Wir hoffen, dass andere Verbände unserem Beispiel folgen und wir bald einen Deutschen Sportgerichtshof haben werden.
Im Gespräch: Leichtathletik-Präsident Clemens Prokop – „Wir bleiben autonom“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Der DLV gibt seine Sportgerichtsbarkeit an eine unabhängige Institution ab.
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV), dessen Präsident Sie sind, wird sich am 1. Januar 2008 als erster und bisher einziger nationaler Sportverband der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen. Gibt der Verband damit seine Autonomie auf?
Wir geben nicht unsere Autonomie auf, sondern verlagern die Sanktionsbefugnis auf einen Dritten. Wir wollen sicherstellen, dass die Sanktionierung auch nach außen glaubwürdig und nach innen fair verläuft. Dann sprechen nicht mehr vom Verband berufene Schiedsgerichte Sperren aus – oder sprechen frei -, sondern neutrale Fachleute. Bisher wurde den Richtern ja manchmal Nähe zum Verband unterstellt. Deshalb kam ihren Sprüchen nicht die Entscheidungsqualität von staatlichen Gerichtsurteilen zu. Das ist der Grund dafür, dass wir schon seit 2001 unabhängige Entscheidungsgremien ausgewählt haben. Wir hoffen, dass andere Verbände unserem Beispiel folgen und wir bald einen Deutschen Sportgerichtshof haben werden.
Entscheidet das Schiedsgericht in letzter Instanz?
Es besteht die Möglichkeit, den CAS in Lausanne anzurufen.
Geben die Athleten Rechte auf?
Die Verfahren vor dem Schiedsgericht verlaufen wie vor staatlichen Gerichten. Sie sind ihnen in Verfahren und Wirkung gleichgestellt. Die Schiedsrichter werden ja nicht von einem Verfahrensbeteiligten, also dem Sportverband, berufen.
Müssen Athleten darauf verzichten, ordentliche Gerichte anzurufen?
Das ist keine Besonderheit. Von allen Leistungssportlern wird verlangt, dass sie sich in letzter Instanz dem CAS unterwerfen. Wir haben jetzt national etwas geregelt, was international längst Standard und Bestandteil aller Regelwerke ist.
Wenn jemand wie Grit Breuer, Sportlerin und Lebensgefährtin des wegen Dopings einer Minderjährigen verurteilten Trainers Thomas Springstein, aus dem Verein und damit aus dem Verband austritt, greift das Schiedsgerichtsverfahren nicht mehr, oder?
Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist verbunden mit der Kompetenz des Verbandes, Sanktionen auszusprechen. Diese Sanktionsgewalt endet natürlich, wenn keine Mitgliedschaft mehr besteht.
Und es gilt, im Gegensatz zu staatlichen Gerichten, nicht der Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten. Gilt weiterhin die Schuldvermutung?
Das Recht, nach dem ein Schiedsgericht entscheidet, ist dasselbe wie das, nach dem ein staatliches Gericht urteilt. Die Unschuldsvermutung gilt nur im Strafrecht. Maßgeblich ist aber in Dopingverfahren des Sports das Zivilrecht. Da gilt der Anscheinsbeweis: Eine positive Probe löst die Vermutung aus, dass der Athlet gedopt hat.
Wollen Sie ein Zeichen setzen?
Wenn etwas sinnvoll ist, soll es so schnell wie möglich umgesetzt werden. Wir wollen mit unserer Unterwerfung in der Tat ein Zeichen setzen, dass das eine richtige und wichtige Entscheidung ist.
Was sagen Sie Verbänden, die den Schritt nicht tun?
Die Kosten dürfen kein Argument sein. Wir haben für Dopingverfahren besondere Gebühren vereinbart. Man muss sehen, dass ein solches Verfahren ein vielfach teureres Verfahren vor einem staatlichen Gericht ersetzt. Verbände müssen auch sehen, dass sie, ich sag' mal vorsichtig: Vorteile bei der Haftungsproblematik haben, wenn Sperren in der letzten Instanz nicht bestätigt werden würden.
Da sind die Leichtathleten ja gebrannte Kinder.
Der DLV war vor Gericht immer erfolgreich. Aber im Fall Krabbe war die Schadensersatzforderung so hoch, dass der Verband im Fall einer Niederlage vor Gericht wirtschaftlich existentiell gefährdet gewesen wäre. Der internationale Verband IAAF musste Schadensersatz zahlen; wir waren außen vor.
Was wäre gewonnen, wenn sich alle deutschen Sportverbände dieser Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen würden?
Wir hätten Einheitlichkeit in der Sanktionspraxis. Das ist vor allem unter dem neuen Kodex der Wada von Bedeutung, der einen Ermessensspielraum von sechs Monaten bis vier Jahren und lebenslang eröffnet. Dieser Spielraum darf nicht von unterschiedlichen Verbänden unterschiedlich gehandhabt werden.
Die Fragen stellte Michael Reinsch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Donnerstag, dem 6. Dezember 2007