Der Sport ist sauberer geworden, die Kontrollen haben etwas bewirkt. Was mit dem Gen-Doping ist, kann ich nicht einschätzen. Ich bin kein Arzt, ich weiß zu wenig über neue Mittel. Wenn etwas geschieht in Sachen Doping, dann kommt es sicher aus Amerika.
Ich habe Angst, meine Arbeit zu machen – Leichtathletik-Manager Jos Hermens über Doping, Thomas Springstein und das Ermittlungsverfahren gegen sich – Friedhard Teuffel im TAGESSPIEGEL
Herr Hermens, die Staatsanwaltschaft in Magdeburg ermittelt seit dem vergangenen Jahr gegen Sie, weil Sie an einem Dopingnetzwerk beteiligt gewesen sein sollen. Haben Sie schon etwas aus Magdeburg gehört?
Nein, man hat meinem Rechtsanwalt Reinhard Rauball gesagt, das Ermittlungsverfahren laufe noch. Deshalb dürfe ich auch noch nicht die Akten einsehen.
In den Akten steht unter anderem, dass Sie Athleten an den spanischen Arzt Miguel Peraita vermittelt haben. Peraita hat sich mit dem inzwischen wegen Dopings verurteilten Leichtathletiktrainer Thomas Springstein intensiv über Dopingpraktiken ausgetauscht.
Diese Leute in Madrid hatten große Pläne, schöne Maschinen. Und ich habe mich für die alternativen Methoden interessiert, die sie mir vorgestellt haben: Homöopathie, Akupunktur. Ich gehöre jedenfalls keinem Dopingnetzwerk an, das ist verrückt. Ich habe mit diesen Leuten nie über Wachstumshormon oder so etwas gesprochen und schon seit fünf Jahren nichts mehr mit ihnen zu tun. Nur Springstein hatte weiter mit ihnen gearbeitet.
Warum er?
Ich hatte Thomas damals gesagt: Schau dir mal diesen Arzt an und vergiss die DDR-Zeit. Es gibt Alternativen: Ernährungsberatung, Naturheilverfahren, damit kann man vielleicht noch ein halbes Prozent rausholen. Aber dann hat er diesem Arzt wohl die alten Fragen gestellt.
Wann hatten Sie zum letzten Mal Kontakt zu Springstein?
Er hat mich einmal angerufen, nachdem ich Ihnen im November im Interview gesagt hatte, es sei ein Fehler gewesen, mit Springstein weiter zusammenzuarbeiten. Daraufhin hat er sich bei mir gemeldet: Jos, warum hast du das gesagt? Wir sind doch Freunde. Du musst dich für nichts entschuldigen. Ich habe ihm dann gesagt: Thomas, ich hasse dich nicht, aber ich will mit der ganzen Scheiße nichts zu tun haben. Später, als das Ermittlungsverfahren in Magdeburg gegen mich anlief, habe ich versucht, ihn noch mal zu erreichen. Aber er hat nicht mehr reagiert.
Hat er Ihnen etwas über die Vorwürfe gesagt, für die er sich verantworten musste?
Nein, aber ich habe ihn auch nicht danach gefragt.
Welche Konsequenzen haben Sie aus dem Fall gezogen?
Ich betreue weniger Athleten und mache mehr Veranstaltungen. Ich war zum Beispiel gerade in China. Aus meiner Gruppe habe ich auch ein paar Athleten rausgeworfen. Eine Sportlerin ist Weltrekord gelaufen, und ich habe mich gefragt: Wie war das möglich? Ich will nicht mehr mit solchen Leuten arbeiten.
Sind Sie frustriert?
Ich habe Angst, meine Arbeit zu machen. Ich habe es satt, dass ein oder zwei Athleten von mir unter Verdacht geraten und die ganze Gruppe in Verruf bringen. Was soll ich machen? Die Leute sagen, ich muss mich um die Gesundheit der Athleten kümmern. Das war auch meine Intention bei Peraita. Aber mittlerweile bekomme ich nur noch das Negative ab. Niemand sagt: Jos, das hat du gutgemacht.
Sind Sie misstrauischer geworden?
Ja, aber Doping gehört zum Sport. Da muss man immer misstrauisch sein. Bisher habe ich gedacht: Wenn jemand nicht überführt ist, dann ist es auch kein Doping. So wie man im Verkehr auch nur dann für zu schnelles Fahren bestraft wird, wenn man geblitzt wird.
Wem glauben Sie noch?
Für die meisten Athleten lege ich meine Hand ins Feuer, wie für Haile Gebrselassie und für Kenenisa Bekele. Ich interessiere mich nach wie vor für Naturheilverfahren, Allergien, Ernährung. Schauen Sie, warum läuft Haile Gebrselassie den Marathon in London nicht gut, aber in Berlin super? Und warum sagt er mir, er habe in London keine Luft bekommen? Wir haben herausgefunden, dass am Streckenrand viele Platanen stehen, darauf hat Haile allergisch reagiert.
Ist der Kampf gegen Doping denn schon verloren?
Der Sport ist sauberer geworden, die Kontrollen haben etwas bewirkt. Was mit dem Gen-Doping ist, kann ich nicht einschätzen. Ich bin kein Arzt, ich weiß zu wenig über neue Mittel. Wenn etwas geschieht in Sachen Doping, dann kommt es sicher aus Amerika.
Wie groß ist Ihr Vertrauen in das Dopingkontrollsystem?
Es gibt so viele Gerüchte, und man weiß nicht, wer sich überhaupt auskennt, etwa bei manchen Substanzen. Da stellen sich ein paar sogenannte Wissenschaftler hin und erzählen etwas über Nandrolon und seine Grenzwerte. Damit war ja auch Dieter Baumann aufgefallen. Ich glaube, dass Baumann unschuldig ist. Seine Ausrede mit der Zahnpasta war natürlich blöd, aber ich glaube nicht, dass er etwas genommen hat. Vielleicht war ein Nahrungsergänzungsmittel von ihm nicht sauber. Oder nehmen Sie IGF1…
… den insulinähnlichen Wachtumsfaktor, der sowohl Körperfett reduzieren als auch Kraft und Ausdauer verbessern soll …
… keiner weiß, wie man es anwenden soll. Ich denke nicht, dass es so viele Leute gibt, die sich damit gut auskennen.
Wollten Sie schon einmal aufhören?
Ich habe in meiner Firma Global Sports Communication 20 Leute, die von meinem Geschäft leben. Es ist jedes Jahr ein Kampf, den Umsatz zu machen, um alle zu bezahlen. Diesen Kampf will ich nicht mehr mitmachen. Ich hatte im vergangenen Jahr ein Burnout. Meine Leute arbeiten zum Teil 70 bis 80 Stunden in der Woche. Aber vielleicht muss ich sagen: scheißegal. Man wird manchmal zynisch.
Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.
Der TAGESSPIEGEL
Donnerstag, dem 24. Mai 2007