Meb Keflezighi gewann 2004 in Athen Olympiasilber im Marathon. Doch er war zuvor aus Eritrea geflüchtet und hatte 1998 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Und so war es Tadese, der als erster eritreischer Athlet für sein Heimatland Erfolge feierte
Athleten bei der WM in Berlin: Zersenay Tadese
Der Bekanntheitsgrad von Langstreckenläufer Zersenay Tadese in seiner Heimat wird wohl am besten beschrieben, wenn man ihn als Eritreas Antwort auf Fußballer Michael Ballack bezeichnet. Während Tadese über den Vorschlag verlegen lächelt, nickt seine Managerin Julia Garcia entschieden: „So ist es. Ja.“
Eritrea ist das jüngste Land Afrikas. Erst vor 16 Jahren erhielt es nach jahrzehentelangen Guerrilla-Kriegen seine Unabhängigkeit. Es liegt auf der Hand, warum der Sport das Selbstwertgefühl einer Nation heben kann, die gemessen am Bruttoinlandsprodukt laut Internationalem Währungsfond 2007 nur Platz 151 von 179 Ländern belegte. Das Land ist bekannt dafür, Weltklasse-Läufer hervorzubringen.
Meb Keflezighi gewann 2004 in Athen Olympiasilber im Marathon. Doch er war zuvor aus Eritrea geflüchtet und hatte 1998 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. Und so war es Tadese, der als erster eritreischer Athlet für sein Heimatland Erfolge feierte. Ein Land, das an Äthiopien, den Sudan und Dschibuti grenzt und am Südende des Roten Meeres liegt.
Bei den Sommerspielen 2004 in Athen holte Tadese als Dritter hinter den Äthiopieren Kenensia Bekele und Sileshi Sihine über 10.000 Meter die erste Olympiamedaille für Eritrea.
Seitdem hat der heute 27-Jährige seinen Ruf als Eritreas größter Sportstar mit drei Titeln in Serie bei der IAAF Halbmarathon-Weltmeisterschaft untermauert. 2007 wurde er zudem im kenianischen Mombasa Cross-Weltmeister und beendete die Siegserie von Kenenisa Bekele.
Für die Zukunft hat sich Tadese den Marathon vorgenommen. Experten trauen ihm zu, dass er irgendwann den Weltrekord von Haile Grebselassie brechen kann, den der Äthiopier 2008 mit 2:03:59 Stunden aufgestellt hat. Bei der WM in Berlin wird er sich aller Voraussicht nach für einen Start über 10.000 m entscheiden.
Wie viele ostafrikanische Läufer stammt der 1,60 Meter große Athlet aus bescheidenen Verhältnissen. Er wuchs als eines von sieben Kindern in dem ländlichen gelegenen Ort Adi Bana im südlichen Hochland von Eritrea auf. Und wie so viele Afrikaner lief er jeden Tag zur Schule und zurück.
Trotzdem – und das ist untypisch – begann er seine Karriere nicht als Läufer. Er verdiente sich seine ersten Sporen in Eritreas Nationalsportart: dem Radsport. Beeinflusst von der italienischen Konolialzeit stammen aus Eritreas erstklassige Radrennfahrer.
Auch Tadese gewann als Radsportler einige 35 bis 50 Kilometer lange Rennen. „Ich habe mit dem Nationalfahrer Daniel Teklehaimanot trainiert, der heute in der Schweiz lebt“, erzählt er. „Aber ich bin ein besserer Läufer als Radfahrer gewesen und habe deshalb in der Schule mit 19 Jahren mit dem Laufen begonnen.“
Schon nach wenigen Monaten als Leichtathlet wurde er 30. bei den IAAF Cross-Weltmeisterschaften im irischen Dublin. Dabei trug Tadese nur schlecht sitzende Schuhe und war erst kurz zuvor nach Spanien gezogen, um dort einen Großteil des Jahres zu trainieren. Unter der professionellen Anleitung des bekannten spanischen Coaches Jeronimo Bravo hat Tadese seitdem eine beeindruckende Karriere hingelegt und ist in seiner Heimat zu einem Superstar geworden.
Zu seiner Hochzeit im vergangenen November mit Merhawit Solomon kamen mehr als 2500 Gäste – darunter führende Politiker, Künstler und Musiker des Landes. Die Zeremonie wurde live im Fernsehen übertragen und tausende Menschen standen in Adi Bana an der Straße, als die Hochzeitsgesellschaft fürs Ja-Wort in die Hauptstadt Asmara fuhr.
Eine Gruppe von Fahnen schwenkenden Tadese-Fans begleitet ihren Star regelmäßig zu den Wettkämpfen. Neulich lud er sie nach einem Rennen zum Abendessen ein. Dabei kann ihre Begeisterung manchmal auch Probleme verursachen. Vor zwei Jahren sprangen Anhänger von ihm bei einem Rennen in den Niederlanden über die Absperrung, um ihren Helden zehn Meter vor der Ziellinie zu umarmen. Trotzdem weiß Tadese seine Fans zu schätzen.
Obwohl er viele Monate des Jahres in Spanien verlebt, will er die Leichathletik in Eritrea voranbringen und finanziert jungen Talenten die erste Ausrüstung. Derzeit lernt Tadese gerade Englisch und Spanisch. Manche sehen in ihm die eritreische Version von Äthiopiens Lauf-Idol Haile Gebrselassie. Doch der Vergleich hinkt.
Während Gebrselassie ein erfolgreicher Geschäftsmann und Politiker ist, hat Tadese keine solchen Pläne. „Ich bin ein stiller Mensch“, erzählt er. Am liebsten lässt Tadese seine Füße sprechen und freut sich darüber, wenn er seinem Land den Wunsch nach einem modernen Erlöser erfüllen kann.
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