„Man hat das Klatschen gut gehört“, sagt er, „das ist das Wichtigste.“ Knapp 20.000 Zuschauer kamen an den beiden sonnigen Tagen zu dem Wettbewerb der Nationalmannschaften. Die mit großen Planen verhängten Tribünen und die großen Lücken im Publikum zeigten deutlich, dass die Leichtathletik ein Problem hat.
DLV-Männer nur knapp geschlagen – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) – Der Tübinger Filmon Ghirmai gewann überraschend das 3000-Meter-Hindernisrennen
Vielleicht liegt es daran, dass Eike Onnen vorzugsweise bei Sportfesten in der Provinz antritt. Der Hochspringer, der am Wochenende den Sieg im Hochsprung zum zweiten Platz des männlichen Teils der deutschen Mannschaft beim Europacup der Leichtathleten beisteuerte, mochte nicht über den mangelhaften Besuch im Olympiastadion klagen.
„Man hat das Klatschen gut gehört“, sagt er, „das ist das Wichtigste.“ Knapp 20.000 Zuschauer kamen an den beiden sonnigen Tagen zu dem Wettbewerb der Nationalmannschaften. Die mit großen Planen verhängten Tribünen und die großen Lücken im Publikum zeigten deutlich, dass die Leichtathletik ein Problem hat. „Wir hätten uns schon mehr Zuschauer gewünscht“, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop, der andererseits aber zufrieden sein konnte.
Sabrina Mockenhaupt kritisierte die Normen des DLV
Die Männer hielten das Duell mit den siegreichen Franzosen (116 Punkte) bis zum letzten Wettbewerb offen und mussten am Ende bei Punktgleichheit nur deswegen mit Platz zwei vorliebnehmen, weil bei jeweils vier Siegen die Anzahl der zweiten Ränge (7:5) für Frankreich sprach. Auch der dritte Platz der Frauen (94,5 Punkte) hinter den souveränen Russinnen (127), die auch die Disqualifikation der abschließenden 4×400-Meter-Staffel verkraften konnten, und Frankreich (107) war keine Enttäuschung. Das sah auch Chefbundestrainer Jürgen Mallow so: „Unsere Mannschaft hat den Europacup mit viel Begeisterung bestritten und auch viel Begeisterung geweckt.“
„Ich kann mich daran gewöhnen, Erster zu sein“
Mit dem Publikum hatte es nichts zu tun, dass Onnen aufgeregt war vor seinem Start. „Ich habe gezittert. Das war mein erster internationaler Start.“ Doch kaum im Innenraum, konnte sich der 24 Jahre alte Hannoveraner konzentrieren. „Es geht doch nur um Anlaufen und Springen“, behauptete er nach übersprungenen 2,30 Metern. „Aber es ist ungewohnt, so im Mittelpunkt zu stehen.“ Auch die gefühlte Wirklichkeit von Filmon Ghirmai ging an der Realität vorbei. „Für mich war das Stadion voll“, sagte der Tübinger, der am Sonntag mit seinem Spurtsieg über 3000 Meter Hindernis in 8:38,78 Minuten für eine große Überraschung gesorgt hatte: „Als ich nach vorne ging, sind alle aufgesprungen und haben getobt.“
Tim Lobinger gewinnt das Stabhochspringen
Größte Siegerin des Wochenendes war die Speerwerferin Christina Obergföll, die erfahrenste war Diskuswerferin Franka Dietzsch. „Ich war auch nervös“, verriet sie, „ich zeige es bloß nicht.“ Auch Stabhochspringer Tim Lobinger hat gelernt, mit Druck umzugehen, wie der Neu-Münchener bei seinem Sieg mit 5,70 Metern bewies. Und Peter Sack, am Vortag mit 20,28 Meter Gewinner des Kugelstoßens, formulierte gar eine Kampfansage an den Europameister: „Ich kann mich daran gewöhnen, Erster zu sein. Meine größte Leistung beim Europacup war, dass ich Ralf Bartels verdrängt habe.“
Streit um DLV-Normen
„Es hat einen Generationenwechsel gegeben“, sagte Lobinger. Dafür stehen etwa 100-Meter-Sprinter Christian Blum, 20 Jahre alt, oder der erst achtzehnjährige 800-Meter-Läufer Robin Schembera, die in ihren Wettbewerben jeweils Dritte wurden. „In der Mannschaft wird wesentlich mehr angesprochen“, betonte Lobinger. „Es wird lebendiger mit der Problematik von Doping und Qualifikationsnormen umgegangen.“ Sabrina Mockenhaupt, Zweite über 5000 Meter in 15:23,93 Minuten, etwa sagte zu ihrer immer noch nicht erreichten WM-Qualifikation: „Wenn ich dopingfrei nicht schneller bin als das, dann soll man mich auch so schicken. Alle regen sich über Epo im Radsport auf, und dann erhöhen sie die Qualifikationsnorm für nächstes Jahr. Da passt vieles nicht zusammen bei den Normen.“
Peter Sack gewann das Kugelstoßen
Auch Mittelstreckler Franek Haschke wies auf einen solchen Zusammenhang hin, so dass Mallow öffentlich riet, jetzt keine Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen: „Ich kann das nicht mehr hören, dass die Norm ständig kritisiert wird.“ Man müsse schon darüber nachdenken, manche Normen zu überprüfen, sagte DLV-Präsident Prokop. Doch er meint die Kriterien der Leistungssportförderung. „Wir kritisieren generell, dass lediglich Erfolg belohnt wird; wir brauchen ein zugewandtes System, das fördert.“
Michael Reinsch
Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ)
Montag, dem 25. Juni 2007