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19
09
2008

Noch am gleichen Abend traf man sich privat bei Milde und gründete zusammen mit Roland Winkler (Berlin–Ost), Dr. Detlef Dalk (Frankfurt a. d. Oder) und Gerd Engel (Stendal) die „Initiativgruppe BERLIN-MARATHON“ mit dem Ziel den 17. BERLIN-MARATHON am 30. November 1990 durch das Brandenburger Tor zu führen.

35 Jahre BERLIN-MARATHON – Der Lauf in neue Dimensionen – Eine Bewegung aus dem Grunewald in die City – Vom BERLINER VOLKSMARATHON zu frn World Marathon Majors – Geschichten und Anekdoten – Jörg Wenig und Horst Milde berichten – Folge III

By GRR 0

Der Fall der Mauer war gleichbedeutend mit dem Aufstieg des BERLIN-MARATHON in die Eliteklasse der internationalen Straßenläufe. Nur einen Tag nach der Wende, also am 10. November 1989, klingelte bei Cheforganisator Horst Milde das Telefon. Michael Coleman, Sportredakteur bei der Londoner Times und ein engagierter Förderer des BERLIN-MARATHON, redete auf einen damals noch sehr skeptischen Horst Milde ein:

„Der BERLIN-MARATHON wird der Lauf des Jahres – aber er muss 1990 durch das Brandenburger Tor führen.“ Heinz Schild, Radiosprecher beim Schweizer Rundfunk und gleichzeitig auch Laufveranstalter (Die 10 Meilen von Bern) schaltete ebenfalls am 10. November ein Live-Interview zur besten Sendezeit, um schon auf den den BERLIN-MARATHON 1990 durch Ost- und West-Berlin einzugehen.

Nur zwei Tage später – am 12.11.1989 veranstaltete der SC Charlottenburg seinen traditionsreichen 26. Berliner Cross-Countrylauf am Teufelsberg – und bei dem Rennen starteten bereits die ersten Läufer aus der DDR.

Noch am gleichen Abend traf man sich privat bei Milde und gründete zusammen mit Roland Winkler (Berlin –Ost), Dr. Detlef Dalk (Frankfurt a. d. Oder) und Gerd Engel (Stendal) die „Initiativgruppe BERLIN-MARATHON“ mit dem Ziel den 17. BERLIN-MARATHON am 30. November 1990 durch das Brandenburger Tor zu führen.

 

Gründung der "Initiativgruppe Berlin-MARATHON"

 

Es gingen sofort die entsprechenden Schreiben an den Oberbürgermeister Erhard Krack (Berlin – Hauptstadt der DDR) und  an den Regierenden Bürgermeister von Berlin Walter Momper den 17. BERLIN-MARATHON durch beide Teile Berlin zu führen und als „Aufgalopp für unsere Initiative schlagen wir vor, einen unserem Erneuerungsprozeß entsprechenden Neujahrslauf am 1.01.1990 zu organisieren, der durch beide Teile unserer Stadt führen sollte.“

Fortan arbeiteten die Organisatoren   an der Realisierung ihres Traums: Dem Marathon durch das Brandenburger Tor.

Den ersten Lauf am Tor gab es allerdings bereits knapp neun Monate vor dem BERLIN-MARATHON – und es wurde ein einmaliges Ereignis. Am 1. Januar 1990 veranstaltete man den Neujahrslauf. Die Strecke führte seitlich des Brandenburger Tores durch die aufgebrochene Mauer und mit einem Schlenker zurück dann aber durch das Tor, über 20.000 Läufer beteiligten sich, und die DDR-Volkspolizisten klatschten unter den Augen des damaligen Präsidenten des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF), Primo Nebiolo, Beifall.

Am 30. September 1990 wurde schließlich ein Traum wahr für viele Läufer in Ost und West.

Die Strecke des BERLIN-MARATHON führte 16 Jahre nach der Premiere des Rennens durch das Brandenburger Tor und somit durch beide Stadthälften. Drei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung fand die sportliche Vereinigung von Ost und West in atemberaubender Weise auf den Straßen der künftigen Hauptstadt statt.

Nachdem alle bürokratischen Hürden genommen waren – die Veranstalter mussten auch mit dem Ost-Berliner Magistrat verhandeln –, wurde schnell klar, dass der BERLIN-MARATHON auf dem Weg war, zu seinen Vorbildern von New York und London aufzuschließen. Plötzlich hatte der BERLIN-MARATHON annähernd die Dimensionen dieser beiden Läufe erreicht.

 

25.000 Teilnehmer – Drei Tage vor der Wiedervereinigung

 

Überschwemmt von Meldungen aus aller Welt wurde das Berliner Marathonbüro. Und im Starterfeld, das auf 25.000 Teilnehmer limitiert worden war und ausgeschöpft wurde, waren schließlich auch eine Reihe von Athleten, die zur Weltspitze gehörten. Das Interesse am BERLIN-MARATHON war nun auch bei den Topläufern so groß wie nie zuvor, was natürlich damit zu tun hatte, dass der Lauf nun finanziell deutlich attraktiver war als zuvor. 1990 hatte das Rennen den damaligen Rekordetat von rund vier Millionen DM, was auch mit dem japanischen Hauptsponsor (YANASE) zu tun hatte.

Die Japaner hatten so großes Interesse an der Veranstaltung, dass der Lauf dort live im Fernsehen übertragen wurde. In Deutschland war zum ersten Mal ein City-Marathon live im Fernsehen zu sehen. Die ARD setzte mit viel Aufwand diese Reportage um und hatte mit 1,5 Millionen Zuschauern eine überzeugende Einschaltquote. Auch in den nächsten Jahren übertrug der Sender unter Federführung des SFB live.

Wenige Tage vor dem Start am 30. September hatten die Organisatoren allerdings noch ein Problem aus der Welt zu räumen. Denn ausgerechnet das Brandenburger Tor, das fortan zum neuen Symbol für den BERLIN-MARATHON werden sollte, war für Renovierungsarbeiten eingerüstet worden. Der Mittelpunkt des Laufes, der enormes  internationales Interesse auf sich zog, drohte als Baustelle per TV in die Welt transportiert zu werden. Mit Hilfe der Medien und speziell des Sender Freies Berlin und Sportredakteur Dieter Gruschwitz (SFB) gelang es schließlich, die Politiker davon zu überzeugen, das Gerüst noch im letzten Augenblick abbauen zu lassen.

Die Strecke führte dann durch ein freies Brandenburger Tor. Nur die Quadriga fehlte damals noch auf dem Tor, weil sie restauriert wurde. Viele Läufer hatten Tränen in den Augen, als sie durch diese Nahtstelle zwischen Ost und West hindurchliefen, andere jubelten lauthals. Weiter ging es Unter den Linden bis zum Fernsehturm und dann in einem Bogen wieder zurück über den Potsdamer Platz, bevor es zum Lützowufer ging. Auf dem Weg nach Kreuzberg kam man dann wieder zurück auf den alten Kurs, der auf der zweiten Hälfte nur geringfügig verändert wurde.

 

Historischer Ereignis – Jahrhundertlauf Moneghetti unter 2.10

 

Dass die neuen 42,195 Kilometer quer durch die Berliner City nicht langsamer waren als die alten, bewiesen die Siegzeiten. Im Vergleich zum Vorjahr gab es klare Steigerungen, obwohl erst in den nächsten Jahren das wahre Potenzial der Berliner Strecke zu Tage kommen sollte. Die 1990 auf 25.000 DM aufgestockte Siegprämie erlief sich der Australier Steve Moneghetti, der in Topform war und seine Bestzeit von 2:09:06 Stunden deutlich unterbieten musste, um diesen historischen BERLIN-MARATHON zu gewinnen.

Mit 2:08:16 Stunden erzielte Moneghetti die erste Zeit unter 2:10 in Berlin und verbesserte die Jahresweltbestleistung des Italieners Gelindo Bordin um drei Sekunden. Moneghetti, einer der großen Marathonläufer seiner Zeit, hat in seiner Karriere eine Reihe von erstklassigen Erfolgen erzielt – doch Platz eins beim BERLIN-MARATHON 1990 ist sein größter Marathonsieg geblieben. Mit einem überzeugenden zehnten Platz bei den Olympischen Spielen 2000 beendete er zehn Jahre später seine Marathonkarriere in Sydney.

Auf die Sekunde genau hatten nun übrigens London und Berlin die gleichen Kursbestzeiten. Noch drei weitere Läufer blieben an jenem denkwürdigen Tag im September 1990 unter 2:10 Stunden. Der Bruder des dieses Mal zehntplazierten Vorjahressiegers Alfredo Shahanga, Gidamis, lief 2:08:32. Noch zwei Tage vor dem Rennen hatte Alfredo über ihn gesagt: „Ich habe Angst vor ihm, er trainiert so hart.“

Auf Rang drei und vier kamen zwei starke deutsche Läufer aus der damaligen DDR: Der deutsche Marathonrekordhalter Jörg Peter (Dresden), dessen Bestzeit von 2:08:47 Stunden in Deutschland bis heute unerreicht ist, und die Nachwuchshoffnung Stephan Freigang aus Cottbus. Peter lief 2:09:23, und Freigang, der zwei Jahre später bei Olympia einen sensationellen Bronzerang belegen sollte, danach aber nicht mehr an diese große Leistung anknüpfen konnte, erzielte seine heute noch gültige Bestzeit von 2:09:45.

 

Uta Pippig

 

Eine ehemalige DDR-Athletin, die unmittelbar nach dem Fall der Mauer nach Stuttgart geflüchtet war und inzwischen für die Stuttgarter Kickers startete, feierte einen Heimsieg: Uta Pippig wohnte bereits wieder in Berlin und sollte wenige Monate später für den SC Charlottenburg starten. Zuvor hatte sie den bundesdeutschen Marathon-Rekord auf 2:28:03 Stunden verbessert, in Berlin gewann sie nun in 2:28:37. Es war ihr erster großer Marathontriumph – und aufgrund ihrer persönlichen Vorgeschichte ein ganz besonderer Augenblick. Sie hatte sich im DDR-Sportsystem nie wohl gefühlt, so dass die Wende für die Berlinerin wie eine Befreiung gekommen war.

Die Gefühle der Uta Pippig reflektierten die bewegende Stimmung bei diesem historischen Massenlauf durch Ost und West. „Als ich durch das Brandenburger Tor lief, bekam ich eine Gänsehaut“, erzählte Uta Pippig später.

Getrübt wurde die Atmosphäre 1990 jedoch vom zweiten Todesfall in der Geschichte des BERLIN-MARATHON, obwohl dieser Fall mit dem Marathonlauf nicht viel zu tun hatte. Noch bevor der Mann kurz nach dem Startschuss richtig losgelaufen war, erlitt er einen Herzinfarkt, der auf Aufregung zurückzuführen war. Er soll krank gewesen sein und hatte offenbar lediglich vor, durch das Brandenburger Tor kurz nach Kilometer drei zu laufen.

 

Ausnahmesituation

 

Natürlich handelte es sich beim ersten BERLIN-MARATHON durch Ost und West um eine Ausnahmesituation. Viele Läufer reisten extra nach Berlin, um durch das Brandenburger Tor zu laufen.  Deswegen gab es, zum ersten Mal seit Bestehen des City-Marathons, 1991 einen erwarteten Teilnehmerrückgang. 18.909 Läufer folgten der einige Nächte zuvor zum zweiten Mal nach 1990 mit blauer Farbe auf die Straße gepinselten Ideallinie ins Ziel. In der Spitze war das Rennen dennoch erstklassig besetzt.

Gleich 90 Läufer hatten Bestzeiten von unter 2:20 Stunden, neun von ihnen waren zuvor bereits schneller als 2:10. Doch für den vermeintlichen Favoriten, Steve Jones – einem der besten Marathonläufer aller Zeiten, der seinen Leistungshöhepunkt jedoch überschritten hatte –, sprang ein Landsmann in die Bresche: Der Waliser Steve Brace, genannt „The Bridgend Racing Machine“, siegte nach einem spannenden Sprintfinish in 2:10:57 Stunden mit nur vier Sekunden Vorsprung vor Mark Plaatjes (USA), der zwei Jahre später in Stuttgart Marathon-Weltmeister wurde. Zu ihrem zweiten Sieg lief bei den Frauen Renata Kokowska (Polen) in 2:27:36 – das war natürlich, wie üblich bei den Frauen, ein Streckenrekord.

Aufgrund der enormen Bauarbeiten am Potsdamer Platz musste die Strecke noch einmal für einige Jahre verändert werden. Dabei ereignete sich ein Kuriosum. Die mit dem Aufstellen und Anhängen der Hinweisschilder für Autofahrer und Zuschauer beauftragte Firma hatte sich nicht nach dem neuen Streckenplan gerichtet.

Plötzlich tauchten vor dem BERLIN-MARATHON zum Beispiel am Schöneberger Ufer die Marathonschilder auf, obwohl diese Passage gar nicht zur Strecke gehörte. Etwas ähnliches passierte auch einmal mit einem Verpflegungsstand. Die entsprechenden Helfer bauten ihn versehentlich an der falschen Stelle auf, weil sie eine Streckenänderung übersehen hatten. Diese Fehler konnten aber jeweils noch rechtzeitig korrigiert werden.

 

Trendsetter auf vielen Gebieten – Gemälde

 

Der BERLIN-MARATHON war von Anfang an auf vielen Gebieten Trendsetter im organisatorischen, im technischen, als auch auf kulturellen Gebiet. Der Literatur-Marathon mit vielen laufenden Literaten unter der Leitung von Dr. Detlef Kuhlmann ist inzwischen eine Institution geworden, als Auftrageber von Laufgemälden, die Kooperation mit Hochschulen für Kunst und Graphik, Musik, Film und Theater, die Zusammenarbeit mit dem Sportmuseum Berlin – AIMS Marathon Museum of Running sei speziell erwähnt.

Seit 1988 zierten Gemälde die Titelseiten der Programmhefte, die Gemälde wurden während der Marathonmesse ausgestellt und die Künstler wurden im Programmheft vorgestellt. Es begann 1988 mit Elke Kirstaedter, 1989 folgte Horst Sakowski, 1990 Jan van Diemen (Holland), 1991 Sigird Denkhaus, 1992 Manuela Gutge, 1993 Sigrid Denkhaus und 1994 Gerald Zasgornik. Mit Ausnahme von Jan van Diemen waren alle anderen Künstler aus Berlin.

 

Erster Lauf mit Südafrikanern

 

War mit Plaatjes 1991 ein gebürtiger Südafrikaner knapp geschlagen, so feierten die traditionell starken Langstreckler dieses Landes in den nächsten zwei Jahren zwei große Siege. Der BERLIN-MARATHON 1992 war der erste große Citylauf, bei dem die Südafrikaner nach dem Ende der Apartheidpolitik und dem daraus folgenden Ende der internationalen Sperre wieder starten durften. Somit hatte der BERLIN-MARATHON zwei Jahre nach dem Wiedervereinigungs-Lauf wieder eine besondere Bedeutung, die über das rein Sportliche hinaus ging.

1990 hatten David Tsebe und andere südafrikanische Marathonläufer den Berliner Sieg von Steve Moneghetti im Fernsehen verfolgt. „Das können wir auch“, erinnerte sich Tsebe, was er zum Ergebnis des Australiers gesagt hatte. Nun war er in Berlin, um es zu beweisen – und er lief zu einem großen südafrikanischen Triumph. Der Olympiadritte Stephan Freigang (Cottbus) hatte auf den ersten Kilometern für das Tempo gesorgt, doch danach gab es Tempowechsel an der Spitze.

Als die Hälfte der Strecke nach weltrekordverdächtigen 63:03 Minuten erreicht war, hing David Tsebe rund 15 Meter zurück. Aber mit seinem gleichmäßigen Lauf sollte er am Ende triumphieren. Bei Kilometer 22 erreichte David Tsebe wieder die Spitze, bei Kilometer 31 zog er auf und davon. Am Ende stand mit 2:08:07 Stunden nicht nur ein Streckenrekord, sondern auch eine Jahresweltbestzeit. Ebenso wie 1990 wurde diese Berliner Zeit bis zum Jahresende nicht mehr übertroffen.

Trotz Schmerzen im Fuß lief Uta Pippig im Trikot des Veranstaltenvereins zu ihrem zweiten Sieg in Berlin in 2:30:22. Es war das erste Mal seit 1981, dass die Frauen-Siegerin des BERLIN-MARATHON keinen Streckenrekord erzielt hatte. Seit 1982 hatte es zehnmal in Folge eine Kursbestzeit gegeben. Das hing sicherlich mit den Problemen im Fuß von Uta Pippig zusammen. Bei Kilometer 25 hatte die Berlinerin sogar an eine Aufgabe gedacht, doch die unglaubliche Anfeuerung der Zuschauer ließ sie weiterlaufen. Später an ihrer Steglitzer Wohnung angekommen, hatten Nachbarn ein Transparent am Haus befestigt: „Das war super, Uta“.

 

66.000 Bananen

 

Super war wiederum auch die Organisation, die auch im Ausland gelobt wurde. In einer englischen Leichtathletik-Zeitschrift fand sich nach dem London-Marathon der folgende Leserbrief: „… ich überlege, ob ich beim BERLIN-MARATHON starte und nur so weit laufe, bis ich den ersten Verpflegungspunkt erreiche, an dem es Früchte gibt …“. In Berlin wurden unter anderem 66.000 Bananen als Verpflegung verteilt – Obst gab es beim London-Marathon dagegen nicht. Für Aufregung hatten 1992 Gegner der Olympiabewerbung Berlins für das Jahr 2000 gesorgt. Von den Yorckbrücken ließen sie literweise Farbe auf die Straße tropfen. Doch der Farbanschlag ging glimpflich vonstatten. Die Läufer an der Spitze bekamen nicht mehr als ein paar Spritzer ab, keiner rutschte aus.

Nachdem zwei Jahre lang das japanische Unternehmen Canon als Hauptsponsor fungiert hatte, begann 1993 das alte Problem: es fehlte der große Geldgeber. Die Berlin 2000 Olympia-GmbH und die Spielbank Berlin sprangen schließlich in die Bresche. Während Vorjahressieger David Tsebe dieses Mal Dritter wurde, gewann sein Landsmann Xolile Yawa überraschend in 2:10:57. Bisher, wie ein Jahr zuvor auch noch David Tsebe, in armen Verhältnissen lebend, war dieser Sieg für ihn ein Schritt in eine bessere Zukunft.

Bereits zum dritten Mal, nach Erfolgen 1988 und ‘91, lief Renata Kokowska auf Rang eins.
Die Polin stellte in 2:26:20 Stunden einen neuen Streckenrekord auf und verwies die Debütantin Albertina Dias (Portugal) auf Rang zwei. Renata Kokowska war die erste Frau, die den BERLIN-MARATHON dreimal gewonnen hatte.

Auch 1994 setzte sich ein leicht rückwärtiger Trend bei den Teilnehmern fort: Doch mit 16.121 Läufern aus 70 Nationen hatte der BERLIN-MARATHON nichts von seinem internationalen Stellenwert verloren.

 

Katrin Dörre-Heinig  mit Streckenrekord

 

Zumal es erneut Weltklasseergebnisse gab. Katrin Dörre-Heinig (Quelle Fürth) lief mit 2:25:15 Stunden einen erstklassigen Streckenrekord, der für sie zugleich persönliche Bestzeit bedeutete. Die frühere deutsche Rekordhalterin, die ihre Bestmarke im gleichen Jahr an Uta Pippig verloren hatte (2:21:45 Stunden), war die fünfte deutsche Siegerin seit 1981 – eine Quote, die auch die internationale Stärke der deutschen Langstrecklerinnen zu dieser Zeit widerspiegelte. Die zweimalige Siegerin Uta Pippig beglückwünschte Katrin Dörre-Heinig im Ziel zu ihrem ersten Berlin-Triumph.

Vor den Augen des Marathon-Olympiasiegers von 1988, Gelindo Bordin (Italien), der als Ehrengast in Berlin war, gab es ein spannendes Männerrennen, bei dem António Pinto (Portugal) in 2:08:31 Stunden mit 19 Sekunden Vorsprung vor Sammy Nyangincha (Kenia/2:08:50) gewann.

Für Verwirrung hatte der Tempomacher Lameck Aguta (Kenia) gesorgt, der das Rennen plötzlich durchlief und nach längerer Führung Vierter wurde. Der Kenianer, der zur Trainingsgruppe des Uta-Pippig-Coaches Dieter Hogen gehörte, machte in den nächsten Jahren nochmals erfolgreich Tempo, bevor er zu einer tragischen Figur des Laufsports wurde. 1997 hatte Lameck Aguta überraschend den für die Kenianer prestigeträchtigen Boston-Marathon gewonnen, doch wenige Monate später wurde er in Kenia überfallen und dabei  lebensgefährlich verletzt. Aguta erholte sich von seinen schweren Kopfverletzungen und startete im Jahr 2000 erneut in Berlin, ohne jedoch eine vordere Platzierung zu belegen.

 

Heinz Frei bei den Behinderten-Weltmeisterschaften 1994



In den Blickpunkt rückte der BERLIN-MARATHON 1994 auch, weil im Rahmen des Laufes die Behinderten-Weltmeisterschaften ausgetragen wurden. Hier fuhr der Schweizer Rollstuhlfahrer Heinz Frei zu seinem siebenten Sieg in Berlin und zudem zu einer Weltbestzeit von 1:22:12 Stunden. Außerdem war es damals der BERLIN-MARATHON, der als erstes großes Rennen die Chip-Zeitnahme einführte.

Immer weiter sprach sich währenddessen die für Topzeiten hervorragend geeignete Berliner Strecke herum. Fachleuten war klar, dass der Kurs sogar für einen Weltrekord gut sein müsste. Und eine ganze Reihe von Weltklasseläufern meldeten ihr Interesse an, in Berlin zu starten. Das Problem war jedoch, dass das Budget in diesen Jahren längst nicht ausreichte, um sie alle zu verpflichten. Den Vergleich zu den finanzkräftigeren Rennen von London, Chicago, New York oder Boston konnten die Berliner in punkto Startgeld nicht standhalten. Doch noch heute nehmen einige Topläufer geringere Gagen in Berlin in Kauf, um auf der schnellen Strecke eine Spitzenzeit zu laufen. Damit wiederum sind sie dann beim nächsten Start gut im Geschäft.

1995 gab es die bis dahin beste Besetzung in der Geschichte des BERLIN-MARATHON. Verantwortlich dafür war auch der Londoner Manager Kim McDonald, der in Zusammenarbeit mit dem über viele Jahre hinweg für die Topathleten zuständigen Christoph Kopp die Fäden zog.

Als Garant für schnelle Zeiten galt in jenen Jahren die von Uta Pippigs Coach Dieter Hogen betreute Gruppe kenianischer Läufer. Mitsamt Tempomachern wurden sie auf den Punkt genau für den BERLIN-MARATHON in Topform gebracht. Das Problem der Kenianer Anfang der 90er Jahre war, dass ihnen das Know-how des Marathontrainings fehlte. Über kürzere Distanzen liefen sie reihenweise Weltklassezeiten, über die Marathondistanz schöpften sie selten ihr Potenzial aus. Je mehr europäische und amerikanische Trainer in den nächsten Jahren die Kenianer auf die Marathonrennen vorbereiteten, desto besser wurden die Ergebnisse.

 

Lelei mit einer Traumzeit von 2:07:02 Stunden

 

So gelang in einem denkwürdigen Rennen in Berlin 1995 Sammy Lelei ein sensationeller Erfolg. Zwischenzeitlich nach einem Vorstoß von Vincent Rousseau (Belgien) deutlich zurückliegend, ließ er zunächst Vorjahressieger António Pinto und dann auch den damals wohl besten weißen Marathonläufer, Rousseau, wenige Kilometer vor dem Ziel hinter sich. Lelei stürmte zu einer Traumzeit von 2:07:02 Stunden – es war die damals zweitschnellste je gelaufene Zeit.

Nur zwölf Sekunden fehlten dem Kenianer zur damaligen Weltbestzeit des Äthiopiers Belayneh Dinsamo. Über sieben Jahre lang war kein Läufer weltweit so schnell gewesen wie nun Sammy Lelei in Berlin. Und hätte der nur 1,60 m große Farmerssohn aus Kenia etwas eher gemerkt, wie dicht er an dem Rekord war, er hätte ihn wahrscheinlich gebrochen. Mit 2:07:20 Stunden lief auch Vincent Rousseau noch eine Weltspitzenzeit, zudem blieb António Pinto als Dritter noch unter 2:09 mit 2:08:57.

Mit Sammy Lelei hatte ausgerechnet der Kenianer gewonnen, hinter dessen Form Trainer Dieter Hogen ein kleines Fragezeichen gesetzt hatte. Denn der 31-Jährige war der neueste Kenianer in der rund 10-köpfigen Trainingsgruppe von Dieter Hogen. Erst seit Anfang August hatte sich Lelei in Boulder (Colorado) bei seinem neuen Trainer auf den BERLIN-MARATHON vorbereitet. Es blieb nur eine gemeinsame Trainingsphase von sechs Wochen, wobei Sammy Lelei aber natürlich schon in sehr guter Verfassung nach Boulder gekommen war.

Dennoch hatte Dieter Hogen seine anderen beiden kenianischen Starter, Sammy Nyangincha (Vierter in 2:09:36) sowie  Gilbert Rutto (Fünfter in 2:11:12), stärker eingeschätzt. Nyangincha hatte allerdings das Pech, dass er tags zuvor in der Dusche seines Hotelzimmers ausgerutscht war und sich bei dem Sturz am Arm verletzt hatte.

Es waren die Resultate 1995, die den BERLIN-MARATHON in der Liste der schnellsten Marathonrennen der Welt vom sechsten auf den dritten Platz katapultierten.

Dabei wird der Durchschnitt der schnellsten zehn Männerzeiten gewertet. Noch 1990 tauchte der BERLIN-MARATHON nicht unter den Top Ten auf, nun war er mit einem Schnitt von 2:08:20 Stunden auf Platz drei hinter Boston (2:08:06) und Rotterdam (2:08:11). Einen Doppeltriumph feierte Trainer Dieter Hogen, denn auch Uta Pippig gewann nach 1990 und '92 zum dritten Mal in Berlin. Mit 2:25:37 Stunden untermauerte die einmal mehr gefeierte Lokalmatadorin, die aufgrund von Schmerzen im Fuß während des Rennens ihr Tempo drosseln musste, ihre Position als damalige Nummer eins der Welt.

 

Deutliche Teilnehmersteigerung

 

Zum ersten Mal nach 1990 gab es 1996 wieder eine deutliche Teilnehmersteigerung in Berlin. 19.532 Läufer aus 70 Nationen hatten für den bis dahin zweitgrößten BERLIN-MARATHON gemeldet. 16.677 waren es im Jahr zuvor. Der knapp 20-prozentige Zuwachs erklärt sich aber längst nicht nur damit, dass erstmals in das Cityrennen die Deutschen Meisterschaften integriert waren. Viel Werbung auf internationaler Ebene und die wachsende Bedeutung Berlins als Hauptstadt Deutschlands machten sich ebenso bemerkbar. Und aufgrund der Topresultate von 1995 hatte der BERLIN-MARATHON international mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Aufgrund des günstigen Streckenprofils galt Berlin schon immer als ein gutes Pflaster auch für jene Spitzenathleten, die von den Bahn-Langstrecken zum Marathon wechseln wollten. Das traf auch auf  Abel Antón zu. Der spanische Debütant überraschte 1996 die in diesem Jahr nicht ganz so starken Kenianer. Abel Antón startete in Berlin zu einer glänzenden Marathonkarriere, während der er schon ein Jahr später im heißen Athen Weltmeister wurde. Bevor er seinen WM-Titel zwei Jahre später in Sevilla als erster Marathonläufer verteidigt hatte, hatte er auch noch den London-Marathon gewonnen.

Antón, der über die Bahn-Langstrecken gegen die starken Afrikaner kaum noch  eine Chance sah, gewann 1996 in Berlin in 2:09:15 Stunden, während bei den Frauen die Südafrikanerin Colleen de Reuck ein überzeugendes Rennen lief und in 2:26:35 Stunden als Siegerin ihren größten Erfolg feierte. Deutsche Meister wurden in diesem Rennen Steffen Dittmann (LC Ravensberg) in 2:16:03 Stunden und Claudia Lokar (TV Wattenscheid) mit 2:28:17.

 

Ehrengast  Waldemar Cierpinski läuft mit

 

Ein ehemaliger und eine Reihe von aktuellen Weltklasseläufern prägten das Rennen 1997. Zum ersten Mal lief ein als Ehrengast geladener Olympiasieger selbst mit. Waldemar Cierpinski, der einzige deutsche Marathon-Goldmedaillengewinner von 1976 und ‘80, nahm im Ziel nach einem lockeren Rennen (3:41:06 Stunden) gemeinsam mit dem Fußball-Manager von Werder Bremen, Willi Lemke, die Medaille entgegen. Sie zierte in diesem Jahr wie auch die Urkunden sein eigenes Portrait.

Rund eineinhalb Stunden zuvor hatte es Weltklasseergebnisse im Dutzend gegeben. Gleich neun Läufer blieben unter 2:10 Stunden, insgesamt 15 unter 2:12 und 21 unter 2:15. Ideale Witterungsbedingungen und perfekte Tempoarbeit hatten diese in Berlin einmaligen Ergebnisse möglich gemacht.

Spätestens jetzt wurde der BERLIN-MARATHON zum weltweit schnellsten Rennen der 90er Jahre. Zum zweiten Mal nach 1995 hatte der „Kenia-Express“ Spitzenzeiten von unter 2:08 Stunden produziert. Elijah Lagat gewann in der Jahresweltbestzeit von 2:07:41 Stunden mit nur zwei Sekunden Vorsprung vor Eric Kimaiyo. Sammy Lelei machte den kenianischen Dreifach-Triumph in 2:08:00 perfekt. Das Trio stellte mit 6:23:24 Stunden einen Mannschafts-Weltrekord auf, der allerdings inoffiziell ist. Denn der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) führt eine solche Rekordliste nicht.

Mit der Einigkeit unter den Kenianern war es aber nicht ganz so weit her, denn die ersten vier kamen aus unterschiedlichen Trainingsgruppen. Lagat und Kimaiyo gehören zur Gruppe des Italieners Gianni de Madonna, Lelei und der viertplatzierte Jackson Kipngok, der mit 2:08:36 Stunden noch eine Weltklassezeit erzielte, sich jedoch mit zu viel Tempoarbeit selbst um einen größeren Erfolg gebracht hatte, zu den Läufern des Londoner Managers Kim McDonald.

Irin Catherina McKiernan lief mit 2:23:44 nicht nur Streckenrekord, sondern auch das schnellste Marathondebüt aller Zeiten.

In der Liste der schnellsten Rennen stieß der BERLIN-MARATHON mit einer Durchschnittszeit von 2:07:59 nunmehr sogar auf Platz zwei hinter Rotterdam (2:07:49) vor.

Und auch bei den Frauen gab es Topergebnisse in bisher nicht gesehener Breite. Die als Weltklasse-Crossläuferin bekannte Irin Catherina McKiernan lief mit 2:23:44 nicht nur Streckenrekord, sondern auch das schnellste Marathondebüt aller Zeiten. Die beste Anfänger-Zeit hatte zuvor die Chinesin Wang Junxia aufgestellt, die 1993 in Tianjing in 2:24:07 gewonnen hatte. Die 1997 in Berlin zweitplatzierte Madina Biktagirowa (Weißrussland) blieb mit 2:24:46 ebenfalls noch unter der alten Kursbestzeit. Und insgesamt liefen in jenem Jahr immerhin fünf Frauen unter 2:30 Stunden.

 

Zum ersten Mal Inlineskater am Start

 

Die perfekte Generalprobe für das große Jubiläumsrennen im Jahr 1998 hatte noch eine perspektivenreiche Premiere: Erstmals waren die Inline-Skater in den BERLIN-MARATHON integriert. 446 Skater gingen 1997 an den Start, und diese Zahl sollte in den nächsten Jahren enorm gesteigert werden. Die Franzosen Pascal Briand (1:07:52 Stunden) und Caroline Jean (1:15:30) waren die ersten Sieger in Berlin.  

    

Quelle: Jubiläumsschrift zum 30. BERLIN-MARATHON – Jörg Wenig und Horst Milde

author: GRR

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