29 Athleten ist sicherlich viel, gemessen an der bisherigen Erfolgsbilanz bei den vergangenen EM-Titelkämpfen. Dies vor dem Hintergrund, dass Crosslaufen in Deutschland keineswegs die Tradition kennt wie dies bei unseren westlichen Nachbarn in reichem Maße der Fall ist
Befreiungsschlag (teilweise) missglückt – Ein Kommentar zur Nominierung des DLV zur Cross-Europameisterschaft am 10. Dezember
Auf den ersten Blick sieht die Nominierung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) von 29 Athleten für die Cross-Europameisterschaften am 10. Dezember in San Giorgio wie ein kleiner Durchbruch für den Crosslauf aus.
29 Athleten ist sicherlich viel, gemessen an der bisherigen Erfolgsbilanz bei den vergangenen EM-Titelkämpfen. Dies vor dem Hintergrund, dass Crosslaufen in Deutschland keineswegs die Tradition kennt wie dies bei unseren westlichen Nachbarn in reichem Maße der Fall ist. Wie es Langstrecken-Bundestrainer Detlef Uhlemann auch am Rande des Darmstadt-Cross, dem einzigen Qualifikationsrennen im Vorfeld des Europa-Championats nahe Mailand, formulierte, ist Cross hierzulande vorrangig Mittel zum Zweck, um den deutschen Mittel- und Langstreckenlauf für die Bahn- und nachrangig auch Straßenlauf-Saison auf die Sprünge zu helfen.
Der erste Blick trügt
Doch zurück zur Nominierung und hier trügt der der erste Blick. Bedingt durch die Premiere der U 23-Wettbewerbe und der Grundaussage, die Wettbewerbe der jüngeren Jahrgänge so weit wie möglich zu beschicken, erhöht sich freilich die Gesamtzahl der berufenen Athleten um zwölf, so dass für die bislang durchgeführten Wettbewerbe der Männer, Frauen, männlichen und weiblichen Jugend noch 17 Athleten verbleiben.
Angesichts der jeweils mit sechs Jugendlichen beider Geschlechts beschickten U 19-Wettbewerbe bleibt dann allerdings nur noch ein kleiner Rest von nur fünf Athleten. Fünf Athleten für die Wettbewerbe der Männer und Frauen – ein letztlich vernichtendes Urteil über das Leistungsniveau unserer „Aktiven“.
Michael Schering
Dass man ein Greenhorn wie den in Darmstadt so überzeugenden Michael Schering in seinem ersten internationalen Einsatz als Einzelläufer ins Rennen schicken möchte, das befremdet schon etwas. Uhlemann hat Recht, wenn er sagt, dass die Nominierung von U 23-Mannschaften die Aktiventeams schwäche.
Namen wie Steffen Uliczka oder Ingalena Heuck und Verena Dreier tauchen nämlich in der Juniorenequipe und nicht in der Männer- bzw. Frauenmannschaft auf. Doch beim DLV hat man ein ganz anderes Problem. Nämlich das, gestandene Athleten wie den 31jährigen Cross-Haudegen Oliver Mintzlaff zu nominieren, der in Darmstadt einen exzellenten Beweis seiner kämpferischen Güte ablieferte.
Zumal diese wie es Mintzlaff nun einmal tut, alleine auf die Karte Cross setzen und ansonsten, so der Bundestrainer, für die Langstrecke keine Impulse mehr setzt.
Es ist müßig, die Zahl derer aufzulisten, die derzeit nicht für Cross-Europameisterschaften zur Verfügung stehen. Fakt ist, sie sind eben nicht einsatzbereit. Und eben das wirft einen langen Schatten auf die aktuelle Situation im Mittel- und Langstreckenbereich. Die Decke ist dünn – und das wissen wir nicht erst seit gestern. Und sie wird dünner, wenn gestandene Läufer wie Sabrina Mockenhaupt oder eine Ulrike Maisch Nein sagen. Oder aufstrebende Athleten in einer U 23-Mannschaften ihre Chance unter Altersgenossen suchen werden. Wenn hier immer wieder auch ein Name wie der Überraschungs-Europameister Jan Fitschen fällt, ist dies freilich fahrlässig. Denn der Wattenscheider jedenfalls hat noch keine Cross-EM mitgemacht.
Deshalb sollte man hier auch Äpfel und Birnen nicht einen Korb werfen.
Nur das Minimum nominiert
Mit Susanne Hahn, Birte Bultmann, Stephanie Beckmann und der jungen, in den Vereinigten Staaten studierenden GRR-Preisträgerin Julia Viellehner hat der DLV nur das Minimum nominiert. Einer weiteren Absicherung durch beispielsweise der inzwischen beim Berglauf bestens angekommenen Potsdamerin Anja Carlsohn wäre hier durchaus machbar gewesen.
Der Jugend gehört die Zukunft. Und hier haben die Verantwortlichen des DLV ganze (Nominierungs-)Arbeit geleistet und die Verantwortung für komplette Mannschaften übernommen. Weitgehend unbekannte Athleten wie Benjamin Lindner, Heike Bienstein oder Sinja Trotter bekommen eine Chance. Nun liegt es vorrangig an den Athleten selbst, durch tadellosen kämpferischen Einsatz ihre Nominierung ins Nationalteam zu rechtfertigen. Die Cross-EM jedenfalls ist das rechte Terrain, um mit Talent, Mut und Zuversicht den Kampf unter seinesgleichen aufzunehmen.
Wilfried Raatz
Das Aufgebot des Deutschen Leichtathletik-Verbandes für die Cross-Europameisterschaften am 10. Dezember in San Giorgio su Legnano:
Männer (9.950 m): Michael Schering (LAZ Leipzig)
Frauen (8.030 m): Birte Bultmann (LG Braunschweig), Susanne Hahn (SV Schlau.com Saar 05), Stephanie Beckmann (LG Leinfelden-Echterdingen), Julia Viellehner (TSV Winhöring)
Männer/ U23 (8.030 m): Steffen Uliczka (SG Kronshagen/Kiel), Christian Glatting (LSG Aalen), Paul Schmidt (Dresdner SC), Christian Stanger (LG Leinfelden-Echterdingen), Ricardo Giehl (TSV Bayer Leverkusen), Benjamin Lindner (SC DHfK Leipzig)
Frauen/ U23 (5.975 m): Verena Dreier (LG Sieg), Ingalena Heuck (LG Würm Athletik), Heike Bienstein (LG Olympia Dortmund), Kerstin Marxen (TSV Bayer Leverkusen), Sinja Trotter (LAV asics Tübingen), Saskia Janssen (TSV Bayer Leverkusen)
Junioren/ U20 (5.975 m): Alexander Hahn (TSV Bayer Leverkusen), Johannes Raabe (LG Hannover), Fynn Schwiegelshohn (LG Olympia Dortmund), Matti Markowski (OSC Berlin), Thorsten Baumeister (PST Trier), Manuel Stöckert (TSV Ostheim/Rhön)
Juniorinnen/ U20 (4.100 m): Julia Hiller (LAC Quelle Fürth/Mü./Wü.), Cornelia Schwennen (SV Conc. Emsbüren), Mira Glocker (LAV asics Tübingen), Katharina Heinig (LG Fulda), Carolin Aehling (LG Coesfeld), Anke Gäbler (SG Motor Gohlis-Nord Leipzig)