Der Tübinger Sportwissenschaftler Helmut Digel kämpft im Leichtathletik-Weltverband gegen einen Gewichtsverlust des deutschen Sports
Dabei bleiben ist alles – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel – Es sind nicht viele Deutsche, die in den Weltverbänden mitbestimmen
BERLIN – An diesem Mittwoch wählt der Internationale Leichtathletik-Verband in Osaka sein neues Präsidium, und damit steht auch ein Stück Einfluss der Deutschen im Weltsport zur Abstimmung. Der Tübinger Sportwissenschaftler Helmut Digel möchte sein Amt als Vizepräsident behalten, doch er hat harte Gegner: unter anderem den Stabhochsprung-Weltrekordhalter Sergej Bubka aus der Ukraine und den Engländer Sebastian Coe, Organisator der Olympischen Sommerspiele 2012 in London.
In diesem Wettkampf ist Digel nur Außenseiter. „Ich habe einiges bewirkt“, sagt Digel, „aber wenn Stars gewollt sind, kann man nichts machen.“
Es sind nicht viele Deutsche, die in den Weltverbänden mitbestimmen. Damit fehlt es an Lobby, wenn die wichtigsten Sportveranstaltungen vergeben werden oder über Regeln entschieden wird. „Unser Einfluss ist ausbaufähig“, sagt Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, und weiß, dass er damit deutlich untertrieben hat. „Wir bemühen uns derzeit um eine stärkere internationale Ausrichtung“, sagt er. So sollen sich die deutschen Vertreter in internationalen Gremien besser abstimmen.
Der einflussreichste deutsche Funktionär ist Thomas Bach als Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees. Beim Fußball, dem anderen großen Weltverband, gehört Franz Beckenbauer immerhin dem Exekutivkomitee an, also der Regierung. Deutsche Präsidenten in olympischen Weltverbänden gibt es derzeit drei: Ulrich Feldhoff führt den Kanuverband, Josef Fendt den Rodelverband und Klaus Schormann den Verband der Modernen Fünfkämpfer. Die Fünfkämpfer sind zwar nicht der wichtigste Verband, aber weil Schormann auch für das IOC Aufgaben übernimmt, wie die inhaltliche Ausgestaltung der Olympischen Jugendspiele, gehört er zu den einflussreichsten deutschen Sportfunktionären.
Schormann kann daher besonders gut das Profil des idealen internationalen Sportfunktionärs beschreiben: gewandt in Umgang und mit Sprachen, großzügig, zeitlich flexibel und immer bemüht, Netzwerke zu spannen. „Man muss auch mal jemanden einladen und kleine Geschenke machen. Wer immer nur selbst eingeladen werden will, hat schlechte Karten“, sagt Schormann. Er verteilt als Weltverbandspräsident zur Kontaktpflege gerne Krawatten und für die Ehefrauen Tücher. „Die Frauen darf man nicht vergessen“, sagt Schormann.
Der Funktionär bereist jedes Jahr 100 Länder. Die hessische Landesregierung hat den Lehrer vom Schuldienst freigestellt und nutzt nun seine Kontaktfreude. „Franzosen, Italiener und vor allem die Asiaten sind besonders geschickt. Die nutzten auch ihre Botschafter“, sagt Schormann. „Als wir im vergangenen Jahr Weltmeisterschaften in Guatemala hatten, hat sich kein Vertreter der deutschen Botschaft blicken lassen. Die Politik muss eine höhere Sensibilität aufbringen.“
In seine Netzwerke sollte man nicht nur Vertreter der großen Nationen einbinden. „Man muss auch den Kontakt mit kleineren Ländern pflegen. Sie haben genauso eine Stimme wie die großen“, sagt Josef Fendt, der schon 13 Jahre den Rodelverband führt. „Man sieht die Deutschen gern, aber eher in der zweiten Reihe, wenn es darum geht, Geld einzuwerben und zu verwalten“, sagt er.
Mit ihrem geringen Einfluss befinden sich die Deutschen in guter Gesellschaft: Die USA, erfolgreichste Sportnation überhaupt, hat in den Gremien des Weltsports kaum Einfluss. „Die Amerikaner sind offenbar nicht besonders beliebt“, sagt Fendt. Derzeit kommen nur zwei olympische Weltverbandspräsidenten aus Amerika: im Baseball und Softball. Beide Disziplinen fliegen nach den Spielen von Peking 2008 aus dem olympischen Programm.
Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Mittwoch, dem 22. August 2007