Einen Europameister im Kugelstoßen zu haben, ist eine schöne Sache, aber so stark kann er allein nicht sein, um die deutschen Leichtathleten vor bösen Vorwürfen zu beschützen. Die Deutschen könnten nur noch Sachen wegwerfen heißt es, Kugeln, Speere, Hämmer, Disken.
Mehr als nur Wegwerfen – Friedhard Teuffel im TAGESSPIEGEL über die jüngsten Erfolge der deutschen Leichtathleten in Göteborg
Das ist fast noch schlimmer als der Reim, den man sich auf deutsche Erfolge beim Biathlon gemacht hatte: Schießen und weglaufen sei seit jeher eine besondere Stärke der Deutschen.
Bei den vergangenen Weltmeisterschaften haben die deutschen Leichtathleten alles dafür getan, um das Vorurteil zu bestätigen: Fünf Medaillen gewannen sie, alle fünf in den Wurfdisziplinen. Aber es ist zu wenig, nur ein Drittel des olympischen Leitspruchs höher, schneller, weiter zu erfüllen.
Umso besser war der Start jetzt bei den Europameisterschaften in Göteborg. Jan Fitschen war der Schnellste über zehn Kilometer. Das ist eine große Genugtuung, denn Erfolge in Disziplinen mit Massenanhang zählen besonders viel, und die Deutschen sind längst ein Volk von Freizeitjoggern geworden.
Außerordentliche Bedeutung
Dazu kamen Platz drei und vier der Siebenkämpferinnen Lilli Schwarzkopf und Jennifer Oeser, auch dieser Erfolg hat eine außerordentliche Bedeutung. Denn vielseitig aktiv zu sein, ist genauso ein Ideal, wie ausdauernd zu sein.
Auch wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen Fitschens Goldlauf nicht bundesweit übertrug, wird sich schnell herumgesprochen haben, dass die Leichtathletik in Deutschland immer noch am Leben ist. Gut möglich, dass die olympische Kernsportart jetzt wieder an Attraktivität gewinnt, weil der Reiz der natürlichsten menschlichen Bewegung, des Laufens, länger anhält als bei reizüberflutenden Sportarten mit lauter Musik und schnellem Ende.
Und vielleicht gelingt es den deutschen Leichtathleten demnächst auch bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen, keine Erfolge zum Wegwerfen zu produzieren, sondern zum Wiederverwerten.
Friedhard Teuffel
Der TAGESSPIEGEL
Donnerstag, 10. August 2006