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25
05
2007

Kaum in Berlin, besuchte er das Olympiastadion und suchte auf den steinernen Tafeln seinen Familiennamen. Jesse, der Onkel seines Vaters, wurde bei den Spielen 1936 viermal Olympiasieger und dürfte bis heute der berühmteste Leichtathlet der Welt sein.

Im Geiste von Großonkel Jesse – Der Berliner Basketballprofi Chris Owens hat eine Botschaft: Bildung für alle – MICHAEL REINSCH – in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAZ)

By GRR 0

BERLIN. Chris Owens scheint eine paradoxe Botschaft zu haben. "Glaubt nicht, ihr könntet nichts anderes werden als Basketballspieler oder Rapper", will er den schwarzen Kindern Amerikas sagen.

"Ihr habt mehr Möglichkeiten. Ja, es ist cool, Basketballspieler zu sein. Oder Rapper. Aber es ist auch cool, Arzt zu werden oder Rechtsanwalt. Als Schwarzer hat man manchmal das Gefühl: Das soll ich nicht tun. Denn so zeigt es das Fernsehen. Aber Bildung macht den Unterschied."

Chris Owens ist weit weg von den schwarzen Kindern Amerikas. Denn er ist Basketballspieler in der Stadt seines Großonkels Jesse: in Berlin.

Von diesem Sonntag an müssen er und Tabellenführer Alba Berlin in den Play-offs um die deutsche Meisterschaft bestehen, zunächst gegen die Artland Dragons Quakenbrück. Doch ganz schnell, das weiß Owens, kann Schluss sein: nicht nur mit der Saison, sondern auch mit der Karriere. Vor knapp fünfeinhalb Jahren, in seinen letzten elf Spielen für die University of Texas in Austin, erzielte der junge Star Chris Owens knapp 16 Punkte pro Spiel.

Dann verletzte er sich schwer: Kreuzbandriss im Knie, Operation, Rehabilitation. Die Milwaukee Bucks verpflichteten ihn zwar für die nächste Spielzeit. Doch Owens verletzte sich wieder – und wurde abgeschoben zu einem unterklassigen Team. Ein Jahr lang setzte er aus, um zu sich zu kommen. Dann kehrte er in einer sizilianischen Mannschaft zum Sport zurück, spielte in Spanien und Griechenland. Schließlich kam er nach Berlin.

In Austin studierte Chris Owens Geschichte. Von klein auf hatte er gelernt, dass er einen besonderen Namen trägt. "Für mich ist das keine Bürde, sondern eine Auszeichnung", sagt er. "Jesse Owens steht dafür, immer sein Bestes zu geben, für Exzellenz."

Kaum in Berlin, besuchte er das Olympiastadion und suchte auf den steinernen Tafeln seinen Familiennamen. Jesse, der Onkel seines Vaters, wurde bei den Spielen 1936 viermal Olympiasieger und dürfte bis heute der berühmteste Leichtathlet der Welt sein.
Nicht nur deshalb genießt er das Leben in Berlin: Die Dichte der Stadt voller Kunst und Geschichte fordert ihn heraus, die Vielfalt der Menschen und Kulturen erinnert ihn an New York. Rassismus, sagt er, spüre er hier nicht so stark wie in Amerika.

Henrik Rödl, sein Trainer, verriet ihm bei der ersten Begegnung, dass Jesse Owens ihm immer viel bedeutete. Von Bewunderung ist das Verhältnis der beiden dennoch nicht geprägt. Rödl rief seinen 2,03 Meter langen und gut hundert Kilo schweren Power Forward Owens während der Saison gelegentlich zur Beruhigung zurück auf die Bank, so sehr kämpfte dieser um jeden Ball, so ehrgeizig nahm er jeden Wurf. Im Schnitt 13,8 Punkte erzielte Owens pro Bundesligaspiel, im März gegen Bremerhaven kam er sogar auf 32. Doch weil er aus allen Lagen schießt und im Schnitt gut elf Würfe braucht für fünf Treffer, gilt er nicht wenigen Zuschauern als Egoist.

"Was ich tue, tue ich, damit das Team gewinnt", sagt er. "Ich werde nichts anders machen, nur um dem Publikum zu gefallen." Von ähnlichem Selbstbewusstsein ist der Achtundzwanzigjährige, wenn die Rede auf die wichtigste Liga der Welt kommt, die NBA. "Ich weiß, dass ich dort wieder einen Vertrag erhalten werde", gibt er sich überzeugt.

Die Summer League, auf der sich die Übersehenen und Vergessenen präsentieren, will er nicht mitspielen: "Ich weiß, dass ich Basketball spielen kann."

Die Stadt der Owens

Die Stadt der Owens: Eine Berliner Schule ist nach Jesse benannt, eine Straße am Stadion, jeder kennt den Sprinter und Weitspringer von damals. Die größten Verdienste erwarb sich Jesse Owens um seine schwarzen Landsleute in Amerika. "Martin Luther King und Malcolm X haben darum gekämpft, dass wir gleiche Rechte haben", sagt Chris Owens. "Als Jesse seine vier Goldmedaillen gewann, hatte er ganz sicher keine gleichen Rechte. Aber er hat sich durchgesetzt. Das war enorm wichtig für die schwarzen Menschen Amerikas."

Chris Owens war ein Jahr alt, als Jesse starb. Doch er weiß: "Ich habe eine Verantwortung übernommen: das fortzusetzen, was er erreicht hat."

Michael Reinsch
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAZ)

Sonntag, dem 20. Mai 2007

Die Jesse Owens Memorial Staffel am Sonnabend, dem 16. Juni 2007
Das Sportfest der Schüler und Schülerinnen dient der Erinnerung an den hervorragenden Läufer und Sportler aus den USA, der durch seine überragenden Leistungen und sein Auftreten weltweit ein Vorbild wurde.

Die Begegnung der Jugendlichen im alten Olympischen Dorf soll ein Zeichen für Toleranz und Völkerverbundenheit durch den Sport setzen.

https://www.cometorun.de/
Jesse Owens Staffel

Die Besprechung eines neuen Buches über Jesse Owens:
Ein Schwarzer unter jubelnden Ariern – Sind Owens Olympiasiege paradox? –

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1909.html

Ein Schwarzer unter jubelnden Ariern – Sind Owens Olympiasiege paradox? – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)

author: GRR

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