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19
07
2022

Das war’s dann: Allyson Felix nach ihrem letzten Wettkampf - 2022 Rome Diamond League Rome, Italy June 9, 2022 Photo: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com www.photorun.NET #victahsailer

Abschied von Allyson Felix: „Eine unglaubliche Reise“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Bei der WM in Eugene endet die sagenhafte Karriere der Allyson Felix. Zum Schluss holt die größte Leichtathletin der Gegenwart ihre 19. WM-Medaille. Doch sie hinterlässt mehr als ein sportliches Erbe.

Die letzte Medaille ist eine bronzene. Allyson Felix, die erfolgreichste, die größte Leichtathletin der Gegenwart, hat sich bei der Weltmeisterschaft in Eugene (Oregon), ihrer zehnten, am Freitagabend mit der neunzehnten Weltmeisterschaftsmedaille ihrer Karriere von ihrem hingerissenen Publikum verabschiedet.

Als Elija Godwin, der Startläufer der favorisierten amerikanischen Mixed-Staffel über 4x 400 Meter sie mit deutlichem Vorsprung auf die zweite Runde schickte, wirkte sie leichtfüßig wie eh und je. Doch auf der ersten langen Gerade, die immer länger zu werden schien, holten das Alter von 36 Jahren und Marileidy Paulino aus der Dominikanischen Republik sie ein.

Die letzten Meter sind zu lang

Vernon Norwood brachte die Staffel, Olympiasieger und Weltmeister von Doha 2019, wieder in Front, dann wurden die letzten 400 Meter auch Kennedy Simon zu lang. Kurz vor dem Ziel zogen Fiordaliza Cofil aus der Dominikanischen Republik und der Schlussläuferin der Niederlande, die Hürdenläuferin Femke Bol, an ihr vorbei.

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Enttäuschung und Bewunderung für die vielleicht doch nicht ewig junge Allyson Felix hielten sich die Waage. Die 3:09,82 Minuten der Dominikanischen Republik waren Weltjahresbestleistung. Die deutsche Mixed-Staffel um Patrick Schneider, Corinna Schwab, Marvin Schlegel und Alica Schmidt verpasste die Qualifikation für das Finale.

„Der Kreis schließt sich“

„Es ist eine unglaubliche Reise gewesen“, sagte Felix vor dem Rennen über ihre Karriere, die mit diesem Rennen zu Ende gegangen ist: „Es gab viele Aufs und Abs. Ich liebe den Sport so sehr. Er hat mir so oft das Herz gebrochen, aber es gab auch so viele freudige Momente. Der Kreis schließt sich mit dieser Weltmeisterschaft zu Hause.“ Der Sport werde ihr fehlen, aber sie könne sich auch keinen besseren Abschied vorstellen als diesen, mit einem Herzen voller Dankbarkeit.

Über 200 und über 400 Meter wurde Allyson Felix in ihrer mehr als zwei Jahrzehnte langen Karriere Weltmeisterin, unter 18 sogar über 100 Meter. Das war 2001 in Debrecen. Bei den Olympischen Spielen von London 2012 gewann sie die Goldmedaille über 200 Meter. Vor allem aber hat sich die elegante Läuferin aus Kalifornien in der von Individualisten geprägten Leichtathletik als Mannschaftssportlerin bewiesen.

Sechs ihrer sieben Olympiasiege errang sie in Staffeln. Ihr erster großer internationaler Erfolg war der Gewinn der Silbermedaille über 200 Meter bei den Sommerspielen von Athen 2004; sie war achtzehn Jahre alt. Bei den Olympischen Spielen von Tokio 2021 wurde sie mit 35 Dritte über 400 Meter und siegte mit der 4x 400-Meter-Staffel. Mit elf olympischen Medaillen übertrifft sie Carl Lewis, der auf zehn kommt. Mit zwölf Weltmeister-Titeln übertrifft sie Usain Bolt; er kommt auf elf.

Wegbereiterin gesellschaftlichen Fortschritts

Mindestens gleiches Gewicht wie die phänomenalen sportlichen Leistungen hat das, was die Mutter der bald vier Jahre alten Camryn, als Aktivistin und Unternehmerin an sportpolitischem und gesellschaftlichen Fortschritt initiiert hat. Sie stand auf gegen Sponsoren, die Sportlerinnen mit Gehaltsreduzierung dafür bestraften, dass sie schwanger wurden.

Wie sie, eine junge, schwarze Frau, es allein mit dem Sportartikel-Giganten Nike aufgenommen habe, das nötige aller Welt Respekt ab, schwärmte Sprinter Noah Lyles in der Pressekonferenz der amerikanischen Mannschaft – sponsored by Nike. Für die Regierung von Barack Obama warb sie für Freizeitsport und gesunde Ernährung.

Die engagierte Christin setzt sich, seit ihre Tochter mit einem Kaiserschnitt gerettet werden musste, für die Rechte von schwarzen Frauen und gegen deren überdurchschnittlich hohe Sterblichkeit in der Schwangerschaft und bei der Geburt ein. Sie organisiert ein Programm zur Kinderbetreuung von Sportlerinnen und Sportlern, Trainern und Betreuern im Sport. Zwei Jahre nach ihrer Trennung von Nike hat sie einen Sportschuh – „von Frauen entworfen für Frauen“ – namens Saysh auf den Markt gebracht.

2020 und 2021 zählte das Time Magazine sie zu den hundert einflussreichsten Menschen. In diesem Jahr verlieh ihr die University of Southern California, an der sie Pädagogik für die Grundschule studiert hat, den Ehrendoktor und ließ sie, eine fast noch größere Ehre, die commencement speech halten, die Rede an die Absolventen. „Ich hoffe, dass man sich an mich als starke Wettkämpferin erinnert“, sagte sie:

„Am wichtigsten: Ich versuche, den Sport besser zu hinterlassen als ich ihn vorfand; ich unterstütze weibliche Athleten und Frauen generell und kämpfe für mehr Gleichheit.“

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonnabend, dem 16. Juli 2022

 

author: GRR