Bielefeld durch den hügeligen Teutoburger Wald. Den hat er mehr als 30-mal gefinisht, zuletzt war er bei der 50. Auflage des Laufes dabei. Ein Lauf, bei dem man „knüppeln“ muss – und das kann Detlef.
Bekannt ist, dass seine sportlichen Wurzeln im Handballsport liegen, den er seinerzeit u. a. in der Landesliga betrieben hat. Auch in Berlin übte er ihn noch sporadisch aus, im Alt Herren-Team („über 40“) beim SCC Berlin.
Zurück zum Literatur-Marathon. Aus diesem ging schon 1993 das von Detlef herausgegebene „LaufLESEbuch“ hervor, das bis heute seinesgleichen sucht. Zudem betreute er seit 1990 in der Fachzeitschrift „Laufzeit“ die Rubrik „LAUFliteraTOUR“, in der er über 130 literarische Bücher zum Laufen vorstellte. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Beiträgen auf der Homepage des Berlin-Marathon, wo er die fortlaufende Serie „Lauf-Bücher… laufend neu“ betreute und von Zeit zu Zeit mit Neuerscheinungen aktualisierte.
Detlef Kuhlmann schrieb freiberuflich für zahlreiche weitere Organe und Medien, darunter für den wöchentlich erscheinenden Presse- und Informationsdienst des Deutschen Sportbundes (DSB), später und jetzt Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB). Beim DOSB erschienen von ihm fast wöchentlich Geburtstagsbeiträge und Nachrufe. Gewürdigt wurden und werden berühmte Persön-lichkeiten wie Organisatoren des Sports, aktuelle und ehemalige Athleten.
Was das ehrenamtliche Engagement anbelangt, könnte man Dr. Detlef Kuhlmann als einen „positiv Verrückten“ bezeichnen, ohne die aber Sportorganisationen oder Veranstalter nicht auskommen oder sich erst gar nicht entwickeln könnten. Neben Funktionen bei SCC-Running und im SCC Berlin gehörte er zum Vorbereitungsgremium beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin bzw. des nächsten Evangelischen Kirchentages 2005 in Hannover an. Beim Kirchentag in Berlin schaffte er es auch, zusammen mit dem SCC einen 5 km Lauf durch den Grunewald für die Kirchentagsbesucher zu organisieren.
Als er Berlin verließ, war dies ein großer Verlust für die hiesige Lauf-Community. Er kehrte aber regelmäßig mit seinen Studenten nach Berlin zurück, besichtigte das Berliner Sportmuseum unter der Führung von Gerd Steins und beteiligte sich mit seinen Studenten an der Staffel auf dem Tempelhofer Feld, dem ehemaligen Flughafen. Apropos Sportmuseum – wurde an der Uni irgendein Lehrstuhl aufgelöst, so wanderte das Archiv nicht in den Reißwolf, sondern das Konvolut wurde von dem schon erwähnten Lauffreund Dirk Borgert im angeheuerten Gefährt sicher nach Berlin ins Sportmuseum überführt.
Horst-Milde-Award 2023 an Sylvia Schenk (v.lks.): Gerd Steins, Horst Milde, Michael Reinsch und Detlef Kuhlmann
2013 initiierte Detlef Kuhlmann zusammen mit Michael Reinsch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Gerd Steins vom Forum für Sportgeschichte, dem Förderverein des Sportmuseums Berlin, aus Anlass des 75. Geburtstages von Horst Milde den Ehrenpreis „Horst-Milde-Award“. Mit ihm sollten Lebensleistungen einzelner Persönlichkeiten für den Laufsport gewürdigt werden. Die bisherigen Preisträger waren Werner Sonntag (2013), Manfred Steffny (2016), Hans-Georg Kremer (2018), Prof. Dr. Alexander Weber (2021) und Sylvia Schenk (2023). Die Ehrungen fanden mit geladenen Gästen im exklusiven International Club Berlin statt. Die Laudationes hielt jeweils Detlef Kuhlmann. Auf diese können die Geehrten stolz sein, denn sie wurden und werden gekonnt und geschliffen vorgetragen.
Auch die Website von German Road Races (GRR) e.V., der Interessensgemeinschaft der Lauf-Veranstalter in Deutschland, ist ein beachtliches Arbeitsfeld und Aushängeschild von Detlef Kuhlmann. Ruft man auf dieser Website Google zur Hilfe auf, so erhält man unter seinem Namen unglaubliche 933 Einträge/Aufrufe.
Am Anfang des Jahres wurde auf der GRR-Website regelmäßig das Sportjahr in Gesamt vorgestellt. Es gab für den interessierten User interessante Neuigkeiten aus den Sportwissenschaften und den neuesten Sportzeitschriften – wo sonst hätte man derartige News lesen können?!
Unzählige Buch-Rezensionen erschienen dort.
Regelmäßig vor Weihnachten gab es Listen mit Empfehlungen von Büchern zu allen Disziplinen des Sports. Typisch die Überschriften: „Bücher zu Weihnachten … 15 Vorschläge für den Gabentisch“, „Die wichtigsten Bücher des Jahres 2017 … laufliterarische Tipps“, „Auf dem Laufenden bleiben … mit neuen Laufbüchern – Prof. Detlef Kuhlmann stellt vor“, „Mit ,run up‘ in das Lauf-Frühjahr 2017 starten … Teilnahmemöglichkeiten bei Marathons von Helgoland bis Regensburg – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor“.
Diese Überschriften ließen sich in vielen Varianten fortsetzen.
Begegnung mit US-Olympiateilnehmer, Coach und Autor Jeff Galloway vor dem Berliner Mommsenstadion
Auch eine Reihe, die immer wieder neue und wichtige Themen ,auf den Tisch schmiss‘, war mit der Überschrift: „Prof. Detlef Kuhlmann hat den Überblick – INFOS & NEWS …“ versehen. Die Themen, über die er schrieb, waren ein wahrer Sturzbach an Neuigkeiten und Beiträgen, die man gerne las und goutierte.
Bernd Hübner (l.) mit seinem Ghostwriter
(v.lks): Bernd Hübner mit Ehefrau Monika, Horst Milde mit Ehefrau Sabine und Detlef Kuhlmann
Apropos goutieren – auch das gehörte zu Detlefs Spezialitäten und Freundlichkeiten: Wenn man sich mit ihm traf, dann legte er ganz beiläufig irgendetwas Appetitliches von der Conditorei & Café Kraume aus der Stapenhorststraße in Bielefeld auf den Tisch. Das war Detlef live, das machte kein anderer, und auch das machte seine Liebenswürdigkeit aus, die war ihm immanent. Von da an war die Stimmung noch besser und die Welt sah irgendwie schöner aus.
Natürlich hat Detlef Kuhlmannn neben seinen laufwissenschaftlichen Monografien und Herausgeberschaften auch mehrere Bücher zum und über den Laufsport vorgelegt, so das schon erwähnte „LaufLESEbuch“ (Meyer & Meyer), „BERLIN-MARATHON – Eine Liebeserklärung“ (Meyer & Meyer) von Bernd Hübner mit dem Ghostwriter Detlef Kuhlmann-, „Lit. BERLIN-MARATHON – Texte von der Strecke“ (Arete) und „Auf den letzten Metern – Momente des Zieleinlaufs“ (Arete).
Diese Bücher sind unschätzbare Dokumente für den Laufsport und bereichernd für den Leser. In ihnen äußern sich die Autoren zur Frage der Sinnhaftigkeit des Laufens und zu ihren Gedanken beim Laufen. Diese Bücher stellen ein zusätzliches Lebenswerk von Detlef Kuhlmann dar, sind ein weiteres Denkmal, wenn man das so sagen kann.
„Wer losläuft, will ankommen“
Ein Zitat hierzu. Auf dem Klappentext des Buches „Auf den letzten Metern“ steht: „Wer losläuft, will ankommen. Das gilt für die Runde um den Häuserblock genauso wie beim Start zum Marathon. Loslaufen macht nur deswegen Sinn, weil wir irgendwann irgendwo ankommen wollen. Deswegen sind wir unterwegs. Das Ziel ist das Ziel. Nur weil es ein Ziel gibt, ergibt das Starten überhaupt Sinn“.
Wir dürfen Detlef Kuhlmann dankbar sein für seine Lebenseinstellung, das Positive des Laufens in Worte gefasst zu haben. Besser noch, Literaten und ihre Läufe, Worte, Werte uns näher gebracht zu haben. Wir, die wir den Laufsport lieben und das Laufen an sich – vielleicht auch ohne Ziel – wären ärmer, wenn er nicht über Jahrzehnte vieles gelesen und an uns weitergegeben hätte. Man kann ganz einfach und trivial sagen: „Detlef, Du hast Dich um den Laufsport verdient gemacht.“
Bleib gesund – und halte uns alle weiter munter – „auch über das Ziel hinaus“.
Horst Milde (geb. 1938) ist Konditormeister und Diplom-Kaufmann. Er wurde als Läufer mit der 3 x 1000 m Staffel des SCC Berlin zweimal Deutscher Meister.(mit Gerhard Koop und Bodo Tümmler). Bekannt als „Mann, der Berlin das Laufen beibrachte“ initiierte er verschiedene Laufformate, von denen der Berlin-Marathon der international bedeutendste ist. 30 Jahre lang – bis 2004 – war er Renndirektor dieses Laufs. Milde ist u.a. Sprecher bei German Road Races (GRR), der Interessengemeinschaft der deutschen Straßenlaufveranstalter, und Mitglied im Vorstand des Weltmarathonverbandes AIMS. Er erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. Nach ihm wurde der „Horst-Milde Award“ benannt. Er lebt in Berlin.
Bibliografie:
Wolfgang W. Schüler (Hrsg.)
Detlef Kuhlmann – Sportpädagoge aus Leidenschaft.
Streiflichter zu seinem 70. Geburtstag.
Verlag tredition, Ahrensburg, 2024, 336 Seiten, mit vielen Fotos
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers
Fotos von Horst-Dieter Bellack, Familie Milde, Aloys Kötters-Gulde
YouTube-Video von Prof. Helmut Winter mit Horst Milde über die Historie des BERLIN-MARATHON (1974) und den Crosslauf am Teufelsberg (1964): https://www.youtube.com/watch?v=sEGve18Drf8