Den krönenden Abschluss für die deutsche Mannschaft schaffte dann Speerwerfer Matthias de Zordo
Abend in Bronze mit Silberglanz in Barcelona – Wolfram Marx berichtet
Nach dem erfolgreichen vierten Tag der Europameisterschaften mit vier Medaillen für die deutsche Mannschaft, mussten die deutschen Sprinterinnen am fünften Tag eine große Enttäuschung hinnehmen. Die hochgehandelte und mit sehr guten Medaillenchancen bedachte deutsche Sprintstaffel der Frauen schied bereits im Vorlauf aus. Bis zum letzten Wechsel lief alles perfekt, die Staffel führte das Rennen an, dann passierte das Unglück.
Anne Möllinger (MTG Mannheim) wollte den Staffelstab an ihre Vereinskollegin, Einzel-Europameisterin Verena Sailer, übergeben. Der erste Versuch klappte nicht richtig, beim zweiten Zupacken kam Möllinger ins Straucheln und stürzte zu Boden. „Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Es hat alles gepasst. Ich weiß auch nicht, wie ich gestürzt bin, ob ich gestrauchelt bin oder was es war“, sagt eine mit den Tränen kämpfende und völlig niedergeschlagene Möllinger nach dem Rennen. Es sei kein Problem, dass Sailer den Stab beim ersten Mal nicht richtig fassen konnte, das passiere immer wieder und mache nichts aus.
Auch Sailer konnte es nicht erklären. „Ich habe den Stab gespürt, aber nicht richtig zu fassen bekommen. Dann habe ich mich umgedreht und Anne auf dem Boden liegen sehen.“ Schuld hätten sie beide. Für Sailer war es nach eigenen Angaben ein Déja-Vu, denn bereits vor vier Jahren bei der EM in Göteborg war die deutsche Staffel nach einem geplatzten Wechsel ausgeschieden.
Besser machten es die anderen deutschen Staffeln, die sich alle mühelos für ihre Endläufe am Sonntag qualifizierten und insbesondere der 4×400-Staffel der Frauen ist eine Medaille zuzutrauen. Hürdenläuferin Fabienne Kohlmann wurde im Vorlauf noch nicht eingesetzt. Das Finale am Schlusstag erreichten auch Diskuswerfer Robert Harting (Berlin) als Bester der Qualifikation wie auch Martin Wierig (SC Magdeburg). Ausgeschieden ist Markus Münch (LG Wedel-Pinneberg).
Eine weitere Medaille für den deutschen Wurfbereich gab es aber auch an diesem vorletzten Wettkampftag an der spanischen Mittelmeerküste. „Dauerbrenner“ Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) sicherte sich mit 20,93 Metern, wie schon so oft, im letzten Versuch eine weitere Medaille und erfüllte sich damit seinen sportlichen Wunschtraum für die EM. Der Titelverteidiger gewann damit sein fünftes Edelmetall seit 2002 bei internationalen Freiluftmeisterschaften, zum dritten Mal bei europäischen Titelkämpfen. Einen hervorragenden fünften Platz belegte David Storl (LAC Erdgas Chemnitz).
Der 20-Jährige, der jüngste Teilnehmer im Finale, hatte seinen besten Stoß mit 20,57 Metern im fünften Versuch, doch auch seine anderen gültigen Versuche landeten jenseits der Weite von 20,24 Meter. „Ich wollte zwar an meine Bestleistung (20,77 Meter) herankommen, doch ich bin zufrieden. Mein Ziel war ein Platz unter den ersten sechs“, so Storl nach dem Wettkampf. Den Titel sicherte sich der Weißrusse Andrei Mikhnevich mit 21,01 Metern vor dem Polen Tomasz Majewski mit 21,00 Metern.
Spannend machten es wieder einmal die deutschen Stabhochspringer und am Ende standen sie, medaillenseitig gesehen, mit leeren Händen da. Fabian Schulze (LG Stadtwerke München) benötigte über 5,60 und 5,70 Meter jeweils drei Versuche, Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) rutschte bei seinem ersten Versuch über 5,70 Meter ab, den zweiten brach er in der Luft ab, den dritten riss er. Damit belegte er am Ende den neunten Rang. Schulze hatte dann einen weiteren Fehlversuch über 5,75 Meter, hob sich die beiden restlichen Versuche für 5,80 auf, schaffte die Höhe aber nicht.
Den bronzenen Abend für die deutsche Mannschaft vervollständigten Carolin Nytra (Bremer LT) und Jennifer Oeser (TSV Bayer 04 Leverkusen). Nytra, als europäische Jahresbeste über 100 Meter Hürden angereist, war im Ziel kurze Zeit enttäuscht. Sie hatte sich einen spannenden Kampf mit der Irin Derval O'Rourke geliefert und dachte, sie hätte Silber gewonnen, bis sie nach ihrem Sturz im Ziel die jubelnde Türkin Yanit Nevin sah, die während des Laufs nicht richtig in ihrem Blickfeld gewesen war. „Da war ich kurzzeitig enttäuscht, dass es „nur“ Bronze war. Als ich dann auf der Ehrenrunde war, habe ich mir gesagt, dass es mein Ziel war, hier eine Medaille zu holen. Ich hatte eine so starke Saison mit einer Bombenbestzeit, daher bin ich sehr zufrieden. Auch vom Rennen hat alles gepasst.“ Das zeigt auch ihre Zeit von 12,68 Sekunden. Die Siegerin erzielte in 12,63 einen neuen Landesrekord, ebenso wie die Zweite in 12,65 Sekunden. Nun hofft Nytra auf eine „Revanche“ gegen die beiden in einem der nächsten Meetings.
Bronze gab es am Ende zweier Wettkampftage auch für Siebenkämpferin Jennifer Oeser. Sie erzielte 6.683 Punkte und stellte damit eine neue persönliche Bestmarke auf, in den sieben Disziplinen war es insgesamt vier neue Bestleistungen. Über diese und die resultierende Punktezahl war die Leverkusenerin selbst überrascht. „Das ist Wahnsinn, keine Ahnung, wie ich das gemacht habe. Ich hatte 6.500 Punkte im Hinterkopf.“ Ihre erzielte Punktzahl ist für sie eine Bestätigung des vergangenen Jahres, als sie bei der WM in Berlin Silber gewann.
Gold uns Silber gingen an Jessica Ennis (Großbritannien), die mit 6.823 Punkten einen neuen Meisterschaftsrekord erzielte, und die Ukrainerin Nataliya Dobrynska mit 6.778 Punkten. Die beiden anderen Deutschen, Maren Schwerdtner (Hannover 96) und Claudia Rath (LG Eintracht Frankfurt) wurden mit 6.167 respektive 6.107 Punkten Neunte und Elfte.
Den krönenden Abschluss für die deutsche Mannschaft schaffte dann Speerwerfer Matthias de Zordo (SV Schlau.com Saar 05 Saarbrücken). In einem sensationellen Wettkampf sicherte er sich hinter dem Norweger Andreas Thorkildsen mit 87,81 Metern die Silbermedaille. Damit steigerte er seine persönliche Bestleistung gleich um mehr als drei Meter. Insgesamt waren drei Würfe des 22-Jährigen über der alten Bestmarke, schon der erste landete bei 86,22 Metern. „Ich kann es nicht glauben, dabei hatte ich heute morgen so schwere Beine. Und dann habe ich die Speere heute super getroffen und war auch sehr schnell im Anlauf. Da hat einfach alles gepasst.“
Den Abschluss des Wettkampftages zauberte aber 10.000 Meter-Europameister Mo Farah (Großbritannien) beim 5.000 Meter-Finale auf die blaue Bahn des an diesem Tag mit 38.500 Zuschauern gut gefüllten und stimmungsvollen Olympiastadions. Der Brite zeigte seine Ausnahmestellung im europäischen Langstreckenlauf und machte das Rennen zu einer Demonstration der Stärke. Nach einem verhaltenen Beginn mit einem ersten Kilometer in 2:50,38 Minuten. Nachdem der spanische Cross-Europameister Alemayehu Bezabeh nach rund 3.000 Metern das Tempo angezogen hatte, übernahm Farah kurz vor dem vierten Kilometer das Kommando.
Er steigerte das Tempo und absolvierte die letzten beiden Runden in 59,16 und 56,68 Sekunden. Nur der Spanier Jesus Espana und der Aserbaidschaner Hayle Ibrahimov konnten ihm noch folgen, waren ihm am Ende bei seinem letzten Antritt rund 150 Meter vor dem Ziel auch nicht gewachsen. Am Ende überquerte er nach 13:31,18 jubelnd als Erster die Ziellinie. Espana überspurtete letztlich noch Ibrahimov und gewann mit 13:33,12 Silber, Bronze holte sich der Aserbaidschaner in 13:34,15.
Der einzige deutsche Teilnehmer Arne Gabius (LAV asics Tübingen) belegte in 13:59,11 Platz zwölf. „Bis 3.000 habe ich mich gut verhalten, dann habe ich den entscheidenden Punkt verschlafen, als das Tempo verschärft wurde. Ich hab's noch versucht, die Lücke wieder zu schließen, aber es hat nicht mehr gereicht.“ Gabius ist denn auch voller Bewunderung für Farah. „Ich hatte ihm den Doppelsieg über 5.000 und 10.000 zugetraut. Er ist sehr stark. Er wird der nächste, der 10.000 unter 27 Minuten und 5.000 unter 13 Minuten laufen wird.“
Mit seiner eigenen EM war der Tübinger zufrieden. „Ich hatte einen guten Vorlauf, da hat alles gepasst und er war nicht so weit weg von meiner Bestzeit.“ Nur sein ursprüngliches Ziel, Achter zu werden, hat er als Zwölfter des Endlaufs verpasst.
Wolfram Marx