The first letter from 1980 from the New York City Marathon - Photo: Horst Milde
AIMS 40 Jahre – Die Gründungstreffen von New York City, Honolulu, Boston und London – Horst Milde berichtet
Am 20. Oktober 1980 erhielt der BERLIN-MARATHON zum ersten Mal ein offizielles Schreiben vom New York City Marathon, unterzeichnet von Fred Lebow, Director des New York City Marathon.
Wie wir zu „dieser Ehre“ kamen, vom berühmten New York City Marathon, eingeladen zu werden, d.h. dort zu laufen oder an ihrem Besucher-Programm teilzunehmen, blieb mir schleierhaft, den wir waren bis 1980 eine lokale Veranstaltung mit 671 Teilnehmern beim BERLIN-MARATHON im mauerbegrenzten Berlin (West).
Aber das Jahr 1980 markierte für den BERLIN-MARATHON praktisch den Aufbruch und den Anfang von einer kleinen lokalen Marathonveranstaltung, dessen Strecke überwiegend am oder in der Nähe des Grunewaldes verlief – zu einer internationalen Veranstaltung.
Denn 1980 entschlossen wir uns praktisch aus dem „Grunewald“ in die Innenstadt Berlins zu ziehen.
Mit dem Start am Berliner Reichstag und dem Ziel auf dem Kurfürstendamm, in der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Vorbild waren in Berlin für uns die „25 km de Berlin“, der französischen Alliierten, die ihren Lauf durch die Innenstadt Berlin führen wollten, vom Olympiastadion durch die City und zurück zum Stadion.
Die Franzosen hatten ein großes Vorbild mit ihrem 20 km Lauf von Paris nach Versailles mit Tausenden von Teilnehmern. Trotz der Bedenken der Polizei konnten die französischen Alliierten am 3. Mai 1981 unter der Leitung des Sportoffiziers Jack Bride die „25 km de Berlin“ mit großem Erfolg durchführen.
Das war die Blaupause für den BERLIN-MARATHON auch durch die City zu laufen, denn jetzt konnte die Polizei unseren Antrag den 8. BERLIN-MARATHON am 27. September 1981 nicht mehr ablehnen. Vorher hiess es immer seitens der Behörden „die Strassen sind für die Autos da, nicht für Läufer“.
Schon sehr optimistisch schrieb ich dann am 21. Oktober 1980 in einem Werbe- und Einladungsbrief an den Road Runners Club New York und bat um Unterstützung, um Läufer und Teilnehmer für eine Teilnahme am BERLIN-MARATHON zu gewinnen.
Für den Marathon 1981 hatten wir natürlich schon frühzeitig Werbematerial, wie mehrsprachige Ausschreibungen und Poster anfertigen lassen, damit auch genügend Teilnehmer sich für Berlin entscheiden und vorbereiten konnten.
So flogen Bernd Hübner und Manfred Templin, als die ersten Werber für den 8. BERLIN-MARATHON 1981 – gut ausgerüstet mit Postern und Handzetteln – zum New York City Marathon. Frank Shorter, der US Marathon Olympiasieger von München 1972 war als „eye-catcher“ auf dem Werbeposter nicht zu übersehen. Hübner und Templin nahmen als Läufer erfolgreich am New York City Marathon teil und setzten mit ihrer Werbeaktivität die erste „Duftmarke“ des BERLIN-MARATHON auf internationalem Parkett.
Manfred Templin (lks.) und Bernd Hübner mit Werbung für den BERLIN-MARATHON 1981 beim New York City Marathon – Foto.privat
Am 26. August 1981 lud der New York City Marathon das erste Mal zu einer „Conference for international marathon race directors“ am Montag, dem 26. Oktober 1981, einen Tag nach ihrem Marathon, ein. Das war letztlich von der Idee her, die Geburtsstunde von AIMS, der späteren Association of International Marathons and Distance Races.
Am 14. Oktober 1981 sagte ich zu, das ich mit meiner Frau Sabine an dieser Konferenz teilnehmen werde. Das „Headquarter“ der Veranstaltung war das Sheraton Centre in New York. Wir wohnten allerdings privat bei einem Berliner Läufer – Günter K. Erich – der nach dem Krieg ausgewandert war. Es las vom Berliner Marathon in einer New Yorker Zeitung und wusste deswegen schon, dass die Marathonstrecke an seiner ehemaligen Berliner Wohnung vorbeiführte und wollte sich deshalb anmelden.
Kurios kam die Verbindung zustande. Ich erhielt am 17.5.1981 von ihm einen Brief. Er erbot sich Berliner Läufer und Läuferinnen in seinem Haus in Pequannock, NJ zur Übernachtung aufzunehmen, wenn sie nach New York kommen, um am New York City Marathon teilzunehmen. Ich hing das Schreiben im Umkleideraum des Mommsenstadions aus. Hier trafen sich nicht nur die Mitglieder des hier beheimateten SCC Berlin mit seinen unzähligen Langstrecklern, sondern auch Läufer aus ganz Berlin (West).
Günter Erich, seine Ehefrau Rosemarie – und sein Haus, entwickelte sich dadurch zum „Umschlagsplatz“ und Ansprechpartner vieler Berliner Läufer. Günter Erich selbst, beschäftigt als Handwerker bei der New Yorker Schulverwaltung, war Marathon- und Ultraläufer. Von seinem Haus morgens zur Arbeit zu laufen – und abends zurück – war bei ihm ander Tagesordnung.
Die Ausschreibung (r.) des BERLIN-MARATHON 1981 mit Frank Shorter – Foto: Horst Milde
Die New Yorker Marathon Veranstalter führten schon 1981 ein vorbildliches Rahmenprogramm für ihre Gäste durch, an dem man teilnehmen konnte. Am Meeting der Race Direktoren am Montag, dem 26. Oktober 1981 waren über 30 Nationen beteiligt.
Die Tagesordnung für das „International Marathon Race Directors Meeting“ am 26. Oktober 1981 in New York – Foto: Horst Milde
Der BERLIN-MARATHON war als einziger deutscher Marathonveranstalter vertreten, Manfred Steffny (Spiridon) war als Journalist anwesend.
Fred Lebow, als Gastgeber begrüsste die anwesenden Gäste des Meetings, Allan Steinfeld führte als Moderator durch die Tagesordnung. Der wohl wichtigste Punkt war die Diskussion und die Feststellung über die Notwendigkeit einer Gründung einer eigenen Organisation der Race Direktoren von internationalen Marathonveranstaltungen. Die Erstellung eines gemeinsamen Veranstaltungskalenders bis 1984, evtl. Organisation von Marathon-Weltmeisterschaften waren weitere Diskussionspunkte, sowie einheitliche Vermessungskriterien.
Die Teilnehmerliste von New York 1981 – Fotos: Horst Milde
Das Treffen war grundsätzlich erfolgreich und der erste Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Lauf-Organisation außerhalb der etablierten LA-Verbände. Es gab innerhalb des Laufsports viele ungeklärte Fragen, Probleme und auch Zukunftsstrategien die für die Fachverbände abseits ihrer üblichen Aufgaben der Verbände lagen, aber für Veranstalter mehr als wichtig waren, sodaß es – um zu Erfolgen zu kommen, es wichtig war ihre Interessen zu bündeln und in die „eigenen Hände“ zu nehmen. Es war Zeit zu handeln.
Die nächsten Treffen sollten noch im Dezember 1981 in Honolulu und beim London Marathon 1982 in London stattfinden.
Kurz danach erhielt ich die Einladung am nächsten Treffen am Donnerstag und Freitag, dem 10. und 11. Dezember 1981 teilzunehmen. Der Honolulu Marathon fand danach am Sonntag, dem 13. Dezember 1981 statt.
Mein Problem war als Selbständiger mit einer traditionellen Bäckerei-Konditorei in Berln-Tempelhof mit etwas über 20 Mitarbeitern und drei kleinen Kindern bestand darin in der Hauptgeschäftszeit des Gewerbes zur Weihnachtszeit im Dezember nur einmal so nach Honolulu zu fliegen – und das auf eigenen Kosten, wie das damals üblich war.
Ich meldete deswegen, weil ich nicht abkömmlich war, Bernd Hübner (der schon beim New York City für Berlin werbemäßig tätig war) an. Er flog mit einer Reisegruppe nach Hawaii, um am Honolulu Marathon als Läufer teilzunehmen. Ich hatte auch den Race Director um Erlaubnis gebeten, dass Bernd Hübner Werbematerial vom BERLIN-MARATHON in Honolulu verteilen durfte.
Will Cloney vom Boston Marathon war beim Meeting der Moderator. Er stellte den Lenkungsausschuss der Organisation vor mit Chris Brasher (London), Anders Olsson (Stockholm), Hajime Yuki (Japan), Serge Arsenault (Montreal), Allan Steinfeld (New York) und Andrew Galloway (New Zealand).
Zum Race Directors‘ Meeting vom 10. bis 11.12.1981 im Princess Kaiulani Hotel in Honolulu erhielten die Teilnehmer einen Entwurf der Statuten (Proposed Bylaws) der zu gründenden internationalen Marathon-Organsiation. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass der darin vorgeschlagene Name Directors of Internatinonal Marathon Events Society und das Akronym DIMES abgelehnt wurde (has to go). Als neuen Namen akzeptierten die Renndirektoren die Bezeichnung Association of International Marathons mit dem Akronym AIMS.
Es bestand Einigkeit über den Namen der neuen Gruppe: „Association of International Marathons“ (AIMS). Festgelegt wurde auch der jährliche Mitgliedsbeitrag von 1.000 $ pro Jahr – und der sollte noch vor der Sitzung in London 1982 bezahlt sein. Am zweiten Tag schlug Chris Brasher die wichtigsten Ziele und Aufgaben für AIMS vor (die sie bis heute geblieben sind): Den Laufsport weltweit zu fördern und zu promoten, Wissen und Informationen unter den Mitgliedern auszutauschen, wozu die genaue Streckenvermessung nach einer einheitlichen Methode ein ganz wichtiger Faktor war.
Einheitliche Richtlinien für die Strecken-Vermessung – John Disley (r.) vom London-Marathon und Helge Ibert vom BERLIN-MARATHON – Foto: privat
Serge Arsenault vom Toronto Marathon stellte schon einen kompletten Plan einer neuen Organisationsform vor, seinen „World Marathon Circuit“ vor, der der heutigen World Marathon Majors entsprach und Fred Lebow (New York) erklärte seine Idee eines „Marathon Championship Concepts“, die aber weiterer Diskussionen bedürften, so Will Cloneys der Moderator. Beide Vorschläge sollten in Boston Anfang 1982 weiter diskutiert werden.
Will Cloney schreibt am 5. Februar 1982 in seinem Brief vor dem nächsten informellen Meeting, am 19. April in Boston und dem Gründungsmeeting im Mai in London in seinem Abschlussstatement: „Individuell denken wir, wir sind alle ziemlich ausgefuchst, aber gemeinsam werden wir hervorragend sein“!
Für das informelle Meeting in Boston am 30. April 1982 meldete ich unseren schon bekannten weltreisenden Läufer Bernd Hübner an, der mit entsprechendem Werbematerial für den BERLIN-MARATHON 1982 reichlich ausgerüstet wurde.
Natürlich war der BERLIN-MARATHON auch beim AIMS-Gründungskongress am 6./7. Mai 1982 im Park Lane Hotel in London anwesend. Ich meldete Gerhard Kopp vom Marathon-Team und mich als Teilnehmer des Kongresses an.
In London wurden Will Cloney (Boston) der erste AIMS Präsident, als Vizepräsident wurde Chris Brasher (London) gewählt und zum Schatzmeister und Generalsekretär erhielt Andy Galloway vom (Rotorua Marathon Neuseeland) die meisten Stimmen.
Weitere Board Mitglieder: Hiroaki Chosa (Fukuoka), Serge Arsenault (Montreal), George Courmozis (Athen), Katherine Switzer (AVON), David Benson (Honolulu), Anders Olsson (Stockholm), Elpidio Dorotheo (Manila), Jose Werneck (Rio de Janeiro) und Vince Regan (Manchester) als Presseoffizier.
Berlin war in der Gründungsphase von AIMS immer dabei, sass dabei nicht immer in der ersten Reihe und glänzte auch nicht mit wichtigen Gründungsbeiträgen und Vorschlägen, dafür waren wir international noch zu unerfahren. Das allerwichtigste war für mich und uns, dass Berlin auf der Bühne des internationalen Sports, des Marathon und des Laufsports überhaupt wahrgenommen wird. Wir wurden zu dieser Zeit – als mauerumschlossene Stadt innerhalb der DDR – kurz vor Polen, doch weltweit übersehen und eigentlich nicht mehr zur Kenntnis genommen.
Wenn wir damals noch ein ganz kleines „Licht“ und „Newcomer“ waren innerhalb der Weltstädte New York, London, Athen und Stockholm, bedeutete das den ersten kleinen Schritt in die Zukunft.
Fred Lebow schreibt in seinem Buch „Inside the World of Big-Time Marathoning“: „Wir haben vielen Marathonläufen der Welt geholfen, wie London, Berlin, Helsinki, Seoul … und anderen … und waren das Modell für die Entwicklung des Laufsports weltweit“. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Fred Lebow und sein Buch – Foto: Horst Milde
Lebow schreibt weiter in seinem Buch, daß er mich in Stockholm 1980 während des Marathons getroffen habe und ich ihm die Probleme mit der Polizei in Berlin erklärte, die die Strassen nicht für Läufer freigeben wollte. Seine Antwort war, dass ich mit dem Polizei-Direktor zusammen zu ihm nach New York kommen solle, das würde die Polizei umstimmen. Ich verschwieg dabei, dass ich den Berliner Polizei-Direktor Heinz Ernst mit nach Stockholm gebracht hatte, damit er sich die Organisation des Laufes in Stockholm anschauen und lernen solle.
Tatsächlich brachte die Exkursion nach Stockholm mit dem Besuch der dortigen Polizei und das Erlebnis des Marathons die Wende bei der Polizeibehörde. Die Berliner Polizei musste mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass die dortige Polizeibehörde ihm verlauten liess, der Marathon-Sonntag in Stockholm wäre für die Polizeibehörde der schönste Tag des Jahres für jeden Polizisten, keiner wollte frei haben, jeder wollte bei diesem Fest dabei sein, weil die Stimmung der Stadt und der Zuschauer so unvergleichlich war.
Fred Lebow lief am 25. September 1983 den BERLIN-MARATHON in 3:39:02 (2748. mit der Startnummer 32) seine damalige Bestzeit. Er berichtete auch in seinem Buch, daß er gesehen hat, daß die Läuferinnen im Ziel in Berlin eine Rose bekommen hätten. Das habe er dann auch in New York bei seinem Marathon eingeführt. So hat Berlin auch für New York etwas Nachahmenswertes „liefern“ können.
Fred Lebow hat der Laufwelt mit seinem Marathon von New York etwas neues – und ein anderes – Leben eingehaucht. Er hat mit seiner Vision – und der gleichzeitigen Realisierung – als „Geburtshelfer“ der Organisation AIMS zum Leben verholfen.
AIMS, seine Gründungsphase ab 1980 und die Entwicklung zu der weltweiten Organisation von heute ist eine Erfolgsgeschichte an sich, die ihresgleichen sucht.
Vom Anfang dabei gewesen zu sein – und am Erfolg bis heute „mitgestrickt“ zu haben – ist schon eine Ehre besonderer Art.
Horst Milde
Die Aktivitäten vom BERLIN-MARATHON für AIMS
3. World Congress of AIMS – 26./27. September 1985 – Hotel Intercontinental Berlin
Peter Christ (Berlin) wird zum Schatzmeister von AIMS berufen
12. World Congress of AIMS – 1./2. Oktober 1999 Kosice
Horst Milde wird in das AIMS Board of Directors gewählt
19. World Congress of AIMS im Mai 2012 in Prag
Mark Milde wird in das AIMS Board of ‚Directors gewählt
In Berlin fanden mehrere AIMS Board Meetings statt.
Das Sportmuseum Berlin wird 1994 zum AIMS Museum of Running berufen – Foto: Gerd Steins, Berlin
Horst Milde, Berlin ist der AIMS Coordinator für das AIMS Marathoneum.
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