Über die Frage, wie man Deutschlands Läufern Beine machen kann, zerbrechen sich dagegen jede Menge Leute den Kopf.
Rennstall für Läufer? Christian Ermert in der Fachzeitschrift leichtathletik
Für die Zuschauer gibt es kaum etwas attraktiveres als Laufwettbewerbe mit deutscher Beteiligung. Darüber, wie künftig wieder mehr DLV-Athleten bei WM oder Olympia in Finals auf der Bahn mitmischen können, zerbrechen sich die Experten den Kopf.
Eine Idee: Ein Team aus Laufprofis, gesponsert vom Lauffachhandel.
Lauf vor Sprung und Wurf. Das ist die Rangfolge der leichtathletischen Disziplinen beim TV-Publikum. „Die Fernsehanstalten bevorzugen vor allem die Laufdisziplinen. Das ist die Realität“, sagt Christian Milz, Generaldirektor des Europäischen Leichtathletik-Verbandes EAA. Und deshalb ist es für die deutsche Leichtathletik ein Problem, dass die Rangfolge der erfolgreichsten Disziplinen genau umgekehrt zur Beliebheitsskala ist. Nach Medaillen liegen die deutschen Werfer weit vor den Springern und erst ganz hinten kommen die Läufer.
Daran haben auch die Sensationserfolge von 10.000-Meter-Ass Jan Fitschen und Marathonläuferin Ulrike Maisch bei den Europameisterschaften 2006 in Göteborg nicht viel geändert. Und es ist nicht nur für die TV-Präsenz ein Problem – mit erfogreicheren Läufern ließe sich auch das Millionen-Heer der Hobby-Joggern in Deutschland viel besser für die Leichtathletik begeistern.
Jogger begeistern
Dass dies im Hinblick auf die WM 2009 in Berlin ein Ziel ist, bestreiten weder die WM-Organisatoren noch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV). Auch wenn sich die erfolgreichen Werfer und deren Trainer dadurch manchmal nicht ausreichend gewürdigt fühlen, wie zuletzt Michael Deyhle im Interview mit dem Internet-Portal leichtathletik.de: „Wären wir drittklassige Sprinter, sähe es viel besser aus. Hammerwerfen ist eben eine Randsportart, und da ist es ganz, ganz schwierig, interessante Partner zu finden“, beklagte der Coach von Hammerwurf-Weltmeisterin Betty Heidler.
Dabei wäre es für logisch denkende Marketingstrategen ganz einfach, man benötige bloß ein Konzept. „Diese Gedanken macht sich jedoch niemand. Und selbst für den DLV ist der Hammerwurf der Frauen weiterhin eine Randdisziplin“, sagte der Frankfurter.
Über die Frage, wie man Deutschlands Läufern Beine machen kann, zerbrechen sich dagegen jede Menge Leute den Kopf. DLV-Cheftrainer Jürgen Mallow kündigte zuletzt im Interview mit leichtathletik an, spätestens bis zur WM 2009 werde der Aufschwung der Leichtathletik auch die Läufer erfasst haben. Welche Impulse der Verband den Läufern geben will, konkretisiert Disziplin-Trainer Detlef Uhlemann.
Eine Reihe von Höhentrainingslagern ist die wichtigste Maßnahme, mit der die Konkurrenzfähigkeit auf den Strecken von 800 Metern bis Marathon verbessert werden soll.
Laufteam aus Profis?
Viel weiter gehende Überlegungen hat sich indes der Marketing-Experte Daniel Kumelis gemacht. Der 35-Jährige ist bei Runners Point, die 120 Laufläden in ganz Deutschland betreiben, für Werbung und PR zuständig. Am liebsten würde er ein Team von Läufern gründen, denen sein Unternehmen ein monatliches Gehalt überweist. Im Gegenzug sollten Deutschlands beste Läufer bei allen Meetings im Trikot von Runners Point starten und mit dem Unternehmen identifiziert werden. „So wie bei den Rennställen im Radsport – bloß ohne Doping“, sagt Kumelis, der vor seiner Karriere im Lauffachhandel für das Marketing der nationalen Olympiabewerbung der Rhein-Ruhr-Region und von Football-Teams aus der NFL Europe zuständig war.
Der Diplom-Sportwissenschaftler und begeisterte Marathonläufer (Bestzeit 2:38) hat seine Diplomarbeit zum Thema Vermarktung im Automobilsport verfasst.
Er träumt davon, eigene Trainer zu engagieren und die Athleten an einem Ort wohnen zu lassen, am besten in einer Art WG: „Dann können sie jeden Tag zusammen trainieren und sich gegenseitig fordern“, beschreibt Kumelis sein Ideal vom Läuferleben, das am Ende vom Erfolg gekrönt wird. Nur eins möchte er nicht: Für sein Laufteam einen Verein gründen oder mit einem bestehenden Verein kooperieren. Kumelis will sein Team als Wirtschaftsunternehmen betreiben.
Daran scheitern die hochfliegenden Pläne bislang. In der deutschen Leichtathletik ist es nicht vorgesehen, dass Athleten an Wettkämpfen teilnehmen, ohne einem Verein anzugehören. Anders als im Radsport oder im Triathlon, wo die Profis ihre Lizenz direkt beim nationalen Verband lösen und dann auch für Teams starten können, die beispielsweise als GmbH organisiert sind, müssen deutsche Leichtathleten einem Verein angehören, um von ihrem jeweiligen Landesverband einen Startpass zu erhalten.
Vereinsstruktur bleibt
Und daran wird sich in Zukunft wohl auch nichts ändern, wie Jan Kern, Technischer Direktor beim DLV erklärt: „Es hat große Vorteile, wenn wir keine Profi-Leichtathletik haben, in der die Athleten in einem Angestellten-Verhältnis zu ihrem Team stehen. So werden ihre Leistungen und ihr Verhalten nur nach den Regeln des Sports beurteilt und haben keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mit weitreichenden Folgen für das außersportliche Leben der Athleten.“
Gerade dieses arbeitsrechtliche Verhältnis wäre es aber wohl, was es für Firmen wie Runners Point attraktiv machen könnte, Läufer umfassend zu fördern. Das Unternehmen könnte seine Vorstellungen vom Laufen als Leistungssport durch eigene Trainer und Manager durchsetzen – ungebremst von Vereins- und Verbandsinteressen, die nicht immer deckungsgleich mit denen der Firma sind.
So möchte Kumelis die Spitzenläufer auch für andere finanzstarke Sponsoren interessant machen: „Ich denke dabei auch an Unternehmen, die nicht aus dem Sport kommen: Banken, Versicherungen und Firmen aus der Automobil- und Telekommunikationsbranche.“
Vorbild USA?
Als Vorbild könnte die Unterstützung dienen, die der Sportartikel-Riese Nike Läuferinnen in den USA angedeihen lässt. Im Athleten-Porträt von Langstrecklerin Kara Goucher auf der Website des US-Leichtathletik-Verbandes USATF steht in der Rubrik „Club“ einfach nur: Nike.
Klar – Vereine im deutschen Sinn kennt die US-Leichtathletik nicht. Und die Läuferin holte bei der WM in Osaka Bronze über 10.000 Meter für den US-Verband.
Vielleicht finden sich aber auch im deutschen System mit den starken Vereinen Wege, wie die Sportartikel-Industrie und der Handel speziell die Läufer fördern können.
Disziplin-Trainer Detlef Uhlemann jedenfalls begrüßt so ziemlich jedes Engagement für die deutschen Spitzenläufer. Und Cheftrainer Jürgen Mallow hat schon vor einigen Wochen in leichtathletik erklärt, dass der DLV Sponsoren für seine Läufer sucht…
Christian Ermert
erschienen in der Fachzeitschrift leichtathletik vom 27. November 2007