Es war damals eine Zeit, als potenzielle deutsche Laufveranstalter noch mit den Behörden kämpfen mussten, um die Erlaubnis für breitensportliche Rennen durch die Innenstädte zu erhalten.
25 Jahre AIMS (Association of International Marathons and Road Races) – ein Vierteljahrhundert Laufsportgeschichte – Horst Milde berichtet
Es ist rund ein Vierteljahrhundert her, als die Deutschen ,laufen lernten’. Damals, Anfang der 80er Jahre, erlebte man in Deutschland die Anfänge eines ersten Laufbooms.
Die ersten großen City-Straßenläufe entstanden im Frühjahr 1981 mit den ,25 km de Berlin’, dem Berlin-Marathon jeweils im September und dem Frankfurt-Marathon, der am kommenden Sonntag zum 26. Mal mit einem Rekord-Teilnehmerfeld und hochklassigen Eliteläufern gestartet wird.
Es war damals eine Zeit, als potenzielle deutsche Laufveranstalter noch mit den Behörden kämpfen mussten, um die Erlaubnis für breitensportliche Rennen durch die Innenstädte zu erhalten. „Die Straßen sind für die Autos da“ – diese Aussage eines leitenden Polizeibeamten wird der Berliner Marathon-Initiator Horst Milde in seinem Leben nie wieder vergessen.
Besonders in Amerika und in England war man zu dieser Zeit schon ein paar Schritte weiter. In New York zählte der Marathon 1981 fast 15.000 Starter, und das Rennen wurde zum ersten Mal durch den Fernsehsender ABC übertragen. Für die Premiere des London-Marathons in jenem Jahr hatten sich 20.000 Läufer um eine Startnummer beworben, von denen schließlich knapp 8.000 angenommen wurden.
Doch im Straßenlaufsport fehlten übergeordnete Standards ebenso wie internationale Werbung. Der Tourismusfaktor und eine entsprechende Organisation spielte damals noch eine eher kleinere Rolle. Wie man eine Laufstrecke am besten vermisst, wusste kaum ein Veranstalter. Man reiste auch nicht in Gruppen quer durch die Welt, um irgendwo Marathon laufen zu können. Eine Reihe von Veranstaltern erkannte die Notwendigkeit und sah die Perspektiven einer internationalen Zusammenarbeit.
So kam es im Mai 1982 in London zur Formierung der Association of International Marathons (AIMS). Der Frankfurt- und der BERLIN-MARATHON gehörten damals bereits zu den Gründungsmitgliedern. Zunächst war die Vereinigung ausschließlich Marathon-Veranstaltungen vorbehalten. 1987 wurde die Mitgliedschaft auf Rennen unterhalb der Marathondistanz ausgeweitet, 1990 kamen Ultrarennen und Marathon-Staffeln hinzu.
In diesem Jahr nun feiert AIMS das 25-jährige Jubiläum. Im letzten Vierteljahrhundert hat die Organisation die Entwicklung des internationalen Straßenlaufes mit geprägt und eine Reihe von bedeutenden Entscheidungen für diesen Sport initiiert. Die 1982 formulierten Ziele von AIMS gelten heute immer noch:
Der Straßenlauf soll weltweit in Kooperation mit dem internationalen Leichtathletik-Verband IAAF gefördert werden. Die Mitglieder der Vereinigung sollen gegenseitig von ihren Erfahrungen und ihrem Wissen profitieren.
Aus der Zeit vor der Gründung von AIMS gibt es eine interessante Parallele zu den heutigen World Marathon Majors (WMM), zu denen sich die Marathonrennen aus Berlin, Boston, London, Chicago und New York vor gut einem Jahr zusammengeschlossen haben.
Der Race-Direktor des Montreal-Marathons, Serge Arsenault, hatte schon 1981 eine ähnliche Idee. Er wollte eine Marathon-Weltmeisterschaft initiieren. Dabei sollten die besten Läufer der Welt über einen Zwei-Jahres-Zeitraum bei sechs Rennen in fünf verschiedenen Erdteilen an den Start gehen. Über ein Punktsystem, basierend auf der Platzierung und der Zeit, sollten die Weltmeister ermittelt werden.
Dieses System wurde nie umgesetzt. Doch die Initiative von Serge Arsenault war dennoch ein wichtiger Schritt zur Zusammenführung der internationalen Veranstalter. Denn bei den entsprechenden Zusammenkünften wurde das Fundament für AIMS entwickelt. Federführend waren dabei unter anderen der langjährige Race-Direktor des Boston-Marathons, William Cloney, der in London 1982 dann zum ersten AIMS-Präsidenten gewählt wurde, Chris Brasher, der Initiator des London-Marathons, der Cloney für kurze Zeit als AIMS-Präsident folgte, und Fred Lebow, der Gründer des New-York-Marathons.
In Zeiten ohne E-Mail in denen selbst ein Faxgerät noch eine Rarität war, wurden die AIMS-Mitglieder hauptsächlich über Papier-Newsletter über die aktuellen Entwicklungen informiert. Der erste Newsletter, unterschrieben von Chris Brasher und Fred Lebow, erschien im Frühsommer 1982.
Schon damals, bald nach der Gründung, zeichnete sich ab, dass die AIMS-Idee funktionieren würde. Lebow und Brasher richteten die folgende Bitte an die AIMS-Mitglieder: „Bitte senden Sie mindestens 50 Anmeldeformulare ihres Rennen an unser AIMS-Büro in New York. Hier gibt es mehrere Dutzend Anfragen pro Woche von Läufern, die an internationalen Marathonrennen teilnehmen möchten.“
Eine entscheidende Rolle bei der Promotion der AIMS-Straßenläufe und des internationalen Laufsports spielte ab Mitte der 80er Jahre das ,AIMS Yearbook’, das 1984 erstmalig erschien. Daraus ging später das Magazin ,Distance Running’ hervor, das inzwischen viermal pro Jahr mit einer Auflage von mehreren hunderttausend Stück erscheint. AIMS-Mitglieder verteilen es ebenso wie früher das Jahrbuch kostenlos an ihre Teilnehmer.
Strecken wurde früher so vermessen, wie es der jeweilige Veranstalter für sinnvoll erachtete – beziehungsweise manchmal siegte wohl auch die Bequemlichkeit. Dann wurde der Kurs einfach mit dem Auto abgefahren. Der Kilometerzähler war ebenso zu ungenau wie der eines Fahrrades.
Ganz genau machten es dagegen die Japaner. Wie der frühere Race-Direktor des New-York-Marathons, Allan Steinfeld, berichtet, wurde ein 100 Meter langes Stahlband zum Messen verwendet. Das Band wurde Stück für Stück auf die Straße gelegt – bei einer Marathondistanz also 422 Mal! Hinzu kam, dass die damaligen Regen besagten, dass die Laufstrecke einen Meter vom Rinnstein entfernt verlaufen musste. Das bedeutete, dass zusätzlich eine Anzahl von Personen mit ein Meter langen Stäben am Straßenrand standen, um den richtigen Abstand zwischen Straßenkante und Stahlband zu fixieren.
Allan Steinfeld war in den 80er Jahren maßgeblich daran beteiligt, dass AIMS ein zuverlässiges System entwickelte, das schnell zum internationalen Standard wurde. Heute wird, auch bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften, ein geeichtes Rad (Jones-Counter) verwendet. Anhand der Anzahl der Umdrehungen dieses Rades wird die Strecke vermessen.
Eine andere technische Innovation, die von AIMS mit vorangetrieben wurde, war Jahre später die Chip-Zeitmessung.
Der BERLIN-MARATHON war 1994 das erste große internationale Rennen, das diese Technologie nutzte. Auch dieses System ist heute Standard im Laufsport.
1994 beschloss AIMS beim Weltkongress in Macau – auf Initiative von Horst Milde, dem langjährigen Races Director des Berlin-Marathon – ein eigenes Laufmuseum zu begründen, dazu wurde das Sportmuseum Berlin im Olympiapark Berlin ausgewählt. Das AIMS Marathon Museum of Running in Berlin hat seit dieser Zeit eine Vielzahl von Exponaten vom Laufsport aus aller Welt in seinen umfangreichen Sammlungen. erhalten.
Manche Initiativen verliefen allerdings auch im Sande, weil sie nicht praktikabel waren oder nicht der Zeit entsprachen. Neben der ursprünglichen Idee einer Marathon-Weltmeisterschaft galt dies auch für eine Regelung bezüglich der Bezahlung von Topathleten. Bei einem Treffen der Mitglieder des AIMS-Ausschusses 1982 stimmten alle zwar für Preisgeld aber zugleich auch gegen jegliches Antrittsgeld.
Unter der Ära des heutigen AIMS-Präsidenten Hiroaki Chosa (Japan), die 1990 begann, verbesserte sich nicht nur die finanzielle Situation mit Hilfe japanischer Sponsoren sondern auch die Kooperation mit dem internationalen Leichtathletik-Verband IAAF. Lange Zeit hatte sich AIMS vergeblich um die offizielle Anerkennung von Weltrekorden im Straßenlauf bemüht. Geführt wurden nur ,Weltbestzeiten’, keine Rekorde. 2003 stimmte schließlich der IAAF-Kongress der Einführung von Weltrekorden im Straßenlauf zu.
So werden heute unter anderem die Bestmarken von Haile Gebrselassie (2:04:26/Berlin) und Paula Radcliffe (2:15:25/London) als Weltrekorde geführt. Während die diversen Marathon-Weltrekordrennen der letzten 25 Jahre natürlich zu den Höhepunkten in der AIMS-Geschichte gehörten, waren es unabhängig davon drei Marathonläufe, die Sportgeschichte schrieben:
Der BERLIN-MARATHON 1990 führte mit 25.000 Läufern noch wenige Tage vor der Wiedervereinigung durch beide Teile der Stadt und das Brandenburger Tor; der 100. Boston-Marathon 1996 hatte mit 35.868 Läufern im Ziel die noch für viele Jahre höchste Finisher-Zahl aller Zeiten; der New York City-Marathon fand 2001 keine zwei Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September weltweite Beachtung.
Diese drei Rennen waren auch beeindruckende Beweise dafür, welchen Stellenwert der Laufsport in der Zwischenzeit weltweit erreicht hatte.
Mitglieder im gewählten Gremium "Board of Directors" der AIMS waren im Laufe der Zeit zuerst Wolfram Bleul (Frankfurt), Peter Christ (Berlin) und heute Horst Milde (Berlin).
Beim letzten Weltkongress in Xiamen/China wurden neue Mitglieder des Board Martha Morales (Mexico) und Vivek Singh (Indien).
In 25 Jahren wuchs die AIMS-Mitgliederzahl von rund 30 auf 250, die heute aus 80 Nationen kommen. Über 2.500 Laufveranstaltungen von Mitgliedern der Association of International Marathons and Road Races fanden seit 1982 statt. Darunter sind längst nicht mehr nur die Klassiker sondern Rennen am Nordpol, in der Sahara, auf der Chinesischen Mauer, in Xiamen (China), Neuseeland, Rio oder der Antarktis.
Horst Milde