Es könnte die Reaktion sein auf einen Fernsehbeitrag der ARD Im Januar. Darin war davon die Rede, dass Dopingkontrolleure die Athleten häufig nicht am angegebenen Ort antreffen und daher ihrer Aufgabe nicht nachkommen können.
Dopingjäger unter Beschuss – Nada-Geschäftsführer Augustin wird wohl abgelöst – vier Vorstandsmitglieder sollen mit ihm gehen – Friedhard Teuffel im TAGESSPIEGEL – Bedrohte Unabhängigkeit
Berlin – Die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) hat sich zuletzt als dritte Säule des deutschen Sports aufstellen wollen, neben dem Deutschen Olympischen Sportbund und der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Diese Säule wackelt gerade kräftig, sie wird erschüttert durch eine umfassende Personaldiskussion.
Bei der gemeinsamen Sitzung von Kuratorium und Aufsichtsrat an diesem Donnerstag soll Geschäftsführer Roland Augustin abgelöst werden. Das bestätigte ein Nada-Mitarbeiter.
Es ging um 400 Fälle im vergangenen Jahr. Die Nada korrigierte diese Zahl zwar bei einer Anhörung im Sportausschuss des Deutschen Bundestags auf 201 nach unten und versprach, die übrig gebliebenen Fälle aufzuarbeiten. Die Kritik entkräften konnte die Agentur jedoch nicht.
Es blieb der Vorwurf, dass die Nada nicht die Verbände über die versäumten Trainingskontrollen informiert habe. Diese Kritik blieb an Geschäftsführer Augustin hängen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, sagte er, „es gab eine juristische Lücke, deshalb konnte man viele Fälle nicht konsequenter angehen.“
Macht hatte Augustin da schon verloren, denn der seit Dezember amtierende Vorsitzende Armin Baumert, früher Leitender Leistungssportdirektor im Deutschen Sportbund, arbeitet für die Nada im Gegensatz zu seinem Vorgänger Peter Busse hauptamtlich. Busse kritisierte Baumert nun im Bonner „General-Anzeiger“ für dessen Vorhaben, Augustin abzulösen. Man solle sich lieber an einen Tisch setzen, um eine gemeinsame Lösung zu suchen, sagte Busse, der durch personelle Veränderungen die Unabhängigkeit der Nada gefährdet sieht.
Neben Augustin sollen auch vier Mitglieder des Vorstandes ihren Posten verlieren, der stellvertretende Vorsitzende Dirk Clasing, Elisabeth Pott, Hans-Hubertus Schröder und Markus Hauptmann. Clasing sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, er sei von Baumert mehrfach bedrängt worden, freiwillig zurückzutreten. Dem werde er jedoch nicht nachkommen. Gegen eine Ablösung würde er sich notfalls juristisch wehren: „Einen entsprechenden Bescheid würde ich von einem Verwaltungsgericht prüfen lassen.“ Baumert war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Pott ist als Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Nada-Vorstand zuständig für die Prävention. Hauptmann arbeitet als Rechtsanwalt in Frankfurt. Er vertrat die Nada im vergangenen Jahr im Sportausschuss des Bundestags, als es darum ging, ob der Besitz von Dopingmitteln unter Strafe gestellt werden soll. Hauptmann und Augustin befürworteten die sogenannte Besitzstrafbarkeit und lehnten damit die Position des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ab.
Als eine Kommission des DOSB danach noch einmal die Frage der Besitzstrafbarkeit prüfte, war Augustin der Einzige in der Kommission, der dafür stimmte, Athleten auch für den Besitz von Dopingmitteln zu bestrafen.
Bedrohte Unabhängigkeit
Die wichtigste Eigenschaft eines Dopingbekämpfers ist die Unabhängigkeit. Insofern hatte Roland Augustin die besten Voraussetzungen, um ein guter Dopingbekämpfer zu sein. Er hatte zuvor beim Deutschen Teppich-Forschungsinstitut gearbeitet, also weit weg vom Sport und dessen Kumpelei. Als Geschäftsführer der Nada hat er sich das Recht auf eine eigene Meinung herausgenommen. Er wollte, dass der Staat auch den Besitz von Dopingmitteln bestraft. Der Dachverband des Sports war jedoch dagegen.
Vielleicht ist Augustin seine Unabhängigkeit zum Verhängnis geworden. Als er in Bedrängnis geriet, fehlten ihm auf einmal die Verbündeten im Sport. Jetzt muss er seinen Posten räumen. Er hatte nicht die beste Figur abgegeben, als es an die Aufklärung der Frage ging, warum so viele Athleten bei Dopingkontrollen nicht anzutreffen sind. Über sich und die Nada hat er eingeräumt, zu nett zu den Athleten gewesen zu sein. Aber ist das ein Kündigungsgrund?
Seitdem ins öffentliche Bewusstsein gedrungen ist, dass Doping eine Massensportart ist, gelten Dopingbekämpfer nicht mehr als Miesmacher des Sports. Wer für die Nada arbeitet, ist auf jeden Fall auf der Seite der Gewinner. Das hat es sicher auch Armin Baumert leichter gemacht, den Vorsitz zu übernehmen. Baumert war früher Leistungssportchef des deutschen Sports. Man tritt ihm nicht zu nahe, ihn einen Medaillenzähler zu nennen, einen Leistungsfanatiker. Während sein Vorgänger Peter Busse ebenfalls von außen kam, von der Stasi-Unterlagen-Behörde, ist Baumert tief im deutschen Sportsystem verwurzelt. Er muss erst beweisen, dass die Nada unter seiner Führung genug Distanz zu denen hat, die sie kontrollieren soll.
Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Donnerstag, dem 8. März 2007