Blog
27
10
2007

Viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion beim Lesen. Diese Serie wird in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen und vermutlich ihresgleichen suchen!

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt bei German Road Races Klassiker der Laufliteratur vor – eine Ergänzung zu den schon unter „Szene“ rezensierten Büchern – lesen Sie sich lauffit und wissend! – Folge 6

By GRR 0

Die in dieser Serie vorgestellten Bücher haben mindestens zweierlei gemeinsam: Sie handeln alle vom Laufen, und sie stammen alle aus dem letzten Jahrhundert. Einzig deswegen sind sie hier als „Klassiker“ tituliert worden.
Ob dieses Prädikat wirklich gerechtfertigt ist, sollten Sie, verehrte Leserinnen und Leser, dieser Rubik auf der Internetseite von GRR selbst entscheiden, und zwar entweder gleich nach der Lektüre der Rezension unseres „Vorlesers“ Detlef Kuhlmann oder spätestens nach eingehender Lektüre des gesamten Buches – viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion, die in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen wird und die vermutlich ihresgleichen sucht!

Peter Rausch:
FIT bis zum Umfallen. Launiges und Nachdenkliches rund um den Langstreckenlauf und andere Ausdauersportarten.
Bruchhausen-Vilsen:
VolkSport-Verlag 1986. 111 Seiten.

Aus dem Tagebuch eines Ausdauersportlers – so oder ähnlich hätte der Titel dieses Buches ebenso lauten können. Was Peter Rausch, ein noch nicht 50-jähriger Kriminalpolizist aus Kassel uns mitteilt, sind teilweise amüsant geschriebene Berichte – wie der Titel schon ankündigt – "rund um den Lang-streckenlauf und andere Ausdauersportarten", teils gelingt im dies in Form von kleinen Erzählungen, kurzen Gedichten, knackigen Aphorismen und immer wieder durchsetzt mit Zeichnungen von Peter Wagner, der den Laufsport spöttisch betrachtet. Beide, der Autor und der Zeichner, geben dem Buch eine gleichnamige Zielsetzung – und so lesen wir im Vorwort: "Es will in erster Linie unterhalten und im lockeren Stil dazu beitragen, dass der Laufsport trotz seines leistungssportlichen Charakters von der Masse der Läufer nicht so tierisch ernst genommen werden sollte" (5).

Ferner erfahren wir schon hier am Anfang, dass Rausch seine Lauf-Heimat in einem Sportverein hat. Übrigens: Auch der derzeitige DLV-Marathon-Bundestrainer Win-fried Aufenanger hat bei den "rauschenden" Lauf-Betrachtungen irgendwo und irgendwie Pate gestanden. Das Buch selbst gliedert sich in insgesamt zehn Kapitel (z. B. "Laufbeziehungen", "Aufs Korn genommen" und "Sportler können auch feiern") mit genau 85 Texten (ein paar davon sind von Petra Arnold und Wolfgang Fuchshuber verfasst). Einige lassen bereits von der Überschrift her (z. B. "Sport und Hygiene", "Das Verhältnis von Breiten- und Spitzensport") einen eher wissenschaftlich-theoretischen Zugang erwarten, so natürlich auch die ganz grundsätzliche Frage:
Was ist Laufsport?

Die Antworten erinnern dann eher an Definitionen, wie man sie vermutlich in keinem Wörterbuch findet: "Laufsport ist eine unersättliche Schönheit, die kaum befriedigt, schon wieder befriedigt werden muss. Laufsport ist ein Ur-laubsort, an dem man sich das ganze Jahr über erholen kann. Laufsport ist ein Sparvertrag, bei dem die Zinsen höher sind als der Einsatz" (9).
Abschließende Frage: Was uns sonst noch an Definitionen zum Laufsport ein?

Jürgen Roscher:
Marathonführer. Das Handbuch.
Berlin 1994. 261 S.

Jürgen Roscher ist selbst ein „Klassiker“ in der Laufszene … als fleißiger Läufer und fleißiger Schreiber. Bereits in den 1980er Jahren hat er mit dem Läufer-Roman und dem viel sagenden Titel "ÜberLeben" debütiert. Wer die-ses Buch jedoch kennt, dem fällt es nicht schwer, den Marathonführer von Jürgen Roscher, der nun bereits in der dritten aktuellen Ausgabe vorliegt, ebenfalls als "gute antiquarische Laufliteratur" einzustufen.

Der laufliterarische Kern dieses seinerzeit einzigartigen deutschsprachigen Werkes ist verpackt mit vielen hilfreichen Informationen über knapp hundert Marathonläufe, die über das ganze Jahr verteilt von Januar bis Dezember hierzulande, aber auch im benachbarten Ausland stattfinden. Roscher hat sie (fast) alle selbst zu Fuß zurückgelegt, von dem größten, dem Berlin-Marathon, bis hin zum kleinsten, dem Iller-Marathon in Immenstadt mit insgesamt 17 Finishern. Auch wer nie im Leben einen Marathonlauf zu absolvieren beabsichtigt, kann hier zumindest lesenderweise schon mal auf die Strecke gehen.
Wetten, dass…

Jürgen Roscher:
LAUFREISEN sind was schönes … und andere Fersenflüge.
Berlin 1998: Marathonführer. 100 S.

Jürgen Roscher ist Vielschreiber – und Vielläufer sowieso. Wahrscheinlich weiß nur er selbst die Frage zu beantworten, ob er nur mehr Texte geschrieben hat oder mehr Marathons gelaufen ist. Soviel scheint auf jeden Fall festzustehen:
In beiden Disziplinen muss es jeweils ein x-faches von Hundert sein. Zur Sache: Sein neuestes Textprodukt ist ein Buch, dessen Titel zugleich Motto sein kann, obwohl den Leser bzw. die Leserin hier nicht die Schilderung irgendwelcher lauftouristischen Begebenheiten erwartet. Zwar ist auch z.B. von den Marathonläufen in New York, Lissabon und anderswo die Rede, ganz zu schweigen von den mittlerweile leider gestorbenen (z.B. in Bonn, Bremen etc.), aber Roscher – dieses Urteil sei gestattet – hat ein ausgefeiltes Faible für Randnotizen, für das an sich nebensächliche, das bei ihm dann – welch Lese-Wunder – zur Hauptsache avanciert.

So gelingt es Jürgen Roscher immer wieder, den Hintergrund des Vordergründigen offen zu legen – was damit gemeint ist? Am besten gleich selber auf Lese-Entdeckungsreise gehen! Alle Texte sind so portioniert, dass man sie so ganz nebenbei sehr gut lesen kann. Wenigstens ein paar Titel seiner "Laufreisen" können als Appetizer gelten:
Kalter Kaffee Doping, Frauen kommen zu kurz, Die Mütze, Ab Kilometer 30 erscheinen Engel. Und noch etwas allzu menschliches empfiehlt Roscher durchgängig in seinen Texten: Man darf/soll niemals den Läufer neben sich vergessen (siehe die Texte auf den Seiten 16, 20, 37 etc.).
Ob es das Buch immer noch gibt?
Am besten beim Verfasser nachfragen: Jürgen Roscher, Brentanostraße 15, 12163 Berlin.

Andreas Roß: Du siehst noch gut aus.
Eine Erzählung. Vom Darmstädter Lauftreff zum Frankfurter Marathon.
Darmstadt: A cRime Verlag 1998. 157 S.

"Du siehst noch gut aus!" Wer von uns wünscht sich nicht, dass man ihm solche Worte – zumal bei einem längeren Lauf kurz vor dem Ziel – zuruft. In diesem Fall kommt man jedoch unweigerlich zu dem Schluss, dass dieser Satz nur dem Autor höchstpersönlich gelten kann, jedenfalls deutet schon beim Anblick der Coverseite des Buches vieles darauf hin. Eine Bestätigung dieser Vermutung wird dann im Text später nachgeliefert.
Das Buch wird angekündigt als eine Erzählung, die sich "vom Darmstädter Lauftreff zum Frankfurter Marathon" (Untertitel) hin bewegt. Damit ist eigentlich alles zum Inhalt des Buches gesagt.
Die Besprechung könnte hier enden – aber da war noch was:

Es geht nämlich nur vordergründig um den Darmstädter Lauftreff und den Frankfurt Marathon. Die Erzählung handelt zugleich – autobiografisch durchtränkt – von der Karriere des Andreas Roß, der sich vom Nicht-Sporttreibenden zum Laufbegeisterten entwickelt und diesen Veränderungsprozess eindrucksvoll und detailliert beschreibt. Insofern könnte man das Buch auch als eine dreifache Liebeserklärung bezeichnen, nämlich zum einen an den ("berühmten") Darmstädter Lauftreff selbst, wo Roß u.a. zusammen mit Jochen, Heidi, Udo, Julia und Herrn Meyer das Laufen erlernte, zum anderen an den Frankfurt Marathon, dessen Teilnahme einen vorläufigen Höhepunkt seiner Laufbahn darstellt. Schließlich ist das Buch zum dritten eine Liebeserklärung, die der Autor an sich selbst richtet – denn wie schreibt er doch an und über sich:
"Du siehst noch gut aus!"

Das Text-Gerüst für die gut 150-seitige leichte Lektüre bilden Start und Ziel des Frankfurt Marathons. Exakt um "9.00 Uhr" (Kapitelüberschrift) an einem Sonntag Ende Oktober so irgendwann Mitte der 1990er Jahre beginnt der Lauf des Andreas Roß und endet nach knapp 4 Stunden Laufzeit auf Seite 151 mit dem letzten Schritt über die aufgestellten Tartanmatten im Ziel an der Friedrich-Ebert-Anlage, wo links und rechts jubelnd Menschen Spalier stehen.
Und genau dort muss er es gehört haben, genau dort muss es ihm irgendjemand zugerufen haben:
"Du siehst noch gut aus!"

Während dieser Erzählzeit blickt Roß auch zurück, lässt uns an seiner eigenen Laufgeschichte teilhaben, nimmt uns als Leser zwischendurch aber immer wieder zurück auf die Strecke des Frankfurt Marathons, wenn er an der Alten Oper vorbeiläuft oder die Untermainbrücke überquert – ein gekonntes Spiel von Gegenwart und Vergangenheit. Der Autor erinnert sich, wie alles anfing, als er im Winter 1991 mit "rasenden Rückenschmerzen" aufgewacht war und nach einem Arztbesuch den Rat erhielt, doch mit Sport anzufangen. Er entschied sich für das Joggen, zunächst mit Matze, quasi seinem ersten Lauflehrer. Dann buchte er sogar ein Tagesseminar, um sich theoretisch mit einigen Grundlagen über Vorgänge beim Laufen vertraut zu machen.

Ganze Abschnitten erscheinen dazu nun im Buch als Zitat des Dozenten. Das klingt dann so fundiert, wie man es besser aus einem Lehrbuch nicht hätte abschreiben können – ein kurzes Beispiel soll genügen: "Die Energiegewinnung wird auch Stoffwechsel genannt, und der Stoffwechsel, der ohne Sauerstoff funktioniert, heißt: anaerober Stoffwechsel.
Hierdurch kann der Körper kurzfristig eine hohe Leistung bringen" usw. usw.

Aber noch etwas ganz anders fiel mir beim Lesen auf: Rechtschreibreform her oder hin – mit Orthografie und Interpunktion hat der Autor anscheinend nicht viel im Sinn! Kaum eine Seite, wo nicht gleich einige Kommata fehlen oder zuviel sind und zudem recht eigentümliche Schreibweisen angeboten werden z.B. "Parkur", "allerding", "Ergeiz" "irgandwann" oder ein "Rhytmus", der in der gleichen Zeile dann nochmals als "Rythmus" daherkommt usw. usw.
Anscheinend ist sogar der Hansa-Marathon in Hamburg neuerdings umbenannt worden oder? Solche Schlampereien – zumal wenn sie sich in die Hunderte summieren – finde ich beim Lesen nervig, sie dürften einfach nicht sein. Dem Autor, der auch sein eigener Verleger ist, kann man nur dringend empfehlen – sollte sein Haus personell expandieren können – zu allererst einen kompetenten Lektor einzustellen. Den zukünftigen Verlagsprodukten würde es gut tun, und seine Leser hätten noch mehr Vergnügen an der Lektüre. Vielleicht gibt es jedoch längst zu dem hier präsentierten Werk eine bereinigte 2. Auflage …
das kann dann jeder selbst erfragen bei Andreas Roß, Riedeselstraße 41, 64283 Darmstadt,
Tel. 06151/292128 – vorausgesetzt, die Adresse stimmt auch heute noch!

Daniel de Roulet: Die blaue Linie.
Zürich: Limmat Verlag 1996. 188 S.

Marathon erfahrene Läuferinnen und Läufer kennen sie: Die blaue Linie weist den Weg nach vorn bei einem Marathonrennen und stellt insofern ei-nen idealtypischen Streckenverlauf dar, als diejenigen, die exakt auf oder neben ihr laufen, genau die geforderten 42,195 km zurücklegen. Um eine solche blaue Linie geht es in dem gleichnamigen Roman des Schweizer Architekten und Informatikers Daniel de Roulet (Jahrgang 1944).

Das Buch umfasst genau jene 26 Kapitel, die ein Marathonlauf Meilen hat. Der Autor nimmt uns zusammen mit seinem Läufer Max mit auf die Strecke des New York City Marathons (NYCM) mit dem Start an der Mautstelle der Verrazano-Brücke, durch Brooklyn, Manhattan und die Bronx bis schließlich zur 62. Straße Central Park West, dem Ziel – zwischendurch sind auch die fünf Meilen mit ihren Steigungen auf der First Avenue in Richtung Norden zu laufen:
„Die beiden Seiten der Avenue verlieren sich in der Ferne, trotz eines hypothetischen Treffpunktes an der Schnittstelle von Horizont und Fluchtlinien. Läufer schließen sich an Läufer, in einem endlosen Korridor. Entweder man macht’s oder man lässt’s. Die Länge der kommenden Anstrengung scheint unendlich und gleichzeitig wie eine magische Einladung zum Abenteuer“ (125).
In welchem Jahr mag denn nun Max diesen NYCM absolviert haben? Insider erlesen sich die Antwort spätestens auf Seite 134, da ist von der norwegischen Weltklasseläuferin Grete Waitz die Rede, die zusammen mit dem Krebs gezeichneten NYCM-Renn-Direktor Fred Lebow unterwegs ist.
Das war im Jahre 1992, und es sollte zugleich sein letzter Marathon gewesen sein.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 1
Teil 1

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 2
Teil 2

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 3
Teil 3

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 4
Teil 4

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 5
Teil 5

author: GRR

Comment
0

Leave a reply