EN
Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Athleten Deutschland: Revolutionäre Vorschläge – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Der deutsche Spitzensport besteht auf und aus Zentralisierung. Der Verein Athleten Deutschland überrascht im Sportausschuss mit Ideen, wie es anders gehen könnte und fordert Geld für Innovationen.
Der Verein Athleten Deutschland hat im Sportausschuss des Bundestages mit revolutionären Vorschlägen zur Spitzensportförderung überrascht. Geschäftsführer Johannes Herber und Maximilian Klein, der Beauftragte für internationale Sportpolitik, regten am Mittwoch in Berlin an, zum Beispiel ein Innovationsbudget zu schaffen, aus dem Sportlerinnen und Sportler gefördert werden, die nicht in die zentralisierten Strukturen ihrer Verbände eintreten wollen.
Als Beispiele für erfolgreiche Insellösungen nannten sie Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen, Zehnkampf-Welt- und Europameister Niklas Kaul, Ruder-Weltmeister Oliver Zeidler und die Beachvolleyballspielerin Karla Borger, die Athleten Deutschland vorsitzt. Der sportpolitische Sprecher der Unionsfraktionen Stephan Mayer nannte die Idee „tollkühn“ und warnte vor dem Ausstieg aus der generellen Zentralisierung von Top-Athleten.
Sportlerinnen und Sportler müssten sich täglich dem Wettbewerb stellen, doch im System gebe es keinen Wettbewerb, kritisierte Klein. Athleten Deutschland fordert, die Wirksamkeit von Stützpunkten, Leistungszentren und Förderkonzepten zu evaluieren. Spitzenathleten müssten mit mehr Geld unterstützt werden, um über Kaufkraft und damit Wahlfreiheit gegenüber den Einrichtungen des Spitzensports zu verfügen; es gelte, deren Monopol zu beenden.
Athletenförderung könnte am Vorbild des Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ausgerichtet werden und Berufsausbildung und Studium zusätzlich zum Sport sowie sportlichen Erfolg belohnen. Neben Stützpunkten und Verbänden sollten Bieterinitiativen gefördert werden. Dysfunktionale Anreizsteuerung solle abgestellt werden; als solche könnten sich, vorbehaltlich wissenschaftlicher Evaluation, die Spitzensportförderung der Bundeswehr und Nachwuchskonzepte mit dem Ziel erweisen, im Jugendalter möglichst erfolgreich zu sein.
Athleten Deutschland legte am Mittwoch „30 Anregungen für eine ganzheitliche Entfaltung der Athlet*innen“ vor; sie sind überschrieben mit: „Damit alle gewinnen“.
Die Organisation versucht damit, Einfluss auf die Reform der gescheiterten Spitzensportreform von 2016 zu nehmen. Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) und Innenministerium haben vor vier Wochen in einem „Grobkonzept“ das gemeinsame Ziel beschrieben, eine unabhängige Agentur zur Finanzierung und Steuerung des olympischen Spitzensports zu schaffen; sie soll auf Basis eines Sportfördergesetzes entstehen.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 14. Dezember 2022
