Auf diese Weise sind dann insgesamt 20 kurze Texte von meist drei bis fünf Seiten zusammengekommen, die zwischen 1998 und 2007 „spielen“ bzw. über Laufaktivitäten von Verena Liebers aus dieser Zeit berichten.
Das Buch zum Verschenken: Verena Liebers: Läufer sind auch nur Menschen. Der Pulsmesser und andere Anekdoten. Die Rezension von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Verena Liebers ist im Hauptberuf Biologin. Sie arbeitet zudem als freiberufliche Künstlerin und hat schon mehrere Literaturpreise für ihr Schaffen erhalten, darunter das Ottendorfer Stadtschreiber-Stipendium 2005. Verena Liebers ist aber auch eine passionierte Langstreckenläuferin. Darüber hat sie jetzt ein kleines Büchlein vorgelegt.
In diesem Büchlein nimmt sie uns mit auf gelaufene Strecken und teilweise mitten hinein in ihre Wettkämpfe. Das Ganze ist in vier große Kapitel gegliedert, die da lauten: Unterwegs zum Marathon (1), Ultra- und Etappenläufe (2), Mit dem Alpenverein auf Marathonkurs (3) und schließlich Trainingsanmerkungen (4).
Auf diese Weise sind dann insgesamt 20 kurze Texte von meist drei bis fünf Seiten zusammengekommen, die zwischen 1998 und 2007 „spielen“ bzw. über Laufaktivitäten von Verena Liebers aus dieser Zeit berichten. Wer schon mal beim Ruhr-Marathon, beim Baldeneysee-Marathon in Essen oder beim Hamburg-Marathon dabei war, wird sich unter Umständen in den Erzählungen darüber irgendwo wieder finden: Verena Liebers war nämlich auch schon dort. Sie hat gleichfalls „Die Höhen und Tiefen der Fulda“ (Überschrift) kennen gelernt, ist „Die 185 Stufen von Bottrop“ hochgestiegen, war „Mit dem Hamster auf dem Emscher-Park-Weg“ unterwegs, besucht ab und zu einen „Lauftreff“ in ihrer Heimatstadt Bochum („Weitmarer Holz“), selbst „Die Tücken des Trainingsplans“ sind ihr offensichtlich hinreichend bekannt.
Lohnt sich die Lektüre des Büchleins? Ich zögere immer noch mit einer endgültigen Bewertung. Anekdoten sind geheimhin kurze und zudem witzige Geschichten: kurz sind die von Verena Liebers allemal, aber sind sie auch wirklich richtig witzig? Das mag jeder Leser und jede Leserin für sich entscheiden. Die von Achim Achilles (Klarname: Dr. Hajo Schumacher) sind da z.B. klar besser.
Die Geschichten von Verena Liebers plätschern so lala da-hin, von drastischer Dramaturgie und stilistischer Spritzigkeit keine Spur, es sei denn, man amüsiert sich über Sätze wie diesen: „Mein Freund ist zum Beispiel ein Nachtläufer, weil er seine Höhepunkte immer im Dunkeln hat“ (S. 98). Donnerwetter! Das fetzt – am besten gleich noch mal zurückblättern bis auf Seite 79. Denn dort hat er sich vermutlich schon mal Appetit geholt: „Kürbiskerne sollen die Potenz steigern“, steht da nämlich geschrieben.
Zurück zum Laufen und hinein in den ersten Marathon von Verena Liebers, bei dem sie im Ziel „heulte wie ein Schlosshund vor Freude und Erschöpfung“. Das kann jeder gut nachempfinden, der selbst schon mal Marathon gelaufen ist – aber: ist es wirklich üblich, sich beim Marathon in eine „Starterliste“ einzutragen, gar auf einen „Aufruf zur Startaufstellung“ zu warten und unterwegs nach dem „nächsten Pausenstand“ Ausschau zu halten?
Verena Liebers (ganz Biologin!) beherrscht sogar die hohe Kunst der Sprache mit dem eigenen Körper: „Vorsichtshalber legte ich noch eine Gehpause ein und fragte meinen Magen, wie er sich fühlte, aber er war wohl zu müde, um zu antworten“. Kein Wunder, dass ihr hinterher im Ziel die Beine „sofort vollständig ihren Dienst“ verweigerten.
Wer das kleine Büchlein von Verena Liebers genauer zu lesen beginnt, wird nicht über die unverhältnismäßig hohe (!) Anzahl von vermeidbaren Fehlern insbesondere in der Interpunktion hinwegsehen können, wenn nicht sogar ärgern. Gleich auf den ersten zehn Seiten habe ich 28 gezählt, und am Ende blieben von 92 Textseiten ganze 9 völlig fehlerfrei. Sind das nun ein Versäumnis des Lektorats und zudem noch Unkenntnis einer (preisgekrönten) Autorin, die hauptsächlich allerdings wohl eher Gedichte zu schreiben pflegt?
Soviel steht fest: Der renommierte Copress Verlag hat schon sauberere Buchproduktionen auf den Markt gebracht.
Apropos auf den Markt bringen: Dazu empfiehlt uns Verena Liebes schon im Vorwort und Umschlagtext folgendes: „Vielleicht haben Sie auch einen Kollegen, der jeden zweiten Montag humpelnd, aber mit Siegerlächeln zur Arbeit kommt. Dann schenken Sie ihm dieses Buch und lesen Sie es vorher unbedingt selbst“.
Abgesehen davon, dass ich einen solchen Kollegen nicht kenne, verschenke ich grundsätzlich keine von mir vorher schon gelesenen Bücher. Sollte ich etwa jetzt doch bei dem von Verena Liebers mal eine Ausnahme machen?
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann – Sportwissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover.
Verena Liebers: Läufer sind auch nur Menschen. Der Pulsmesser und andere Anekdoten. München 2008: Copress Verlag. 112. S.; 9,80 €.