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20
06
2008

Das waren noch Zeiten: Joschka Fischer ist 1998 in Stuttgart mitgelaufen.

Stuttgarter Zeitung-Lauf- Ein Rückblick – Dabei sein ist alles – die Historie eines Laufes – Geburtsstunde des City-Halbmarathons vor knapp 20 Jahren – Stefanie Keppler und Achim Wörner in der Stuttgarter Zeitung

By GRR 0

Stuttgart – Am Sonntag findet der StZ-Lauf bereits zum 15. Mal statt. Das Jubiläum ist zugleich eine Premiere: Erstmals führt die Halbmarathonstrecke mitten durch die Stadt – mit knapp 15.000 Läufern. Angefangen hat alles bereits Ende der 1980er Jahre. Ein Rückblick.

Die Vorläufer: Der Sportbürgermeister a.D., Gerhard Lang, hat einen Traum, nämlich den von einem Stuttgart-Marathon à la New York, Boston, Tokio oder Berlin. "Doch leider ist dieser Markt besetzt", sagt der Sozialdemokrat – und begnügt sich mit ein paar Nummern kleiner. Das ist 1989 gewesen und, wer so will, die Geburtsstunde des ersten City-Laufs. Dieser führt auf einer 1800 Meter langen Strecke quer durch die Innenstadt: Start auf dem Schlossplatz, Ziel vor dem Königsbau.

Rund 2500 Teilnehmer werden gezählt, die in der Meisterklasse eine Gesamtdistanz von 15 Kilometern zu absolvieren haben. Nach dem dritten Mal aber ist auch bereits wieder Schluss mit dem Stuttgarter Lauf. Sponsoren haben sich zurückgezogen. Und die Stadt ist in den damaligen Zeiten knapper Kassen nicht bereit, die finanzielle Lücke zu schließen. 1993 unternimmt das Sportamt allerdings bereits den Versuch, die Idee eines Stadtlaufs wiederzubeleben.

"Auch Stuttgart sollte eine Straßenlaufveranstaltung haben", so Wolfgang Schuster, der neue Sportbürgermeister. Sein Credo damals: "Wir sollten raus ins Grüne", denn reine Citymarathons durch die Innenstädte gebe es in Deutschland genug. Das war, wer so will, die Geburtsstunde des StZ-Laufs.

19. August 1994:
Überschaubar läuft die Premiere des Stuttgart-Laufs ab. 1500 Läufer und nur wenige Zuschauer – so lautet die Bilanz des ersten Stadtlaufs. Die Teilnehmer laufen auf Teilen der Marathon-WM-Strecke von 1993, vom Stadion entlang des Neckars bis zum Max-Eyth-See und zurück. Der Etat liegt bei 85000 Euro und finanziert sich aus Startgeldern, Sponsoren und einem Zuschuss der Stadt. "Ein guter Start", sagt Schuster zufrieden – wenn auch der Lauf eine Nummer kleiner ausfällt als zunächst vorgesehen.

9. Juli 1995:
Der Stuttgart-Lauf ist von der Läuferszene angenommen. 2072 Teilnehmer sind bei der zweiten Auflage dabei. Rainer Brechtken, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und New-York-Marathon-Teilnehmer, sagt nach dem Lauf bei tropischen Temperaturen: "Das war das Härteste, was ich je gemacht habe."

16. Juni 1996: Beim dritten Lauf starten 2300 Läufer. Erstmals wird die Zeit mit Chipkarte gemessen. Die Organisatoren vom Württembergischen Leichtathletik-Verband (WLV) bezeichnen den Lauf als "größte Laufveranstaltung im Südwesten Deutschlands".

15. Juni 1997: Die Teilnehmerzahl wächst stetig – inzwischen sind es 2880 Teilnehmer. Doch das Publikum entlang der Strecke fehlt. Erstmals gehen die Inlineskater an den Start. Die sportliche Prominenz ist zufrieden: Neben Rainer Brechtken im Halbmarathon beweist auch der Grünen-Abgeordnete Rezzo Schlauch über sieben Kilometer seine Ausdauer und sagt: "Im Sport ist dabei sein alles, in der Politik das Gewinnen."

14. Juni 1998: 4228 Laufbegeisterte nehmen an dem Laufevent teil, darunter auch der 5000-Meter-Olympiasieger Dieter Baumann und der Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen Joschka Fischer. Baumann läuft im Rahmen der StZ-Aktion "laufend fit" die sieben Kilometer, Fischer den Halbmarathon in 1:39,22 Stunden. Fischer sagt: "Für mich ist Laufen eine Art Befreiung aus dem Alltag."

6. Juni 1999:
Bei der sechsten Auflage wird die 5000er-Marke überschritten (5654 Teilnehmer). Der WLV-Präsident Karl-Heinrich Lebherz hat eine Vision: "Wir wollen irgendwann 10.000 Leute auf die Strecke bringen." Die Vision erfüllt sich schneller als erwartet.

25. Juni 2000:
Der siebte Stuttgart-Lauf entwickelt sich zum Großereignis für die ganze Familie: 7909 Teilnehmer zwischen sechs und 83 Jahren gehen auf die Strecke. Im Programm ist erstmals auch Walking.

1. Juni 2001: Der achte Stadtlauf sorgt für einen Rekord: 14.247 Teilnehmer werden gezählt, und Stuttgarts OB Schuster verspricht für 2003 eine Marathonstrecke. Der Andrang der Massen verursacht Probleme: Vor dem Lauf stehen viele Teilnehmer im Stau, zudem muss das hintere Halbmarathonfeld ohne Wasser auskommen, im Ziel geht die Verpflegung aus. Künftig fahren die Läufer kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln, und die Versorgung wird verstärkt.

30. Juni 2002:
Insgesamt 14.610 Teilnehmer starten beim neunten Lauf. Der Olympiasieger Dieter Baumann mischt sich beim 7-Kilometer-Lauf unter die Hobbyläufer. Den Marathonplänen Schusters erteilt der WLV-Präsident Lebherz eine Absage. Baumann unterstützt ihn: "Die Veranstalter sind gut beraten, bei ihrem Konzept zu bleiben. Mit dem Halbmarathon liegt Stuttgart im Trend."

23. Juni 2003: Der Tod eines Halbmarathonläufers überschattet den zehnten Lauf. Ein 45-jähriger Bankmanager bricht vor dem Ziel im Daimlerstadion zusammen und stirbt an Herz-Kreislauf-Versagen. Bei Temperaturen um 30 Grad gibt es viele Kreislaufprobleme unter den 16533 Teilnehmern. Der Halbmarathon etabliert sich mit 8647 Läufern hinter Berlin als Nummer zwei in Deutschland.

17. Juni 2004:
Der Stuttgart-Lauf bekommt einen neuen Titelsponsor und heißt künftig Stuttgarter-Zeitung-Lauf. Bei der elften Auflage sorgen 19.622 Teilnehmer für einen Rekord. Im Halbmarathon starten 9609 Athleten. "Wir wollen Deutschlands größter Halbmarathon werden", sagt der OB Schuster.

5. Juni 2005:
Die zwölfte Auflage des Stadtlaufs wird vom Tod zweier Läufer überschattet. Ein 28-Jähriger und ein 42-Jähriger brechen beim Halbmarathon zusammen und sterben im Krankenhaus nach Herz-Kreislauf-Stillstand. Der WLV hatte die Vorsichtsmaßnahmen zuvor optimiert. Der Projektleiter Gerhard Müller sagt: "Ein Restrisiko wird immer bleiben." Mit 19436 Läufern, die im Ziel ankommen, gibt es erneut einen Rekord.

22. Juli 2006: Kein Rekord, aber alle gesund im Ziel – so lautet das Fazit beim 13. StZ-Lauf. 18.300 Sportler laufen ins Daimlerstadion ein, wo kurz zuvor noch die Fußball-WM ausgetragen wurde. An der Strecke stehen 50.000 Zuschauer. Der Etat beläuft sich auf 650.000 Euro. Der Olympiasieger Dieter Baumann startet als Freizeitläufer im Halbmarathon und unterliegt dem Lokalmatador und Seriensieger Martin Beckmann.

22. Juni 2007: Insgesamt 19.742 Läufer kommen ins Ziel, allein 9600 im Halbmarathon. Auch der Kids Day am Samstag ist rekordverdächtig: dort starten rund 4700 Nachwuchssportler. Der 14. StZ-Lauf gehört damit zu den größten Laufveranstaltungen in Deutschland. Der Gesamtetat liegt bei rund 800.000 Euro, der Zuschuss der Stadt beträgt 51.000 Euro. Die Zuschauer entlang der Strecke feiern enthusiastisch – und verabschieden sich von der alten WM-Strecke von 1992. Von 2008 an soll es durch die Innenstadt gehen.

Stefanie Keppler und Achim Wörner in der Stuttgarter Zeitung, Freitag, dem 20. Juni 2008

author: GRR

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