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05
01
2008

Mit der Gründung des Museums für Leibesübungen zu Berlin e.V. am 20. Juli 1925 beschritten der Privatsammler Erich Mindt und der Ministerialbeamte Dr. Arthur Mallwitz (Preußisches Ministerium für Volkswohlfahrt) den langen Weg der Archivierung von Sportgeschichte

Sportmuseum Berlin – Das fitteste Museum der Hauptstadt – Von Christina Hanus

By GRR 0

Sport – ein kurzer Begriff, unendliche Vielfalt. Seit Jahrtausenden widmen sich Menschen der Leibesertüchtigung – sei es im Zusammenhang eines Ritus, zu militärischen Zwecken, der Unterhaltung oder dem eigenen Vergnügen. Schon in der Antike wussten Griechen und Römer um den Reiz und den Nutzen der verschiedensten Sportarten. Als Schauplatz römischer Sport- und Spieleunterhaltung bot der älteste und größte Zirkus Roms, der Circus Maximus, um 300 n. Chr. Platz für mehr als 250000 Zuschauer – dagegen mutet das Berliner Olympiastadion mit einer Kapazität von über 74000 geradezu überschaubar an.

Heute, im 21. Jahrhundert, erfreut sich der Sport in all seinen Disziplinen einer noch viel größeren Beliebtheit unter Zuschauern und Sportlern, sei es als sportlicher Wettkampf oder erholsame Abwechslung zum Alltag. Doch wie steht es um die Sportgeschichte hierzulande? Antwort darauf gibt das Sportmuseum in Berlin, welches die größte Sportsammlung Deutschlands bewahrt. Es sei allen Sportliebhabern ans Herz gelegt, die neben der aktiven Ausübung ihrer Favoriten-Disziplin auch die theoretische und historische Seite des Sports kennen lernen möchten. Der Standort der Sportsammlung – Berlin – birgt eine wechselvolle, von der Politik der vergangenen Jahrzehnte geprägte Entstehungsgeschichte des heutigen Museums.

Eine Idee wird geboren

Mit der Gründung des Museums für Leibesübungen zu Berlin e.V. am 20. Juli 1925 beschritten der Privatsammler Erich Mindt und der Ministerialbeamte Dr. Arthur Mallwitz (Preußisches Ministerium für Volkswohlfahrt) den langen Weg der Archivierung von Sportgeschichte. Das erste allgemeine Sportmuseum der Welt war geboren. Gemäß der Idee eines Weltsportmuseums zielte man in seiner Sammlungstätigkeit dahin, einem breit gefächerten Publikum die Ursprünge und den historischen Verlauf von Körperertüchtigung von der Antike bis in die Gegenwart zu veranschaulichen.

Schon bald darauf, im Oktober 1925, konnte das Museum seine erste Schausammlung aus historischen Realien zur Geschichte von Körperkultur und Sport im Berliner Stadtschloss präsentieren. 1930 wurde die Sammlung dem preußischen Staat übereignet und zog ins Architektenhaus in der Wilhelmstraße um. Doch dieser ersten Etablierung folgte bereits 1934 eine Zäsur. Die Nationalsozialisten lösten die Kultureinrichtung auf, die umfangreiche Sammlung des Museums verschwand im Depot. Im Verlauf des Krieges wurden die gesamten Museumsbestände vernichtet. Nur ein geringer Teil der Bibliothek und des Bildarchivs (heute im Besitz der Humboldt-Universität zu Berlin bzw. des Vereins Deutsches Sport- und Olympiamuseum e.V.) entging diesem Schicksal.

Nach Kriegsende und der Zonen-Teilung Berlins wurde ein neuer Anfang für ein Museum des Sports angestrebt. Die Bemühungen um den Aufbau sporthistorischer Sammlungen der verschiedenen Institutionen folgten dabei individuellen Schwerpunkten. In Ost-Berlin arbeitete das Sammlungszentrum des Zentralen Sportmuseums der DDR (1978-1990) an der Archivierung von Zeitzeugnissen aller Material- und Sachgruppen speziell zur Entwicklung des Sportgeschehens in der DDR und In Deutschland vor 1945, wie auch der bedeutenden internationalen Entwicklungstendenzen des Sports. Dagegen konzentrierte sich das Sporthistorische Kabinett Berlins (1970-1989/92) darauf, Materialien zur Sportgeschichte Berlins und seiner näheren Umgebung zusammenzutragen, wobei ein Sammlungsschwerpunkt auf dem Arbeitersport in Berlin lag.

Auch in West-Berlin trieb man den Aufbau neuer Sportsammlungen voran. Bereits seit 1954 widmete sich der Willy-Kohlmey-Kreis der Pflege eines Archivs, von Statistiken und einer Fotosammlung zur Geschichte der Berliner Leichtathletik. Ergänzend konnte das Forum für Sportgeschichte Berlin e.V. (seit 1976) Sammlungen und Exponate der Sportgeschichte in begrenzterem Umfang erwerben. Der Fokus der musealen Arbeit sollte auf eine breit gefächerte Ausstellungsarbeit in Berlin-West und der Bundesrepublik ausgeweitet sein.

Eine Sport-Stadt wächst zusammen

Nach dem Fall der Mauer konnte erstmalig seit den 1920er Jahren wieder an ein geeintes Sportmuseum in Deutschland gedacht werden. 1990 wurden die unterschiedlichen Sammlungen zur Sportgeschichte im Sportmuseum Berlin zusammengefasst, das bis zum 23. Juni 1995 als selbstständiges Landesmuseum mit direkter Unterstellung zum Kultursenat existierte und dann in die öffentliche Trägerschaft der Stiftung Stadtmuseum Berlin überging.

Das Museum befindet sich seit 1997 idealerweise auf dem Gelände des Berliner Olympiaparks und basiert in seinen Beständen vor allem auf der Pionierarbeit der ehemaligen Institutionen in Ost- und West-Berlin. Neben der Bibliothek, dem Archiv sowie den Arbeits- und Depoträumen sind nun auch ein kleiner Seminarraum und ein Leseraum im so genannten „Schwimmhaus“ innerhalb des Hauses des Deutschen Sports untergebracht, das 1936 nach den Plänen von Werner und Walter March aus dem Jahr 1925 fertiggestellt wurde. Seit Herbst 2003 wurde der Schwimmhallenflügel entsprechend heutiger Museumsanforderungen für das Sportmuseum Berlin umgebaut.

Inzwischen ist das heutige Sportmuseum fest etabliert in der Berliner Kulturlandschaft und konnte den Umfang seiner Bestände seit 1990 mehr als verdoppeln, mit gegenwärtig über 100.000 Objekten. Da es noch an der Infrastruktur für eine Dauerausstellung mangelt, werden in Wander- und Sonderausstellungen der Öffentlichkeit unterschiedliche Bereiche des Sportgeschehens präsentiert.

Im Lichthof des Hauses des Deutschen Sports, der seit November 2006 als provisorische Stellfläche bereitsteht, werden derzeit Ausstellungen zum Thema „Sport unter dem Davidstern“ und zum „AlMS Marathon-Museum of Running“ gezeigt. Ergänzend dazu wird Interessierten die Möglichkeit geboten, durch die Depots des Sportmuseums geführt zu werden.

Über 1,5 Millionen Bildmotive

Die Sammlungen zur deutschen, Berliner und brandenburgischen Sportgeschichte veranschaulichen facettenreich das sportliche, soziale und kulturelle Leben der vergangenen Jahrzehnte anhand von Realien wie Sportgeräten, Bekleidung, Fahnen, Medaillen, Pokalen und Urkunden. Darüber hinaus steht Besuchern des Sportmuseums nach Vereinbarung das einzigartige Sportbild-Archiv zur Verfügung – darunter das umfangreiche Bildarchiv des Heinrich von der Becke, einem der bedeutendsten Sportjournalisten in West-Deutschland. Die Fotosammlung des Sportmuseums Berlin verzeichnet derzeit über 1,5 Millionen Bildmotive. Ein beispielhaftes Multimedia-Archiv schlägt die Brücke in die Zukunft der Museumstätigkeit.

Die ebenfalls der Öffentlichkeit zugängliche sporthistorische Bibliothek umfasst rund 37.000 Bände. Neben Literatur zur Sportgeschichte aus den letzten zwei Jahrhunderten lagern dort Zeitschriften und Zeitungen, unter anderem die gesamten Verbandszeitschriften des deutschen Sports von 1945 bis 1990.

Abgerundet wird das Angebot für Sportbegeisterte durch Bildungsveranstaltungen für Vereine, Schulen und Pädagogen sowie regelmäßig angebotene Führungen auf dem Areal des Olympiaparks mit seinen spart-, architektur- und kulturhistorisch interessanten Bauten. Im Zentrum der musealen Sammlungstätigkeit stehen die Geschichte von Körper- und Bewegungskultur, die Dokumentation der Entwicklungs- und Produktionsgeschichte von Sportgeräten, -bekleidung und -ausrüstung.

Eine Sondersammlung zur Internationalen Laufsportbewegung widmet sich Stadtmarathons und Straßenläufen (AlMS-Marathon Museum of Running). Darüber hinaus liegt ein Interessensschwerpunkt auf dem Bereich Sportwissenschaft, speziell in der Forschung zu sportgeschichtlichen Quellen.

Die Sammlungen des Sportmuseums Berlin spiegeln die nationale und internationale Sportpräsenz der Stadt in der Vergangenheit, Gegenwart und hoffentlich auch weiteren Zukunft wider. Sie machen sporthistorische Themen sicht- und begreifbar als ein kulturelles, soziales und lebendiges Phänomen, das die Menschen schon seit Anbeginn der Zeit faszinierte. Um seinem Bildungsauftrag in allen Facetten gerecht zu werden, verbindet die Sammlung Elemente des klassischen Museums mit historischer und aktueller Sportgeschichte.

So soll dem Besucher vermittelt werden, wie die Geschichte des Sports mit allen Bereichen der menschlichen Geschichte im Zusammenhang steht.

Die Zukunft wird für das Sportmuseum Berlin noch einige Veränderungen bereithalten. Bis zum Ende dieses Jahres will man sich von dem bisherigen Träger – der Stiftung Stadtmuseum Berlin – trennen.

Sportmuseum Berlin, AlMS Marathon-Museum of Running,

Olympiapark Berlin,
Hanns-Braun-Straße, 14053 Berlin.
Telefon: (030) 3 05 83 00; (030) 3 05 83 90 (Bibliothek/Archiv);
(030) 3 05 83 50 (Fotosammlung).
E-Mail: sportmuseum.berlin@t-online.de
www.sportmuseum-berlin.de
Öffnungszeiten der Sonderausstellung im Lichthof: Mo-Fr: 10-14 Uhr. Eintritt in Olympiapark: l €, ermäßigt 0,50 €. Ausstellung: frei.

Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Kulturprojekte Berlin GmbH aus dem „MuseumsJournal. Berichte aus den Museen, Schlössern und Sammlungen in Berlin und Potsdam. Zugleich Berliner Museen, 6. Folge“, Nr. 4, 21. Jahrgang, Oktober–Dezember 2007, Seite 12-14 entnommen.

Anmerkung der Internet-Redaktion: Das Sportmuseum Berlin wurde 1994, beim XII. Weltkongress der Association of International Marathons and Road Races (AIMS) in Macau auf Vorschlag von Horst Milde, Chef des Berlin-Marathon und Berliner Halbmarathon, zum AIMS Marathon Museum of Running offiziell ernannt. Das Museum soll die Entwicklung des Laufsports und des Marathon weltweit aufarbeiten und dokumentieren. Die Läufe stellen dem Museum Material und Exponate ihrer Veranstaltungen zur Verfügung. So verfügt das Museum über Ausstellungsmaterial u.a. des Boston- und New York City Marathon, zuletzt sind Konvolute des Marine Marathon Washington und Tallin Marathon eingegangen. Auch die deutsche Leichathletikgeschichte wurde vom Sportmuseum Berlin in einem Festband dokumentiert. Zum 100-jährigen Jubiläum des DLV 1998 erstellte das Museum das offizielle Jubiläumsbuch. Zum 25-jährigen Jubiläum von AIMS 2007 konzipierte das Museum eine 18 teilige Tafelausstellung über die Historie von AIMS und die Entwicklung des Marathon in englischer Sprache, die zum Weltkongress in Xiamen/CHN ausgestellt wurde und jetzt durch die USA tourt. Diese Ausstellung ist jetzt auch in deutscher und englischer Sprache im Haus des Deutschen Sports im Olympiapark zu sehen.

Im März 2007 kam der Bürgermeister von Marathon Spyros Zagaris zu Besuch ins Sportmuseum Berlin und überbrachte einen Olivenkranz, der durch ein neuartiges Tauchbadverfahren in einer Bronzelegierung „metallisiert“ worden ist und jetzt dort ausgestellt ist

Viele Läufe der German Road Races (GRR) haben inzwischen dem Museum Exponate zur Verfügung gestellt, wie der Metro Marathon Düsseldorf, die Jubiläumsbücher des Leipzig Marathon, Frankfurt Marathon und Karlsruhe Marathon gehören zur Bibliothek des Museums. Wichtige Apparaturen, die die technische Entwicklung auch im Laufsport dokumentieren gehören dazu, wie die Stempeluhr von Otto Hosse (Bobingen) aus den sechziger Jahren und die neue Technik von ChampionChip, die das Museum in den letzten Wochen erhielt. Am Freitag vor dem Berlin-Marathon 2007 gab es durch den Senat von Berlin einen Empfang im Haus des Deutschen Sports aus Anlaß der Überlassung der Rennrollstühle vom Weltrekordler Heinz Frei, Erroll Marklein und der erfolgreichen Werferin Marianne Buggenhagen für den Beginn einer Ausstellung des Paralympicsports in Berlin.

Siehe auch den Beitrag bei German Road Races:

Vom neuen Berliner Marathonweltrekord von Haile Gebrselassie (2:04:26) – umgehend ins Sportmuseum Berlin dem AIMS Marathon Museum of Running. Haile Gebrselassie stellte in diesem Jahr gleich nach dem Rennen sein Original-Laufhemd (mit Autogramm) und seine Laufhose zur Verfügung.

Hailes Weltrekord

author: GRR

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