Je höher der Leistungsanspruch bzw. die Spielklasse, umso deutlicher wird der Alkoholkonsum kontrolliert bzw. eingeschränkt.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Sport und Alkoholkonsum? Ergebnisse einer empirischen Studie mit Vereinsjugendfußballern – Dr. Detlef Kuhlmann rezensiert
Der wachsende Alkoholkonsum bei Jugendlichen bis hin zu exzessartigen Trinkorgien gehört zu den besorgniserregenden gesundheitspolitischen Themen unserer Zeit. Insofern ist die Frage nahe liegend und geradezu berechtigt, inwiefern regelmäßiges Sporttreiben hier möglicherweise einen protekiven Beitrag leisten kann – konkret formuliert:
Schützt Sportengagement vor Alkohol – oder anders gefragt: Ist der Sport selbst eine Gefahrenquelle, weil es bei Jugendlichen im zeitlichen Nachfeld von Training und Spiel selbstverständlich dazugehört, Alkohol zu trinken?
Der Bielefelder Sportwissenschaftler Dr. Thomas Fritz hat dazu eine empirische Studie bei 135 (männlichen) jugendlichen Vereinsfußballspielern im Alter von 15 bis 17 Jahren in der Region Ostwestfalen durchgeführt, bei der er sowohl quantitative Daten per Fragebogen als auch qualitative Daten per Interviews erhoben hat. Es ging ihm u. a. auch darum, die generellen Trinkgewohnheiten von Jugendlichen auch außerhalb des Sports näher zu inspizieren.
Demnach gibt es per se drei Typen, was die Häufigkeit und die Intensität des Konsumverhaltens anbelangt: der Typ 1 („der fast Abstinente“) zeichnet sich durch ganz geringen Alkoholkonsum aus; der Typ 2 („der moderate Konsumierer“) kann sein Trinkverhalten stets kontrollieren; der Typ 3 dagegen („der exzessive Konsumierer“) will mit überhöhtem Konsum auch persönliche Probleme bewältigen. In diesem Zusammenhang ergibt sich ein interessanter Befund für die Extrem-Trinker mit Blick auf das soziale Setting im Fußballverein:
Diese Gruppe von Jugendlichen verfügt weitgehend über soziale Beziehungen zu Freunden außerhalb (!) der Mannschaft bzw. des Vereins. Im Umkehrschluss ließe sich daraus ablesen, dass von der Gruppe im Sportverein durchaus ein präventives Potenzial in Bezug auf den Konsum von Alkohol ausgehen kann, zumal ebenfalls festgestellt werden konnte, dass in den untersuchten Fußballvereinen die Heranwachsenden ganz selten exzessiv trinken.
Pädagogisch gewendet muss man den Ergebnissen der Untersuchung von Dr. Thomas Fritz noch bestimmte Bedingungen unterstellen, die erfüllt sein müssen, damit tatsächlich – und womöglich nachhaltig – der protektive Einfluss auf die alkoholischen Praxen der Jugendlichen wirksam werden kann: Ein solcher protekiver Einfluss liegt demnach insbesondere nämlich dann vor, wenn der Verein bzw. das Team in den sportlichen Zielen sehr leistungsorientiert ausgerichtet ist – verkürzt und pauschaliert gilt:
Je höher der Leistungsanspruch bzw. die Spielklasse, umso deutlicher wird der Alkoholkonsum kontrolliert bzw. eingeschränkt. Weiterhin ist der protektive Einfluss von der Person des Trainers abhängig: Wenn der Trainer selbst eine negative Einstellung zum Alkohol mitbringt und diese auch den Jugendlichen gegenüber praktiziert, dann kommen die Jugendlichen wesentlich weniger im Verein mit Alkohol in Berührung … allerdings ist wohl auch genau das Gegenteil (immer noch) stark verbreitet.
Ein Fazit lautet: Weder sind Fußballvereine generell als sog. „Feuchtbiotope“ zu bezeichnen noch können sie per se in Anspruch nehmen, eine „alkoholfreie Zone“ darzustellen. Aber: Welcher Verein bzw. welche Mannschaft wollte nicht die (alkoholischen) Trinkgelegenheiten und Trinkgewohnheiten der Jugendlichen am liebsten so arrangieren, dass sie stets leistungsförderlich sind?
Dr. Detlef Kuhlmann
Thomas Fritz: Stark durch Sport – stark durch Alkohol?
Eine Untersuchung an jugendlichen Vereinsfußballern.
(Hamburg 2006: Czwalina Verlag; 212 S.; 20 €)