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13
03
2023

Symbolphoto - Foto: Horst Milde 

Ampelkoalition plant Agentur: Wie die Integrität im Sport gewahrt werden soll – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Die Ampelkoalition will jegliches Fehlverhalten in Vereinen und Verbänden bekämpfen und dafür eine unabhängige Agentur schaffen. In anderen Ländern funktioniert es schon.

Die Ampelkoalition will eine unabhängige Integritätsagentur für den Sport schaffen. Diese soll Fehlverhalten ermitteln und sanktionieren sowie Wiedergutmachung leisten. Es gehe nicht nur um Fair Play im Wettkampf, sondern um Sportvereine und -verbände als sichere Orte mit einem vertrauensvollen Umgang untereinander. Das haben am Freitag die sportpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Bundestagsfraktionen von SPD, Sabine Poschmann, Grünen, Tina Winklmann, und FDP, Philipp Hartewig, gemeinsam angekündigt.

„Die Integrität ist das höchste Gut des Sports und muss unter allen Umständen gewahrt sein“, heißt es in ihrer Mitteilung. Personen, Wettbewerbe und Organisationen sollten geschützt werden. Die verschiedenen Dimensionen von Integrität umfassten die Bereiche Good Governance, Safe Sport, Menschenrechte, Diskriminierungsfreiheit, Antidoping und die Bekämpfung von Wettbewerbsmanipulationen. Transparenzdefizite, Fälle sexualisierter Gewalt und deren mangelhafte Aufarbeitung und weitere Arten von Machtmissbrauch machten deutlich, dass es in dieser Hinsicht Nachholbedarf gebe.

Auch die Tatsache, dass Good-Governance-Regularien nur teilweise und nicht von allen Verbänden umgesetzt wurden, zeige, dass es Defizite gebe. Darüber hinaus mangele es an Kontrolle. Nur wenn die deutschen Sportverbände bei diesem Thema als Vorbild vorangingen, könnten sie auf internationaler Ebene glaubwürdig Einfluss nehmen. Ziel sei, „eine verbindliche Integritätsarchitektur im gesamten organisierten Sport zu verankern“.

Unabhängige Instanzen in der Diskussion

In dem geplanten Sportfördergesetz des Bundes, das der Verankerung der überarbeiteten Spitzensportreform und der Gründung einer unabhängigen Sportagentur („Spitzensport GmbH“) dient, sollen Mindeststandards zur Bekämpfung jeglicher Art von Machtmissbrauch definiert und zur Voraussetzung für öffentliche Förderung gemacht werden.

Arbeit und Verantwortung von Nationaler Antidopingagentur (NADA), dem in Vorbereitung befindlichen Zentrum für Safe Sport sowie der Nationalen Plattform zur Bekämpfung der Manipulation von Sportwettbewerben sollen nicht eingeschränkt werden. Die Abgeordneten beziehen sich auf das Vorbild der Integritätsagenturen von Australien und der Schweiz.

Die Idee einer Welt-Antikorruptionsagentur im Sport zeige, dass unabhängige Instanzen zur Integritätssicherung auch auf europäischer Ebene diskutiert werden. „Perspektivisch wäre auch in Deutschland ein ganzheitlicher institutioneller Ansatz zu begrüßen“, schreiben die Abgeordneten: „Das neu zu schaffende Zentrum für Safe Sport könnte auf lange Sicht die Grundlage dafür bieten.“

DOSB begrüßt den Debattenbeitrag

Die Koalition macht sich eine Forderung von Athleten Deutschland zu eigen. „Betroffene finden in ihrem eigenen Verband oft nicht die Hilfe, die sie brauchen“, hatte Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland, im Interview mit der F.A.Z. vom 9. Dezember 2021 gesagt: „Nicht bei der Ethikkommission, nicht beim Ombudsmann. Und dann klopfen sie bei allen Akteuren im deutschen Sport an die Tür und sagen: Ihr müsst uns helfen. Und keiner kann das so richtig. Manche fühlen sich nicht zuständig, andere sind keine Ermittler. Das gilt auch für uns. Wir sind aufseiten der Athleten, wir kennen die Vorwürfe, wir können sie dem Verband gegenüber vorbringen. Der Verband reagiert mit einer Gegendarstellung, die wir nicht überprüfen können. Es entsteht eine Pattsituation, aus der man nicht herauskommt. Eine Unzufriedenheitsspirale entsteht, die Betroffenen wenden sich an die Presse, es folgen Verleumdungsklagen. Es schaukelt sich hoch, aber es gibt keine Lösung.“

Die Vertretung olympischer und nichtolympischer Spitzensportlerinnen und -sportler stellte damals das Papier „Skizzen eines Paradigmenwechsels – Für eine Neuaufstellung der Integritäts-Governance im deutschen Sport“ vor. Auch das im Entstehen begriffene Zentrum für Safe Sport geht auf eine Initiative von Athleten Deutschland zurück.

„Wir begrüßen den Debattenbeitrag der Sportpolitiker*innen der Koalition zur Integrität“, teilt eine Sprecherin des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) mit: „Sie ist im Sport ein extrem hohes Gut, und daher engagiert sich der DOSB auf vielfältige Weise für ihren Schutz. Über Mittel und Wege, wie dies in Zukunft noch besser gelingen kann, diskutieren wir sowohl intern im autonomen Sport als auch mit unseren Partner*innen in Politik und Gesellschaft.“

TransparencyInternational schreibt in der Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Sportausschusses des Bundestages am Mittwoch, dass Innenministerium und DOSB den Wildwuchs an Zuständigkeiten, Einrichtungen und Hinweisgebersystemen eindämmen und langfristig in eine übersichtliche Architektur überführen müssten, „die sich an den Bedürfnissen der von Fehlverhalten Betroffenen, nicht an den überkomplexen Strukturen im deutschen Sport ausrichtet.“

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 10. März 2023

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

author: GRR