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11
09
2010

Armin Baumert, Vorstandsvorsitzender der NADA und Juror Talentförderwettbewerb sowie Dopingprävention Das Interview mit NADA-Vorsitzendem Armin Baumert – Der langsame Weg an die Spitze

By GRR 0

Im Interview fordert Armin Baumert, Vorstandsvorsitzender der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), Geduld im Entwicklungsprozess junger Sportler.

Manchmal hält sich ein bitterer Beigeschmack hartnäckig. Bei der Tour de France zum Beispiel. Als Alberto Contador seine Ehrenrunden am Champs-Élysées drehte, blickte er nicht nur in strahlende, sondern in ebenso viele fragende Augen. Wie glaubwürdig war diese Tour, nach all den Rückfällen, nach all den Lippenbekenntnissen? Wer bleibt Held, wer wird zum verachteten Sünder? Das schlechte Image des Radrennens – für Armin Baumert, Vorstandsvorsitzender der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), nahezu hausgemacht. Er fordert transparente und gezielte Kontrollen – und kluge Menschen, die im Entwicklungsprozess junger Sportler Geduld aufbringen.

Die Tour de France ist mittlerweile zum Exerzierfeld der Debatten um einen sauberen Sport geworden. Vor allem der internationale Radsportverband UCI sah sich immer wieder der Kritik ausgesetzt. Wo liegt aus Ihrer Sicht das Problem?

ARMIN BAUMERT: Die UCI will das Kontrollsystem total für sich beanspruchen. Das äußert sich bei der Tour de France darin, dass es bis wenige Tage vor dem Start heiße Diskussionen über die Zuständigkeiten von UCI, der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und der französischen Anti-Doping-Behörde AFLD gab. Die UCI verzögert das bis zum letzten Moment, bis es praktisch nicht mehr möglich ist, die Kontrollen intelligent zu organisieren. Wer sich so verhält, der stellt Fragezeichen auf. Der muss damit leben, dass man kritisch nachfragt. Ein solches Verhalten erhöht die Glaubwürdigkeit des Anti-Doping-Kampfes im Radsport nicht.

Welches dann?

BAUMERT: Angebracht wäre, dass die gesamten Kontrollen, sowohl unangemeldet im Training als auch rund um Wettkämpfe, in einer Hand liegen. Da sind wir in Deutschland sehr weit gekommen. Wir haben mit über einem Dutzend deutscher Spitzenverbände diese Vereinbarung schriftlich geschlossen. Wir machen die Trainingskontrollen für ihre Kader und auch Wettkampfkontrollen. Eine solche Strategie ist weltweit wünschenswert für den Anti-Doping-Kampf.

Außerdem fordern Sie immer wieder intelligentere Dopingkontrollen. Wie stellen Sie sich das konkret vor?

BAUMERT: Wir benötigen ein intelligentes Kontrollsystem, in dem der Anteil von Zielkontrollen bei Verdachtsfällen ständig erhöht wird. Wir brauchen nicht insgesamt mehr Kontrollen – die NADA hat beispielsweise im Jahr 2009 insgesamt etwa 9000 Proben nehmen lassen – sondern gezieltere. Sehr dienlich sind dazu Blutprofile. Wir haben 2007 damit begonnen, eine Profil-Datenbank anzulegen. Auch Rahmendaten wie Trainingslager, Reisedaten und Wettkampfplanung müssen in die Betrachtung einbezogen werden. Zudem muss die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden noch enger werden. Zwischen der NADA und der Staatsanwaltschaft München beispielsweise funktioniert sie bereits sehr gut.

In der Jury-Sitzung zur Verleihung des „Grünen Bandes“ sprachen Sie von einer „defizitären Situation“ bei der Doping-Prävention im Nachwuchsbereich. Lehrer und Eltern seien noch nicht auf der Spur, auf der sie sein sollten. Welches Verhalten jungen Sportlern gegenüber empfehlen Sie Personen aus dem nicht-sportlichen Umfeld?

BAUMERT: Selbst in den Eliteschulen des Sports sind noch nicht alle Wegbegleiter künftiger Spitzenathleten auf der Spur. Defizite gibt es häufig im Umgang mit Medikamenten. Wir wollen aber nicht anklagen, sondern durch die NADA-Prävention einen Schub auslösen. Eltern und Lehrer müssen auf den aktuellen Stand gebracht werden. Wir müssen uns einbringen in das gesamte Leistungssportsystem des deutschen Sports. Deshalb gibt es unter anderem auch Elternveranstaltungen an den Olympia-Stützpunkten. Ein gutes Beispiel ist auch unsere Pilotveranstaltung zur Lehrerfortbildung in Koblenz.

Wie stellen Sie sich den idealen Trainer vor? Was macht für Sie eine gelungene Nachwuchsarbeit in diesem Bereich aus?

BAUMERT: Der ideale Trainer macht auch außerhalb des Sportplatzes die Augen auf. Er begleitet nicht nur sportfachlich, sondern auch pädagogisch. Er erkennt die Gefahren und spricht sie an. Er muss in seiner Verantwortung für junge Menschen alle Quellen nutzen, die über Doping und die daraus resultierenden Gefahren informieren. Wichtig ist auch, im Entwicklungsprozess junger Sportlerinnen und Sportler Geduld aufzubringen. Es ist kein schnelles Hochpuschen der Leistung  gefragt – keine Methoden, die den kurzfristigen Erfolg um jeden Preis suchen. Der kluge Trainer verfolgt langfristig angelegte Strategien und kitzelt Erfolge im Jugendalter nicht heraus. Bis zur Spitze ist eine langfristige Leistungsentwicklung von in der Regel mindestens sechs bis acht Jahren erforderlich.

Und wie kann letztlich der junge Sportler selbst der Versuchung, zu betrügen, widerstehen?

BAUMERT: Grundlage dafür ist ein gefestigtes und für die Problematik „Doping“ sensibilisiertes Umfeld. Nur wenn alle Beteiligten im Sinne des Sportlers gegen Manipulation ankämpfen, kann der Sportler selbst widerstehen, wenn er in Versuchung gerät. Ein Athlet muss lernen, seine natürliche Leistungsgrenze zu akzeptieren und sich bewusst sein, dass Manipulationen körperliche Folgen nach sich ziehen. Er muss wissen, dass ihm im Falle einer positiven Dopingkontrolle nicht nur körperliche, sondern auch finanzielle, soziale und strafrechtliche Folgen drohen. Dem Sportler muss klar werden, dass es andere Möglichkeiten gibt, seine Leistungsfähigkeit zu verbessern. Beispiele sind Ernährungsberatung, Trainingsoptimierung und das Einhalten von Ruhezeiten. Wer überdies eine duale Karriere vorantreibt, also nicht allein auf die Karte Sport sondern auch auf die Ausbildung setzt, sagt leichter „Nein“, wenn ihm Dopingsubstanzen angeboten werden.

Mit welchen Maßnahmen versucht die NADA selbst, das Vertrauen des Nachwuchses zu gewinnen?

BAUMERT: Wir haben speziell für Nachwuchsathleten die Website www.highfive.de konzipiert. Hier wird in spielerischer Form Wissen vermittelt – zu allen Fragen des Dopings. Unter anderem werden hier sehr plastisch und damit abschreckend die gesundheitlichen Gefahren gezeigt. Zudem sind wir mit Infoständen bei den Jugendmeisterschaften in allen wichtigen Sportarten vertreten.

Zur Person: Armin Baumert, 67, ist seit 2007 Vorstandsvorsitzender der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA). In diesem Jahr ist der ehemalige Spitzensportler und frühere Direktor des Bundesausschusses Leistungssport im Deutschen Sportbund zudem in die Jury des Talentförderwettbewerbes „Das Grüne Band“ des Deutschen Olympischen Sportbundes und der Commerzbank zurückgekehrt.

Ein Comeback der besonderen Art:

In Armin Baumert, einst selbst Spitzensportler und von 1995 bis 2004 leitender Direktor Leistungssport des vormaligen Deutschen Sportbundes, verstärkt ein Kenner des organisierten Sports die Jury des „Grünen Bandes“. Mehr noch: Er kehrt als Insider zum Nachwuchsförderungswettbewerb zurück, denn er war schon einmal, von 1998 bis 2004 Vorsitzender der Jury. „Ich freue mich sehr, dass ich mich wieder als Jurymitglied in diesem bundesweit einmaligen Auszeichnungswettbewerb für Talentsuche und –förderung einbringen kann. Aus meiner Sicht war es folgerichtig, dass so wichtige Thema Dopingprävention 2008 in die Kriterien des Wettbewerbs aufzunehmen. Gerade die Vereine, als Keimzelle des Sports, können sehr viel tun, um die Kinder und Jugendlichen frühzeitig gegen Medikamenten- oder Nikotinmissbrauch stark zu machen“ so Armin Baumert.

Der frühere Weitspringer Baumert hat sich in jüngster Zeit vor allem dem Anti-Doping-Kampf verschrieben. Anfang 2007 wurde er vom Vorstand der Nationalen Anti Doping Agentur NADA zum neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt. Kein einfacher Job, aber eine Aufgabe, die der Spitzenfunktionär mit viel Motivation anpackte. Und Baumert vergeudete im Kampf um einen sauberen Sport keine Zeit. Wichtig, so sagte er von Beginn an, sei eine „weitere Professionalisierung“ der Agentur und, dass diese sich „den Kernaufgaben widmet und auch eine klare Kommunikation zu Sportlern, Verbänden und Medien führt“. Gesagt, getan. Der Wahl-Rheinland-Pfälzer ist ein Mann des Sports, ein Mann der Basis. Seine Nähe zu den Athleten wird ihm als eine seiner großen Stärken gutgeschrieben. Ideale Voraussetzungen, um Akzente bei der Jury-Arbeit zu setzen.

Quelle: DOSB

 

author: GRR

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