Die Veränderungen seien jedoch keine Konsequenz aus dem olympischen Misserfolg, sagt Prokop. „Die Situation hat sich im Verhältnis zur WM 2007 null verändert“. Über Mallows neue Position sagte er daher: „Es ist weder eine Beförderung noch eine Degradierung.
Herbert wer? Sie haben keinen großen Namen, eine überschaubare Liste an Erfolgen und schon gar keine Vergangenheit als ruhmreiche Athleten. Friedhard Teuffel im Tagesspiegel über die neuen Cheftrainer der Leichtathleten – Der Chef wird Direktor und das schlechteste Abschneiden bei Olympischen Spielen seit mehr als 100 Jahren
Im nächsten August findet für die deutschen Leichtathleten das Ereignis des Jahrzehnts statt, die Weltmeisterschaften in Berlin. Und wer führt die Mannschaft an dieses Ziel? Rüdiger Harksen und Herbert Czingon. Richtig, Rüdiger wer? Und Herbert wer?
Die neuen Cheftrainer haben keinen großen Namen, eine überschaubare Liste an Erfolgen und schon gar keine Vergangenheit als ruhmreiche Athleten. Und gerade sie sollen nun die deutsche Leichtathletik retten?
Vielleicht sollen sie das auch gar nicht. Weil sie es nicht können. Die eigentliche Arbeit erledigen weiterhin die Heimtrainer an der Basis, und für die Leitlinien ist der Sportdirektor zuständig. Bliebe ihnen die Aufgabe, den Athleten und der Öffentlichkeit in den nächsten Monaten bis zur WM zu erklären, warum die deutsche Leichtathletik in Berlin mehr Medaillen gewinnen wird als in Peking.
Die Berufung von Harksen und Czingon ist auf den ersten Blick ein neuer und wenig aussichtsreicher Versuch, die komplizierteste aller Sportarten mit ihren 47 Disziplinen in den Griff zu bekommen. Ihre Chance ist nun, dass sie die Erwartungen nur übertreffen können. Indem sie von jetzt an für die ganze Leichtathletik denken und ihre Arbeit um zwei weitere Disziplinen ergänzen: Motivation und Mannschaftsentwicklung. Das würde es den Athleten leichter machen, in Berlin ihre persönlichen Bestleistungen zu übertreffen. Für Änderungen am System haben die beiden Cheftrainer ohnehin keine Zeit mehr.
Der Chef wird Direktor
Das schlechteste Abschneiden bei Olympischen Spielen seit mehr als 100 Jahren, und das im Jahr vor den Weltmeisterschaften im eigenen Land – kann das für die deutsche Leichtathletik ohne Folgen bleiben? Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wird am Wochenende eine neue sportliche Leitung vorstellen.
Cheftrainer Jürgen Mallow wird Sportdirektor. Seine bisherige Aufgabe teilen sich fortan Lauftrainer Rüdiger Harksen und Stabhochsprungtrainer Herbert Czingon. Das bestätigte DLV-Präsident Clemens Prokop dem Tagesspiegel.
Die Veränderungen seien jedoch keine Konsequenz aus dem olympischen Misserfolg, sagt Prokop. „Die Situation hat sich im Verhältnis zur WM 2007 null verändert“. Über Mallows neue Position sagte er daher: „Es ist weder eine Beförderung noch eine Degradierung. Es ist eine Veränderung seines Aufgabenbereichs.“ Schon bei den Spielen in Peking hatte Mallow beklagt, dass Verwaltungsaufgaben einen entscheidenden Teil seiner Arbeitszeit verschlängen und ihm Zeit für die sportlichen Belange fehle.
Bis zur Weltmeisterschaft 2007 hatte der DLV für diese Aufgaben auch einen Sportdirektor, DLV-Generalsekretär Frank Hensel. Der gab jedoch diesen Posten ab, um gemeinsam mit Heinrich Clausen die Geschäftsführung des Organisationskomitees für die WM im August 2009 in Berlin zu übernehmen. Dass Mallow nun Sportdirektor wird, wird nach Informationen aus dem DLV schon seit dem vergangenen Jahr diskutiert. Nach der WM verabschiedet sich Mallow in den Ruhestand.
Seine beiden Nachfolger haben sich bislang als Bundestrainer um einzelne Disziplinen gekümmert. Der Mannheimer Rüdiger Harksen trainiert Sprinter und Hürdenläufer, er hat unter anderem Kirsten Bolm betreut, die Europameisterschaftszweite über 100 Meter Hürden, die vor kurzem ihre Karriere beendete. Der Mainzer Herbert Czingon trainiert Stabhochspringer.
Ein Mitglied des DLV-Präsidiums kritisierte die personellen Veränderungen als vorschnell: „Man hätte das breiter öffentlich ausschreiben müssen. Es muss auch bei den Trainern endlich ein Wettbewerb einsetzen.“ Kandidaten für den Posten des Cheftrainers wären auch Trainer aus anderen Ländern oder anderen Sportarten gewesen.
So aber schmore der DLV im eigenen Saft. „Ändern wird sich dadurch nichts.“
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Freitag, dem 19. September 2008