Wie soll der Staat dem Sport zu Hilfe kommen? Das bestehende System der Trainings- und Wettkampfkontrollen reicht nicht aus. Also brauchen wir jetzt einen Strukturwandel in der Dopingbekämpfung, eine Partnerschaft mit dem Staat.
Der Staat bestraft besser – DLV-Präsident Prokop fordert politisches Handeln – DOSB-Generaldirektor Vesper verteidigt das System – Friedhard Teuffel im TAGESSPIEGEL
Herr Prokop, muss der Sport einsehen, dass er das Dopingproblem alleine nicht lösen kann?
Wir haben als Deutscher Leichtathletik-Verband mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, das Problem zu erledigen. Aber das bestehende System der Trainings- und Wettkampfkontrollen reicht nicht aus. Also brauchen wir jetzt einen Strukturwandel in der Dopingbekämpfung, eine Partnerschaft mit dem Staat.
Wie soll der Staat dem Sport zu Hilfe kommen?
Der Staat hat die Möglichkeiten, Durchsuchungen vorzunehmen, Beweismittel zu beschlagnahmen, Telefone abzuhören und damit den Hintergrund des Dopings, sprich die Netzwerke aufzudecken. Dieses überlegene Instrumentarium muss der Staat anwenden.
Soll der Staat auch den Athleten bestrafen?
Ich habe wenig Verständnis dafür, dass man in einem Netzwerk nur die Trainer, Betreuer, Ärzte und Dealer bestraft, aber nicht die Hauptperson. Der Athlet kann bis zuletzt alleine entscheiden, ob er sich mit hinabziehen lässt in den Dopingsumpf oder nicht. Er ist auch derjenige, der die größten materiellen Vorteile aus diesem Betrug zieht. Durch die Einbeziehung des Athleten in die staatliche Strafverfolgung erhoffe ich mir zweierlei: verbesserte Aufklärungsmöglichkeiten und eine höhere Abschreckung.
Die bisherige Rechtslage, die nur die Abgabe von Dopingmitteln an Sportler unter Strafe stellt, hat sich in den acht Jahren ihres Bestehens als wirkungslos im Kampf gegen Doping erwiesen. Denn die fehlende Strafbarkeit des Sportlers hat die Durchführung von Strafverfahren schlichtweg verhindert.
Soll der Besitz von Dopingsubstanzen straffrei bleiben?
Es ist für mich eine unerträgliche Situation, dass ein Trainer mit einem Koffer voller Dopingmittel davonkommt, wenn er einfach behaupten kann, die Substanzen seien für den Eigenbedarf. Mit der Besitzstrafbarkeit kann sich keiner mehr entziehen. So hat es im Prinzip auch das letzte Präsidium des Deutschen Sportbundes gesehen, als es eine Empfehlung der Rechtskommission des Sports gegen Doping aufnahm und eine Strafbarkeit des Besitzes zumindest von anabolen Steroiden gefordert hat.
Kann der Kampf gegen Doping auch ohne Besitzstrafbarkeit effizient geführt werden?
Gerade die Vergangenheit zeigt, dass es ohne diese staatliche Hilfe nicht geht. Es wird keine Fortschritte geben. Viele Dopingsubstanzen sind nicht nachweisbar, und bisher haben wir erst eine Verurteilung nach bestehendem Recht gehabt, das war der Fall Springstein. Dieser Fall darf aber keine Ausnahme bleiben, er muss zum Regelfall werden.
Wie wollen Sie Ihre Maßnahmen durchsetzen?
Mit Argumenten. Ich gebe zu, dass innerhalb des Sports bislang keine Mehrheit für unsere Position besteht. Aber der Ball liegt jetzt im Strafraum der Politik. Sie muss jetzt entscheiden. Ich habe auch einen ziemlich unverdächtigen Schiedsrichter, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Er hat schließlich gesagt, dass die Argumente für eine Besitzstrafbarkeit besser sind als die dagegen.
DOSB-Generaldirektor Vesper verteidigt das System
Herr Vesper, muss der Sport einsehen, dass er das Dopingproblem alleine nicht lösen kann?
Er hat nie das Gegenteil behauptet. Weder Sport noch Staat können Doping allein erfolgreich angehen, sie müssen zusammenarbeiten. Dabei sollte jeder das tun, was er am besten kann.
Wie soll der Staat dem Sport zu Hilfe kommen?
Der Staat sollte sich vor allem um die Hintermänner des Dopings kümmern, um die Netzwerke. Hier handelt es sich zunehmend um organisierte Bandenkriminalität. Das maximale Strafmaß für Dopingverbrechen im Arzneimittelgesetz sollte daher von drei auf zehn Jahre erhöht werden. Das würde dazu führen, dass der Staat mit der gesamten Palette der Ermittlungsmöglichkeiten gegen die Täter vorgehen kann, einschließlich Telefonüberwachungen und Durchsuchungen.
Soll der Staat auch den Athleten bestrafen?
Der Staat bestraft keine Berufsgruppen, sondern gesetzwidrige Taten. Selbstverständlich werden auch Athleten bestraft, wenn sie Dopingsubstanzen in Verkehr bringen – und das ist auch gut so. Anders als der Staat setzt das Sportrecht bei der „strict liability“ an, der vollen Verantwortung des Sportlers für alles, was sich in seinem Körper befindet. Der überführte Athlet wird durch eine sofortige, international wirkende Wettkampfsperre von in der Regel zwei Jahren sehr drastisch bestraft.
Soll der Besitz von Dopingsubstanzen straffrei bleiben?
Um diese Frage zu klären, haben wir eine Expertenkommission eingesetzt. Sie hat dem DOSB-Präsidium bei einer Gegenstimme empfohlen, eine solche Besitzstrafbarkeit nicht vorzusehen. Ich halte das auch für richtig: Erstens würden parallele Verfahren vor staatlichen Gerichten die Sportgerichtsbarkeit in der Praxis schwächen. Zweitens sind die Strafen des Sports jedenfalls bei Erstvergehen direkter und härter als die des Staates, der dann in der Regel mit Geldbußen oder Bewährungsstrafen arbeitet. Und drittens sind die Staatsanwaltschaften und Gerichte schon heute so überlastet, dass die meisten Verfahren eingestellt werden und die übrigen oft Jahre bis zu einem rechtskräftigen Urteil benötigen.
Kann der Kampf gegen Doping auch ohne Besitzstrafbarkeit effizient geführt werden?
Eindeutig ja. Unser Zehn-Punkte-Aktionsplan zeigt eine ganze Reihe von Ansätzen auf, und ich bin froh, dass es hierüber ein überwältigendes Einvernehmen mit der Politik gibt. Von der Prävention über verstärkte Kontrollen, die ja allein zur Überführung von Tätern führen, bis hin zur Verschärfung von Strafen schlagen wir eine Menge Aktionen vor.
Wie wollen Sie Ihre Maßnahmen durchsetzen?
Zunächst hoffe ich, dass die Mitgliederversammlung des DOSB unsere Position mit großer Mehrheit stützt. Mit einer solchen Unterstützung können und werden wir unsere Forderungen gegenüber der Politik vertreten. Ich bin ziemlich erschüttert, dass von einzelnen SPD-Politikern wie deren haushaltspolitischem Sprecher Carsten Schneider versucht wird, den DOSB zu erpressen – nach dem Motto: Wenn ihr euch nicht wohl verhaltet und nicht das tut, was ich will, dann kürzen wir euch die Fördergelder.
So kann die Zusammenarbeit gewiss nicht aussehen.
Friedhard Teuffel
DER TAGESSPIEGEL
Freitag, dem 8. Dezember 2006