In Kenia herrscht großer Ärger über die vielen Langläufer, die für viel Geld - und manchmal nur für das Versprechen von viel Geld - in die Golfstaaten und andere Länder gewechselt sind.
Politischer Hindernislauf – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) – Muchero reiste aus Bahrein in den Urlaub heim nach Kenia
Der Sportminister Kenias, Maina Kamanda, plädiert dafür, Leonard Mucheru gnädig wieder in der Heimat aufzunehmen: aus humanitären Gründen. Wie vertrackt die Lage ist, zeigt allein schon, dass Kamanda den Läufer Mushir Salem Jawher nennt.
Diesen Namen nahm Mucheru vor drei Jahren an, als er Staatsbürger von Bahrein wurde. Das aber ist er nicht mehr. Weil er in der vergangenen Woche sein Debüt als Marathonläufer ausgerechnet in Israel gab, das Rennen um den See Genezareth gewann und daraufhin fröhlich Interviews gab über das friedliche Zusammenleben der Menschheit im 21. Jahrhundert und seine Rolle als erster arabischer Leichtathlet, der in Israel startet, entzog ihm Bahrein Pass, Staatsbürgerschaft und großzügige Förderung.
Sport ist Geschäft, ist Politik, ist letztlich Fassade
Vor allem Letzteres wird es gewesen sein, was Mucheru an dem Inselreich im Golf reizte. Er dürfte in seiner grenzenlosen und deshalb grenzüberschreitenden Naivität geglaubt haben, Bahrein sei so etwas wie seinerzeit der Leichtathletikverein Asics Rehlingen, für den er, noch als Kenianer, startete. Er habe nicht geahnt, sagte er einer kenianischen Zeitung, dass er nicht in Israel hätte starten dürfen.
Gut möglich. In Israel sagte er Reportern, er, Mushir Salem Jawher, sei Katholik.
Bahrein mag ein Königreich von großem Reichtum sein und wegen seines machtlosen Parlaments und des Hafens für die amerikanische Kriegsmarine als liberalstes Land am Golf gelten. Doch nur zum Spaß investiert der Staat mit seinen 800.000 Einwohnern nicht in den Spitzensport. Ob er die Fußballtrainer Hans-Peter Briegel und Monika Staab verpflichtet, ob er Formel-1-Rennen oder Schachturniere ins Land holt oder zwei Dutzend Läufer aus Kenia, Äthiopien und Marokko zusammenkauft – neben dem womöglich ganz persönlichen Triumphgefühl der Herrscherfamilie dient dies vor allem der Imagepflege.
Was wirkt jünger, zeitgemäßer und moderner als Sport? Doch all dies, auch der Gewinn der Asienmeisterschaft über 3000 Meter durch Mushir Salem Jawher im vergangenen Jahr, ist Geschäft, ist Politik, ist letztlich Fassade.
Mucherus Rolle als abschreckendes Beispiel
In Kenia herrscht großer Ärger über die vielen Langläufer, die für viel Geld – und manchmal nur für das Versprechen von viel Geld – in die Golfstaaten und andere Länder gewechselt sind. Nicht wenige leben, obwohl sie die kenianische Staatsbürgerschaft aufgegeben haben, weiterhin mit ihren Familien in der alten Heimat. Auch Muchero reiste aus Bahrein in den Urlaub heim nach Kenia – und flog mit einem kenianischen Pass nach Israel. Nun versteckt er sich bei Verwandten, weil er fürchtet, ausgewiesen zu werden.
Minister Kamanda hat recht, wenn er um Mitgefühl und Gnade für Mucheru bittet. Die Prämien und Gehälter, die die Scheichs Langläufern aus der Dritten Welt bieten, wirken nicht nur unanständig, sondern fast wie Erpressung: Wer an das Wohl seiner Familie denkt, kann solche Angebote kaum ablehnen. Deshalb sollte Mucheru sogar belohnt werden: für seine Rolle als abschreckendes Beispiel.
Sollte er die Möglichkeit bekommen, auch legal nach Kenia zurückzukehren, so müsste er sich wegen der Wechselsperre zwar den Start bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in diesem und bei den Olympischen Spielen im kommenden Jahr aus dem Kopf schlagen. Aber er hat schließlich der Welt deutlich gemacht, dass es manchmal um alles andere geht als um Sport, wenn ein Athlet für viel Geld das Trikot wechselt.
Michael Reinsch
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Freitag, dem 12. Janauar 2007
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