Tolle Atmosphäre bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Ingolstadt – Wolfram Müller in bestechender Form Mittelstreckenmeister – Stark umkämpfte Nachwuchstitel – Mustergültige Organisation als Faustpfand für eine EM-Bewerbung?
Arne Gabius und Sabrina Mockenhaupt bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Ingolstadt herausragend – Wilfried Raatz berichtet
Frühlingshaftes Wetter und ein schneller und dennoch fordernder Parcours sorgten für beste Voraussetzungen bei den Deutschen Crossmeisterschaften in Ingolstadt. Und diese nutzten vor allem Arne Gabius, Wolfram Müller und Sabrina Mockenhaupt mit einer vorzüglicher Präsentation zur Werbung in eigener Sache – richteten zugleich aber den persönlichen Fokus auf das große Leichtathletik-Ereignis in diesem Jahr, die Weltmeisterschaften im August in Berlin.
In Anwesenheit von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop gab dabei der örtliche Ausrichter MTV Ingolstadt eine exzellente Visitenkarte ab, die durchaus internationalen Ansprüchen genügt. Nicht zuletzt deshalb brachte der DLV-Präsident die Autostadt an der Donau ins Gespräch für Cross-Europameisterschaften. „Wir fühlen uns geehrt und stehen diesem Vorstoß natürlich nicht negativ gegenüber. Jedoch müssen wir die Vorleistungen prüfen, denn als kleiner Verein werden wir keinesfalls ein Risiko eingehen können“, so Reinhard Köchl, der Pressesprecher des MTV Ingolstadt.
„Mocki’s“ Abneigung gegen Hindernisse beim Gewinn ihres sechsten Crosstitels kein Hindernis
„So einfach hätte ich mir den Titelgewinn nicht vorgestellt“, bekannte eine sichtlich zufriedene Sabrina Mockenhaupt nach dem Zieleinlauf über ihrem sechsten Crossmeistertitel. „Ich habe mit erheblich stärkerer Gegenwehr von Susanne Hahn gerechnet, da sie am vergangenen Sonntag am Bayerkreuz eine starke 10 km-Leistung abgeliefert hatte. Als aber keiner wirklich Tempo machen wollte, habe ich mir gedacht: Mach dein Ding!“ Und wie entfesselt lief die kleine Siegerländerin auf dem schnellen Kurs die fünf Runden herunter und baute dabei ihren Vorsprung auf letztlich vierzig Sekunden gegenüber Susanne Hahn („Ich muss Prioritäten setzen und diese heißen WM-Qualifikation am 3. Mai in Düsseldorf!“) aus. „Eigentlich liegen mir eher flache Strecken.
Hindernisse mag ich ehedem nicht so, aber ich hatte genügend Zeit, mich darauf zu konzentrieren“, gestand „Mocki“ völlig entspannt im Ziel. Ihr Hauptaugenmerk ist zunächst auf ihren Start beim Berliner Halbmarathon gerichtet, wo sie Anfang April gerne auf Bestzeitkurs laufen möchte. Bei den deutschen 10.000 m-Meisterschaften Anfang Mai in Bremen soll’s dann die WM-Qualifikation für Berlin geben („Der deutsche Rekord ist machbar. Da muss aber auch das Glück auf meiner Seite sein!“). Die deutsche Hauptstadt wird ehedem für die für den Kölner Verein für Marathon startende Sabrina Mockenhaupt im Fokus stehen.
Bei der WM möchte ich auf meiner Königsdisziplin, den 10.000 m, starten!“ Und auf die Frage, weshalb nicht WM-Marathon, registrierten so manche ein Funkeln in ihren Augen: „Die 10.000 m sind ja ganz zu Anfang der Weltmeisterschaftstage. Dann werde ich weiter sehen…..!“ Und lässt damit bewusst Spekulationen über einen Doppelstart zu.
Erfreulich starker Nachwuchs mischt den Frauenwettbewerb auf
Erfreuliche Entwicklungen sind bei den Frauen auffällig. Hinter den gestandenen Athletinnen wie Sabrina Mockenhaupt und Susanne Hahn mischten in der Autostadt an der Donau mit Julia Hiller (21), Ingalena Heuck (22), Mareike Schrulle (20) und Verena Dreier (23) gleich vier junge Talente die Frauenkonkurrenz auf, so dass Marathon-Europameisterin Ulrike Maisch nur auf Rang sieben platziert war. „Ich denke, dass die Strecke nicht meine Sache wird“, äußerte sich die Marathonfrau aus Rostock schon vor dem Rennen, zumal sie wegen einer Magen-Darm-Erkrankung etwas verunsichert wirkte. Während Julia Hiller mit ihrem Mut zum Tempo mit dem Juniorentitel belohnt wurde, durfte die Vorjahres-Jugendmeisterin Mareike Schrulle den Grundstock für den überraschenden Teamerfolg der neuen LG ASV/DHSH Köln (mit zwei Punkten Vorsprung vor dem Titelverteidiger LG Telis Finanz Regensburg) legen.
Ministerpräsident Seehofer auf Augenhöhe mit den Athleten
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der übrigens mit scheinbarer Routine als Starter sowohl die Männer als auch die Frauen auf die Strecke an der alten Befestigungsanlage im Herzen Ingolstadts geschickt hatte, zeigte sich während des Langstreckenrennens der Männer im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe mit Gabius, Hallmann, Hohl und Co. Er beließ es keineswegs mit der Überreichung der mächtigen weißen Porzellanlöwen an Sabrina Mockenhaupt und Arne Gabius, sondern stiefelte fernab des Protokolls auf einen der beiden selektiven Hügel, um die Aktiven hautnah zu erleben.
„Ich habe Hochachtung vor den Leistungen der Läufer. Die Strecke im Hindenburgpark ist eine zähe Herausforderung und ist in dieser Hinsicht auch mit der Politik zu vergleichen. Aber Crosslaufen ist nichts für mich. Ich bevorzuge ab dem Frühjahr wieder das Radfahren. Ich gebe aber zu, das Problem ist für mich die Regelmäßigkeit“, so ein aufgeräumter, gesprächiger Ministerpräsident, der seit 1972 Mitglied beim MTV Ingolstadt ist und als Handballer auch in seiner Heimatstadt aktiv war.
Arne Gabius: „Das Rennen hat gezeigt, ich bin der Beste!“
Und der Ministerpräsiden wurde Zeuge eines souveränen Auftritts von Arne Gabius, der den nach krankheitsbedingten Trainingsausfällen klar unterlegenen Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München) und Titelverteidiger Stephan Hohl (TV Huchenfeld) keine Chance ließ. „Mein Trainer Dieter Baumann hat mir vorher gesagt, ich solle mich auf ein einsames Rennen einstellen. Genau das ist auch eingetreten. Ich habe das hohe Tempo der ersten beiden Runden einfach beibehalten, das war dann schon die Entscheidung. Das Rennen hat gezeigt, ich bin derzeit der Beste! Aber ehrlich gesagt, ich war froh, als die Glocke für die letzte Runde kam, denn es war auch für mich eine harte Sache!“
Der Hamburger im Trikot des LAV Asics Tübingen sitzt bereits auf gepackten Koffern, schließlich geht es umgehend ins kenianische Trainingslager nach Nyahururu – zur WM-Vorbereitung. Nach dem Hallentitel nun der im Crosslaufen – für den angehenden Mediziner soll im Sommer nicht nur der Hattrick mit der 5000 m-Meisterschaft folgen, sondern auch die WM-Nominierung.
Überraschung im Ziel: Sebastian Hallmann darf zur Cross-WM
Sebastian Hallmann zeigte sich gegen seinen früheren Tübinger Vereinskollegen über 10,1 km mehr oder weniger chancenlos. „Mir fehlen sechs Trainingswochen. Mehr war damit nicht zu erreichen!“ so die realistische Analyse des Freisingers. Bundestrainer Detlef Uhlemann überraschte den Vizemeister im Ziel mit einem Bonbon der besonderen Art: Der 32jährige der LG Stadtwerke München soll als Einzelstarter die DLV-Farben bei den Cross-Weltmeisterschaften in der jordanischen Hauptstadt Ammann vertreten. Ein überraschendes Angebot für einen, der unter anderen Vorzeichen früher gerne einmal bei diesem internationalen Stell-dich-ein der Laufelite gestartet wäre, aber stets der strikten Maßgabe des Deutschen Leichtathletik-Verbandes zum Opfer gefallen war.
Keineswegs unzufrieden war auch Stephan Hohl, der sicherlich gerne den Hattrick in Ingolstadt auf der Langstrecke geschafft hätte, aber auch ihn warf im Vorfeld eine hartnäckige Virusinfektion aus der Bahn. Die anfangs noch in diesem Trio mithaltenden Steffen Uliczka (TSV Kronshagen/ Kieler TB) und Zelalem Martel (LG Neckar-Enz) gingen frühzeitig aus dem Rennen – und machten den Weg frei für überraschende Platzierungen im dichten Zieleinlauf für Lars Haferkamp (TV Refrath), Richard Friedrich (LG Passau) und Carlo Schuff (PST Trier) auf den nächsten Rängen.
Klarer Punktsieg für Wolfram Müller
Mit Wolfram Müller präsentierte sich ein weiterer WM-Kandidat in Ingolstadt in prächtiger Verfassung. Das spannende Duell auf der Mittelstrecke (3,1 km) gegen Olympiastarter Carsten Schlangen (LG Nord Berlin), Christoph Lohse (TV Wattenscheid) und Stefan Eberhardt (LC Erfurt) endete mit einem letztlich überaus deutlichen Erfolg für den 27jährigen 1500 m-Spezialisten der LG Asics Pirna, der vor Wochenfrist bei den Hallen-Europameisterschaften als Vierter knapp einer Medaille vorbeigeschrammt war. Neun Sekunden hinter einem befreit zum Titel laufenden Wolfram Müller verdrängte Christoph Lohse bei Zeitgleichheit Carsten Schlagen auf Rang drei, der anfangs für Tempo sorgende Stefan Eberhard blieb als Vierter ohne Medaille.
Im Duell der wohl derzeit besten 1500 m-Läufer Wolfram Müller und Carsten Schlangen steht es im WM-Jahr 2009 glatt 3:0 für den Läufer aus dem Dresdner Umland. „Ich freue mich, dass es so glatt gelaufen ist! Vielleicht ist dies auch das Ergebnis von 10 Wochen kontinuierlichem Training. So kann es weiter gehen, vor allem auf dem Weg zur WM. Ich denke, dass wir im Sommer noch viele spannende Rennen erwarten dürfen, ehe die WM-Plätze feststehen werden“.
Umkämpfte Nachwuchstitel
Stark umkämpft waren einmal mehr die Nachwuchstitel. Der Cross-EM-Vierte Alexander Hahn (TSV Bayer Leverkusen) sah lange Zeit auf der 7,1 km langen Juniorenstrecke wie der Souverän aus, ehe es im Zieleinlauf doch noch einmal eng wurde. Mit einem furiosen Spurt war der Regensburger Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) fast noch gleich gezogen, am Schluss trennten beide gerade einmal eine Sekunde. „Ich bin vielleicht etwas zu früh weggelaufen, aber letztlich zählt alleine der Platz!“ Eine Woche nach seinem starken 10 km-Auftritt am Bayerkreuz (29:48) reichte es für den Trierer Thorsten Baumeister (PST Trier) nur zu Rang sieben.
Auf der 3,1 km langen Strecke der Weiblichen Jugend A überzeugte mit der 18jährigen Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg) ein Allroundtalent, das eigentlich von der 400 m-Strecke kommt und allmählich die Vorliebe für die 800 m und 1500 m entdeckt – und hier zur europäischen U 20-Spitze möchte.
Den Wettbewerb der männlichen Jugend über 6,1 km gewann der zuletzt auch in der Halle überzeugende Erfurter Sascha Großheim danke seines Spurtvermögens, nachdem es zwischenzeitlich sogar ausgehen hatte, als ob die beiden Schwarzwälder Julian Kreibich und Benedikt Karus (LG badenova Nordschwarzwald) einen besonderen Coup landen könnten.
Wilfried Raatz