Beachtliche Teilnehmerzahlen bei den ersten Frühjahrsläufen unterstreichen trotz starker Konkurrenz der Marathonläufe den Stellenwert von Laufevents in der Natur.
Highlights der Berglaufszene – Wilfried Raatz schwärmt über die attraktive Berglaufszene – Auszüge aus dem „Berglauf-Journal 2008“
Über 1000 Bergläufe weist der internationale Berglauf-Kalender auf. Die Distanzen reichen dabei von eher der Kategorie Bergsprint zuzuordnenden Distanzen von fünf oder sechs Kilometern bis hin zur Marathondistanz und darüber hinaus zu den Ultradistanzen wie die Tour du Mont Blanc über 165 km. Spektakuläres hochalpines Gelände wie auch eher sanfte Hügel in den Mittelgebirgen sind dabei das Terrain für die Landschaftsläufe, die zumeist eine lange Tradition haben.
Die Höhendifferenzen schwanken dabei beträchtlich, reichen hinauf bis 1000 und 1500 m, bei Langstreckenläufen und den damit zwangsläufig verbundenen Bergabpassagen kommen auch einmal rasch 2000 bis 3000 m Höhenmeter zusammen. Nischenläufe mit vierzig, fünfzig Startern haben dabei ebenso ihre Liebhaber gefunden wie auch die großen Massenevents mit Tausenden von Startern wie in Interlaken, Davos oder Chamonix.
Es ist unstrittig, dass sanft abfallende Hügelketten ebenso ihren Reiz haben wie die schroffen und bizarren Gebirgsmassive mit geringer Vegetation im Hochalpinen. Sie haben zumeist eines gemeinsam, nämlich den Spagat der Organisatoren zwischen einer läufergerechten perfekten Laufgestaltung und der behutsamen Nutzung der arg geschundenen Umwelt.
Beachtliche Teilnehmerzahlen bei den ersten Frühjahrsläufen unterstreichen trotz starker Konkurrenz der Marathonläufe den Stellenwert von Laufevents in der Natur. Eher regional ausgerichtete reine Berg(auf)läufe sind dabei ebenso gefragt wie die „langen Kanten“ am Kyffhäuser und am Rennsteig im Thüringer Wald, der bei inzwischen 36 Auflagen mit 13 000 Teilnehmern unbestrittener Branchenkrösus ist.
Nach der allmählichen Schneeschmelze im Mai kommen die ersten Klassiker der Alpenregion hinzu. Absoluten Erlebniswert genießt dabei der Aletsch Halbmarathon auf der verkehrsfreien Bettmeralp im Wallis auf 1900 Meter Höhe. Mit 1200 Finishern ist der Kultlauf am mit 24 Kilometern längsten Alpengletscher ein Muss für viele Landschaftsläufer. Vor allem, wenn die Sonnenterasse mit Blick auf das Matterhorn Urlaubsstimmung verbreitet. Im Vorjahr gab es durch den Freiburger Lehrer Max Frei sogar einen deutschen Sieg, der für Halbmarathondistanz 1:39:37 Stunden benötigte.
Der Graubünden-Marathon von Chur über Lenzerheide-Valbella auf das Parpaner Rothorn ist mit 2682 Höhenmetern eine besondere Herausforderung und gilt als einer der härtesten Marathonläufe. Der weltbeste Bergläufer Jonathan Wyatt setzte sich bereits dreimal erfolgreich durch und hält standesgemäß auch den Streckenrekord mit 3:18:56 Stunden, einer Zeit, die gut eine Stunde über seiner Flachdistanz-Marathonbestzeit liegt.
Im Wochentakt folgt mit dem Zermatt-Marathon ein weiterer Leckerbissen. Beeindruckend dabei das Ziel auf den 2600 m hohen Riffelberg, umgeben von der majestätischen Kulisse von 29 Viertausendern. Der Deutsche Helmut Schiessl und die 100 km-Weltmeisterin Elizabeth Hawker durften sich im Vorjahr bei Bilderbuchwetter feiern lassen. Der Zermatt-Marathon gehört übrigens mit dem LGT-Marathon im Fürstentum Liechtenstein, der im Bankenstaat von Bendern aus über die Landeshauptstadt Vaduz nach Malbun führt und 1800 Höhenmeter aufweist, und dem Jungfrau-Marathon zum Marathon-Mountain-Cup der Alpenländer.
Nach einem Gezerre um die Gebühren für die Seilbahnnutzung für Läufer und Material ist der Zugspitz-Extrem-Berglauf mit dem Start nach Ehrwald ins Österreichische ausgewichen, von wo aus 800 Bergspezialisten auf Deutschlands höchste Bergspitze hinauf laufen. Eher kraxeln, denn auf dem schmalen Grat bis zum 2944 m hohen Ziel ist Tritt- und Griffsicherheit gefordert. Wenn es das Wetter zulässt. Denn wegen Wintereinbruch mussten die Bergläufer im Vorjahr bereits am Schneefernerhaus ins provisorisch eingerichtete Ziel abbiegen. Martin Echtler und Ellen Clemens sind mit drei Siegen die Zugspitz-Champions.
Was einstmals zum 200. Jahrestag der Erstbesteigung des Großglockners begann, ist letztlich mit einem raschen Aufstieg zu einer der ersten Adressen der internationalen Berglaufszene geworden. Ohne Parallele ist dabei die exzellente Ausrichtung der Europameisterschaften, die selbst EAA-Präsident Hansjürg Wirz nachhaltig beeindruckt hatte. Mit stets 800 Startern geben sich in Heiligenblut sowohl Elite- als auch Hobbyläufer beim Großglockner-Berglauf die Klinke in die Hand. Spektakulär ist dabei vom Fuße des Pasterzengletscher aus der treppenartige Aufstieg auf das 2 370 m hoch gelegene Zielplateau mit direktem Blick zum Großglockner.
Der Ferienmonat Juli hat es in der Tat in sich, denn mit dem Karwendel-Berglauf in Mittenwald und dem Swiss Alpine Marathon in der Landschaft Davos stehen noch zwei weitere Highlights an. Unter der Federführung des früheren Weltklasse-Bergläufers Kurt König hat sich der Karwendel-Berglauf als Topevent gemausert, im Jahr 2001 sogar als „Einsteiger des Jahres“ gekürt. „Narrisch steil“ geht es hinauf über Geröllfelder und durch eine 450 m lange Tunnelröhre hinauf zur Bergstation der Karwendelbahn. Natürlich hält Jonathan Wyatt auch hier den Streckenrekord, der bislang mit 59:10 Minuten als Einziger die 11 km lange Strecke mit einer Höhendifferenz von 1425 m unter einer Stunde Laufzeit bewältigte.
Laufmekka ist Davos nunmehr seit mehr als 20 Jahren mit dem Swiss Alpine Marathon, einem Rundum-Programm um den inzwischen 78 km langen Ultratrail. Dieser ist für alle Landschaftsläufer langer Ausrichtung schlichtweg eine Pflicht. Mit der Keschhütte und dem Scalettapass werden zwei Kulminationspunkte und 2 300 m Höhenmeter gefordert beim Laufspektakel, das mit vielen Unterdistanzen jährlich 5000 Starter aus aller Welt anlockt. Sechs Wochen später steht mit dem Jungfrau-Marathon mit Start im mondänen Interlaken und Ziel auf der Kleinen Scheidegg ein weiterer Höhepunkt an, der ebenso in punkto Organisation ein Markenzeichen erster Güte ist.
Begehrt sind die rund 4000 Startplätze, die schon gut ein dreiviertel Jahr vor dem Startschuss am mondänen Hotel Jungfrau vergeben sind. Nicht nur bei der Langdistanz-WM 2007 dominierte Jonathan Wyatt, er stürmte auch 2005 in Rekordzeit von 2:49:01 Stunden zum Ziel vor dem majestätischen Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau. Schnellste Frau war im Vorjahr die norwegische Marathonläuferin Anita Hakenstad-Evertsen in 2:23:05 Stunden, die innerhalb nur eines Jahres Europa- und Weltmeisterin werden konnte.
Mit 35 Auflagen ist der legendären Lauf über 31 km von Sierre nach Zinal im Wallis Anfang August der Klassiker schlechthin. Eine Legende. Alle Großen der Szene haben sich schon bei diesem Laufspektakel mit kräftigen Bergauf- und Bergabpassagen duelliert – und ihre Geschichten geschrieben. „Erfunden“ hat dieses Laufspektakel im Wallis der Mathematiklehrer Jean-Claude Pont, der auch nach 35 Austragung noch das Zepter bei Sierre-Zinal führt. Wer auf dem 2 387 m hohen Hotel Weisshorn führt, der hat noch lange nicht gewonnen, schließlich ist Freestyle hinab ins 1670 m „tief“ gelegene Zinal angesagt, wo Tausende von Zuschauern die 2500 Läufer willkommen heißen.
In der ersten Liga der Panoramaläufe spielt natürlich der Schilthorn-Infernolauf mit Start in Lauterbrunnen und Ziel am Drehrestaurant des Piz Gloria, wie der knapp 3000 m hohe Aussichtspunkt bei der James-Bond-Verfilmung hieß,ebenso eine wichtige Rolle wie auch der Matterhornlauf mit dem Startort Zermatt. Ein Kunststück besonderer Art gelang dabei im Vorjahr vor dem weltberühmten Bergmassiv dem Schwaben Timo Zeiler, der sich als Sieger beim 25. Geburtstag des Matterhornlaufes in die Ehrenliste eintragen konnte.
Leider fallen die Termine für die Austragung von Fionnay-Panossière und Thyon-Dixence zumeist auf das gleiche Wochenende, beide Läufe sind besondere Erlebnisse, weil sich beide vor einer außergewöhnlichen Kulisse abspielen. Im kleinen Fionnay wird als Novum in der Berglaufszene aufgrund der schmalen Trailwege im Zehn-Minuten-Takt über 7,3 km und 1185 m hinauf zur Hütte Panossière gestartet, das Schlussklassement liegt erst nach zwei Tagen vor. Grund genug für eine zusätzliche Laufeinheit im Gebiet des Grand Combin. Vom Skizentrum Thyon 2000 führt eine selektive 16 km-Strecke zum Lac des Dix. Schlüsselstelle ist das technisch anspruchsvolle Gefällstück zur Staumauer in 2 360 m Hohe.
Ein besonderer Leckerbissen erwartet rund 1000 Bergläufer vor den markanten „Zahngebilden“ der Drei Zinnen-Alpin-Marathon, der mit 17,5 km zwar weitab vom Marathonmaß liegt, aber mit 1350 Höhenmetern eine atemberaubende Kulisse verspricht. Dreh- und Angelpunkt ist das Städtchen Sexten unweit der früheren Olympiastadt Cortina d’Ampezzo im Südtirolischen. Natürlich halten auch hier die weltbesten Jonathan Wyatt (1:19:58) und Anna Pichtrova (1:31:47) die Bestmarken.
Während die Grand-Prix-Rennen des Berglauf-Weltverbandes WMRA derzeit an zumeist wenig spektakulären Schauplätzen wie in Ovronnaz, Telfes, Puchberg oder Ljubljana stattfindet, versammelt sich ein Großteil der Weltklasse stets zum Saisonfinale Ende September beim traditionsreichen Hochfelln-Berglauf in Bergen im Chiemgau.
Unter der Regie des umtriebigen Georg Anfang hat der „Große Preis von Deutschland“ auch nach 35 Jahren nichts an seiner Attraktivität eingebüßt, er ist und bleibt ein Muss für die Cracks – und ist der einzige international begehrte Lauf in Deutschland.
Wilfried Raatz
Weitere Informationen zu den hier genannten Läufen finden Sie im „Berglauf-Journal 2008“, Verlag wus-media, 64405 Niedernhausen-Fischbachtal,
Kontakt: info@wus-media.de,
Internet: www.berglauf.info