Als Wiederholungstäter schon 2001/2002 verbüßte er eine einjährige Sperre drohte ihm lebenslanges Laufverbot.
Einmaliger Vorfall – Sprinter Gatlin hofft auf die Reduzierung seiner Dopingsperre – Michael Gernandt in der Süddeutschen Zeitung
München Vor zwei Jahren hätte das 100-m-Duell zwischen Olympiasieger Justin Gatlin (USA) und Weltrekordler Asafa Powell (Jamaika) bei der WM in Helsinki der Höhepunkt der Saison werden sollen. Weil Powell sich eine Leistenverletzung zuzog, fiel das Spektakel aus. Dann eben 2006, trösteten sich neugierige Fans und geldgierige Vermarkter.
Doch auch im Jahr ohne Olympia und WM wurde es nichts aus der Auseinandersetzung der Schnellsten der Welt. Diesmal musste Gatlin passen Doping. Ende Juli erfuhr die Öffentlichkeit, dass der Amerikaner, der Mitte Mai in Doha Powells Weltrekord (9,77 sek.) egalisiert hatte, nach einem unbedeutenden Staffelrennen in Lawrence (Kansas) positiv auf Testosteron getestet worden war.
Als Wiederholungstäter schon 2001/2002 verbüßte er eine einjährige Sperre drohte ihm lebenslanges Laufverbot. Die für Gatlin-Freunde trübe Aussicht, ihren Star nie wieder am Start zu sehen, besserte sich selbst dann nicht, als die amerikanische Antidoping-Agentur Usada ein Strafmaß von nur acht Jahren festlegte weil l Gatlin Test und Analyse seiner Probe nicht in Frage stellte, zudem die sofortige Zusammenarbeit mit Usada anbot, indes darauf bestand, nie willentlich und wissentlich gedopt zu haben.
Entlastung von Ermittler Novitzky
Dass es 2008 in Peking nun aber doch noch zum Olympiavergleich Powell-Gatlin kommen könnte, ist eine Erkenntnis der Amerikaner nach der dreitägigen Anhörung Gatlins vor einem Usada-Schiedsgericht in dieser Woche in Atlanta. Obwohl das Verhör nicht öffentlich gewesen ist, gelang es vor allem der Washington Post, an Informationen aus dem Gerichtsraum heranzukommen. Demnach scheint die Strategie des Gatlin-Anwalts John P. Collins – wissend, dass nach den Regeln des internationalen Antidoping-Codes eine Sperre generell nicht zu vermeiden ist – darauf hinauszulaufen, die Achtjahressperre auf zwei Jahre zu reduzieren, um das Startrecht für Ende April 2008 zurück zu erlangen.
Das glaubt er zum einen durch vertrauensbildende Maßnahmen für seinen Klienten zu erreichen, zum zweiten strebt er an, Gatlins Erstvergehen von 2001 verwerfen zu lassen. Der Sprinter hatte damals ein Medikament, das er von Kindesbeinen an gegen Konzentrationsmängel nehmen muss, nicht rechtzeitig vor einem Wettkampf abgesetzt. Ein Schiedsgericht erklärte später, Gatlin habe weder betrogen, noch die Absicht gehabt zu betrügen.
Die Sperre wurde halbiert.
Collins hofft, dass die Zusammenarbeit Gatlins mit Jeff Novitzky, dem Chefermittler im Dopingfall um Balco, die kalifornische Firma für Nahrungsergänzungsmittel, sich günstig für seinen Klienten auswirkt. So wurde bereits mit Überraschung vermerkt, dass Novitzky in Atlanta mehr als zwei Stunden aussagen durfte. Bisher war das Erscheinen eines Bundesagenten bei einer Athletenanhörung unüblich. Novitzky soll laut Washington Post von mehr als zehn heimlich mitgeschnittenen Telefonaten Gatlins mit seinem unter Dopingverdacht stehenden und wegen Belügens der Ermittler angeklagten Trainer Trevor Graham berichtet haben.
Aus diesen Gesprächen seien keine Beweise zu erhalten gewesen, dass Gatlin dopte oder Dopingmittel besaß. Das Washingtoner Blatt meldete ferner, Novitzky habe Gatlin gelobt, weil er bisher der einzige Sportler war, der undercover in der Balco-Affäre mitarbeitete.
Gatlin und Collins hatten unmittelbar vor der Anhörung mehrfach vom Positivtest in Lawrence als einem einmaligen Vorfall gesprochen. Und auf fünf absolut unauffällige Tests nach dem positiven Befund verwiesen, die nach der so genannten Cir-Methode analysiert worden waren. Cir macht die Unterscheidung zwischen natürlichem und künstlichem Testosteron deutlich. Als Verursacher des einmaligen Vorfalls will Graham Gatlins Masseur Chris Whetstine erkannt haben. Vor dem Rennen im April, behauptet Graham, behandelte Whetstine den Sprinter mit einer Testosteronsalbe.
Mit dieser merkwürdigen, aber nicht in allen Teilen unglaubwürdigen Sabotagestory argumentierten Collins/Gatlin nun auch vor dem Schiedsgericht. Whetstine erschien in Atlanta nicht persönlich, sagte aber über Telefon aus. Vor Prozessbeginn hatte er gegenüber dem Internetanbieter LetsRun.com zum wiederholten Male erklärt, nichts mit dem Fall zu tun zu haben: Das (Grahams Schilderungen) ist kompletter Schrott. Warum sollte ich den besten Job, den ich je hatte, sabotieren?
Whetstine (Eine verachtenswerte Person, so Gatlin vor einer Woche) war Angestellter des Gatlin-Ausrüsters Nike und dem Sprinter fest zugeordnet. Und: Im Juni war Whetstine von einem Nike-Mann aus bis heute ungeklärten Gründen krankenhausreif geschlagen worden. Der Masseur klagt auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von vier Millionen Dollar.
Es wird wohl einige Wochen dauern, bis der Review Board der Usada ein Urteil verkündet. Möglich auch, dass es zunächst ausbleibt und die Unterlagen der Anhörung erst noch mal zum Leichtathletik-Weltverband gehen. Wie der mit diesem Fall umgehen möge, hat die Washington Post bereits formuliert:
Er verdient eine spezielle Betrachtung.
Michael Gernandt
Süddeutsche Zeitung
Freitag, dem 3 . August 2007
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