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26
09
2008

Die ärztliche Oberleitung des BERLIN-MARATHON und der vielen anderen Berliner Läufe lag von Anfang an in der Hand von Dr. med. Willi Heepe (bis 1984), der sich ehrenamtlich für die gute Sache zur Verfügung stellte

35 Jahre BERLIN-MARATHON. Ein Stück Marathon-Geschichte – Persönlichkeiten die den Marathon zum Erfolg führten – Dr. Willi Heepe, Pfarrer Klaus Feierabend und Rollstuhlfahrer Heinz Frei

By GRR 0

35 Jahre BERLIN-MARATHON – eine Erfolgsgeschichte aus heutiger Sicht – aber es war ein langer – und manchmal auch schwieriger – Weg. Gesprägt wurde diese positve Entwicklung von Personen und Menschen, vor und hinter den Kulissen die durch ihr Engagement die Sache vorantrieben, nichts geht von allein. Die Rede ist von Dr. Willi Heepe, dem Medical Director des Marathon, Klaus Feierabend, dem Pfarrer, Marathonläufer und Prediger und Heinz Frei, dem überragendem Rollstuhlsportler. Alle sind heute noch aktiv.

Dr. Willi Heepe, seit 1981/1982 als Arzt dabei

Die   BERLIN-MARATHON strebt weiter voran. Eine unverändert ansteigende Flut von Teilnehmern bedingt in allen Segmenten der Organisation neue Herausforderungen. Im medizinischen Betreuungssegment bedeutet dies, dass nicht nur ein linearer Organisations-Mehraufwand erforderlich ist, sondern ein exponentieller. Neue logistische Überlegungen müssen dieser gewaltigen Läuferflut Sicherheit geben.

Die ärztliche Oberleitung des BERLIN-MARATHON und der vielen anderen Berliner Läufe lag von Anfang an in der  Hand von Dr. med. Willi Heepe (bis 1984), der sich ehrenamtlich für die gute Sache zur Verfügung stellte, er war und ist bei heute selbst Marathonläufer.  Die wissenschaftliche Begleitung und die Betreuung durch die Humboldt-Universität – Fakultät Sportmedizin in den letzten Jahren – wurde durch Dr. med. Lars Brechtel vorgenommen, unterstützt von Jürgen Lock.

Aus diesem Team und den vielen ärztlichen Kollegen, die sich auch ehrenamtlich – wie Heepe selbst – zur Verfügung gestellt haben, und das sich in den letzten Jahren zum Medical-Team gebildet und entwickelt hat, resultiert eine für den BERLIN-MARATHON erfahrene und wissenschaftlich begleitende Truppe, die alles daran setzt, den Standard der letzten Jahre weiter zu optimieren, um jeder Kritik am Versorgungssystem des BERLIN-MARATHON zuvor zu kommen. 

Dr. Willi Heepe hat mit seinem Sachverstand und seiner  überaus kommunikativen Überredungskunst sein Team überzeugend zusammengestellt und ist für die Medien durch sein Fachwissen   und für die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten ein wichtiger Ansprechpartner.

Mit den Läuferzahlen hat sich auch der sportmedizinische Rundum-Service enorm entwickelt. 35 Jahre Stadtmarathon schreiben eine faszinierende Geschichte in vielerlei Facetten. Über 30 Jahre Beobachtung und Betreuung des Marathongeschehens aus der Sicht des Mediziners und verantwortlichen Arztes sind ein besonderes Kapitel. Ein Marathonlauf ist prinzipiell nichts gesundheitsförderndes aber für das gesamtpsychophysische Befinden ein unheimlich stabilisierendes Erlebnis.

Das Phänomen Marathon verstehen und lieben kann man nur, wenn man es selbst erlebt hat. Das Beobachten gewissermaßen von außen als Zuschauer und von innen als Teilnehmer lässt in der Reflexion der Jahre den ungeheuren Wandel dieser Szenerie erkennen. Vom ausschließlichen Abenteuer der Waldläufer der 50er und 60er Jahre hinüber zum wissenschaftlich trainierten der Gegenwart ist ein weiter Weg – manches lässt sich schmunzelnd reflektieren.

So dominierten in den Anfangsjahren Läufer, die zum größten Teil mehr oder weniger wacker ihre Laufrunden um Berliner Seen oder durch die Wälder absolvierten – mit Bekleidung nach Gefühl und Wellenschlag gekauft. Sie stellten sich dem Abenteuer Marathon als Herausforderung und Bestätigung ihres Ichs. Man kaufte sich neben ,Turnschuhen’ irgendwann einen Wettkampfschuh, was garantiert falsch war, weil für den Spitzenathleten konzipiert und für den Breitensportler überhaupt nicht geeignet.

Die Idee des Berliner Läuferforums  entwickelte sich unter seiner Leitung seit 1982 und die Initiatoren sammelten ehrenhalber auftretende Referenten und vermittelten mühsam Grundlagenwissen. Fragen waren naiv, Wissen trug sich über Jahre zusammen und wurde über eigene Medien publik gemacht. Die eigenen Ängste vor Katastrophen im Laufsport, vor Komplikationen bis hin zu Todesfällen nahm mit zunehmendem Wissen um die Physiologie der Dauerleistung ab. Berechenbar wurde das statistische Risiko einer Komplikation. Die Komplikationswahrscheinlichkeit beim Marathonlauf strebt heute in den Bereich normal „1“, das heißt eine Ereigniswahrscheinlichkeit ist nicht höher als im normalen Leben. Eine gesundheitliche Risikokonstellation für den größten Teil der Läufer ist absolut nicht gegeben.

Mit zunehmender Informationsvermittlung sind die unschönen Bilder, insbesondere im letzten Drittel des Läuferfeldes, verschwunden. Der Anteil der Fun-Läufer ist größer geworden. Durch die Aufklärungsarbeit und die vielen Informationen zum Gesundheitszustand der Läufer in den Medien – die Propagierung des vorherigen Gesundheitschecks seitens der Veranstalter bringt mehr Sicherheit für Läufer und Veranstalter. Das ist mit sein Verdienst – auch die Organisation und Durchführung der beiden Berliner Ausdauer- und Sportmedizin-Kongresse, die beide grosse Erfolge waren, entspringt seinen Initiativen und Fähigkeiten Sponsoren zu gewinnen. 

Dr. Willi Heepe ist weiterhin aktiv und bringt in seiner Praxis am Spandauer Damm lahme und fusskranke Läufer wieder zum Laufen.

Pfarrer (i.R.) Klaus Feierabend und seine Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächnis-Kirche

„Mein Gott, kann der Mensch das schaffen.“ Pfarrer Klaus Feierabend erinnert sich an seine ersten Schritte und Gedanken als Läufer. Es ging damals um eine Strecke von 10 Kilometern. Heute gehört der Berliner längst zum Jubilee-Club des BERLIN-MARATHON: 22 Mal erreichte der 69-Jährige das Ziel.

Früher spielte der Pfarrer Tennis und hatte solange nichts mit dem Laufen im Sinn, bis einer seiner Kirchenmusiker der Spandauer Nathan-Söderblom-Gemeinde feststellte: „Ich werde zu dick. Laufen soll doch helfen und gesund sein.“ Klaus Feierabend lief mit und erzählt: „Er hatte nach sechs Monaten die Faxen dicke, ich nicht.“ Der Pfarrer entdeckte den Laufsport für sich und damit, wie er sagt, „sehr viel Lebensfreude“. Seit fast zwanzig Jahren läuft er und nach den besagten
10 km folgte 1979 ein 25-km-Lauf an der Berliner Stadtautobahn Avus. Als der BERLIN-MARATHON noch am Rande des Grunewaldes ausgetragen wurde und an einen Citylauf noch nicht zu denken war, da war er schon 1980 unter den 363 Startern.

Fünf Jahre später gab es erstmals im Rahmen des BERLIN-MARATHON das Ökumenische Abendgebet am Tag vor dem Rennen in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Ein weiteres Jahr später hielt Pfarrer Klaus Feierabend die Predigt. Seitdem teilt er sich in der Regel den Gottesdienst mit seinem Kollegen von der Gedächtnis-Kirche, Knut Soppa. Schon längst zählt die Andacht zum festen Rahmenprogramm des BERLIN-MARATHON.

Die Predigt von Pfarrer Feierabend ist – bis heute – stets ,läufernah’. „Es geht um das Läuferleben und den Lebenslauf“, erzählt der Pfarrer, der einmal vom Laufen als einem „Fest des Lebens“ sprach. „Der Gottesdienst  ist für die Läufer wie eine Art beruhigende Vorbereitung, vielleicht auch eine Angstbeseitigung vor dem nächsten Tag“, erzählt Klaus Feierabend, der sich als Läufer früher mit Kritik aus der Kirche auseinandersetzen musste. Ein marathonlaufender Pfarrer, noch dazu am Sonntag, das erweckte Proteste. „Es sind gar nicht einmal die Pfarrer, die selber im Beruf sind, mit ihnen hatte ich nie Probleme. Es sind die älteren, die, wenn sie erst einmal pensioniert sind, die Kirche erst richtig leiten wollen.“

Über das Hobby von Pfarrer Feierabend gab es Beschwerden im Kirchenkreis und auch im kirchlichen Rundbrief. „Ich hätte meine Gemeinde im Stich gelassen, noch dazu am heiligen Sonntag“, erinnert er sich an die Vorwürfe und schildert, wie er antwortete: „Meine Gemeinde hatte es gelernt, ihre Gottesdienste alleine abzuhalten; das tat sie auch wenn ich im Urlaub war. Außerdem: Schaut Euch doch an mit Eurem Übergewicht. Bewegung tut gut.“

Doch Jahre später konnte Klaus Feierabend feststellen: „Ich bekomme nur noch Wohlwollen über mich und mein verrücktes Hobby zu spüren.“ Außerdem war er nicht der einzige laufende Pfarrer. „Ich habe gemerkt, dass so man- cher vor sich hintrabt, ohne es an die große Glocke zu hängen.“ Über viele Jahre hinweg hatte die Nathan-Söderblom-Gemeinde von Pfarrer Feierabend sogar ihren eigenen Lauftreff.

Neben der Lebensfreude gibt der Laufsport Klaus Feierabend auch die Möglichkeit zur Denkarbeit. „Wobei es allerdings nicht darum gehen kann, beim Laufen Probleme zu bewältigen. Das wäre dann wohl ein krankhaftes Verhältnis. Aber Laufen mit den Gedanken, das ist hilfreich“, erzählt der Pfarrer, der zwischen zwei und fünf Mal in der Woche läuft. Im Gegensatz zur Freude am Laufen, wie er sie normalerweise verspürt, ist ein Marathonlauf für den Pfarrer „harte Arbeit“. „Ich bewundere diejenigen, die neben mir hüpfen und allerlei andere Dinge machen, aber ich brauche für einen solchen Lauf alle meine Kräfte.“

Verletzungsbedingt musste Pfarrer Feierabend den BERLIN-MARATHON zweimal, 2000 und 2002,  auslassen und auch die folgenden. Er lief kürzere Strecken um wieder Anschluß zu finden. Nach dem Tod seiner Frau file es ihm besonders schwer sich zu motivieren.

Klaus Feierabend wir auch am Sonnabend wieder die Predigt – neben dem bewährtem Team um "Hauspfarrer Soppa – halten  und den Läufern den richtigen Weg zum Ziel weisen. Auch Klaus Feierabend gehört zu den Menschen, die den guten Ruf des BERLIN MARATHON ausmachen. Ihm sei Dank gesagt für seine Hilfe.

In diesem Jahr möchte er aber nicht nur predigen, sondern auch wieder laufen. Es wäre insgesamt sein 28. Marathonlauf und der 23. in Berlin. „Meine Frau, meine Töchter und sogar meine Enkelkinder sagen: lass’ den Quatsch. Aber wenn ich es jetzt mit 69 nicht schaffe – wer weiß, wie es dann mit 70 wird.“

Berlin setzt Zeichen in der Entwicklung des Rollstuhl-Marathons: Vom Therapie- zum Hochleistungssport – Heinz Frei ist die Ikone des Rollstuhlsports in Berlin (Dr. Reiner Piltz)

Als sich der BERLIN-MARATHON vom Lauf durch den Grunewald zum Stadtmarathon auf radtauglichem Straßenbelag entwickelte, fanden sich im Starterfeld die ersten Rollstuhlfahrer. Ungläubig noch bestaunt ob ihrer  hand- getriebenen Fahruntersätze, noch mehr bestaunt wegen der erzielten Geschwindigkeiten. Denn bereits 1981 war der erste Teilnehmer im Ziel ein Rollstuhlfahrer, Georg Freund, aus Österreich.

Es war die Pionierzeit der rollenden Marathon-Athleten. Erst sieben Jahre zuvor, 1974, bewältigte der Amerikaner Bob Hall als Erster diese Distanz im herkömmlichen Rollstuhl. Und eben dieser Bob Hall war auch 1981 und 1982 in Berlin dabei. In den nachfolgenden Jahren erlebte das Rollstuhlfahren seinen entscheidenden Aufschwung. Parallel zum Anwachsen der Sportlerzahlen wurde konstruiert und getüftelt, um immer schnellere Sportgeräte zur Verfügung zu haben. Von der normalen Sitzposition über den Langsitz zur jetzigen, nach vorn geneigten Tiefhocke, veränderte sich auch die Fahrtechnik. Ob Lenkung, Reifen, Greifringmaterial, Handschuhe und Leichtbauweise, nichts, was nicht auch technisch noch zu verbessern gewesen wäre. Die Marathonrennen waren gleichzeitig Test, Messen und Ideenkonferenzen für Konstrukteure und Bastler.

Um gegen die größer werdende internationale Konkurrenz bestehen zu können, genügten nun bisherige Trainingsmethoden und -umfänge nicht mehr. Aus dem einstigen Therapiesport für Behinderte ging eine Sportart mit Leistungscharakter hervor, deren Kennzeichen der Rennrollstuhl ist.

So ist gerade auch der BERLIN-MARATHON, ablesbar an der Entwicklung der Weltbestzeiten, eine der bedeutenden Veranstaltungen, die diese weltweite Entwicklung mitgetragen und gefördert hat. Die Offenheit und Selbstverständlichkeit des Veranstalters,  behinderte Sportler zu integrieren, und die flache, schnelle Rekordstrecke mit dem einzigartigen Berliner Flair lockten mehr und mehr ,Rollis’ an – es hatte sich herumgesprochen. Die organisatorischen Bedingungen wurden weiter verbessert: zeitabhängige Startaufstellung, elektronische Zeitmessung, mehrspuriger Zieleinlauf, Wertung und Prämierung der Funktionsklassen, Absicherung durch technischen Service und spezielle Transportfahrzeuge von Telebus, Darstellung im Programm- und Ergebnisheft und anderes  gehören seit Jahren dazu.

Eine stolze Bilanz, die der BERLIN-MARATHON inzwischen vorweisen kann. Von lediglich acht Fahrern, die 1981 den Marathon beendeten, erlebten wir 1993 eine Rekordbeteiligung mit 201 Frauen und Männern im Rollstuhl beim Finish. 1994 wurde der BERLIN-MARATHON  zum Weltmeisterschaftslauf des Internationalen Paralympischen Comiteé, 1995 und 2001 als Deutsche Meisterschaft ausgetragen.
1983 unterbot erstmals auf einer Rundstrecke der Deutsche Gregor Golombek die ,Schallmauer’ von zwei Stunden, allerdings entspricht der Boston-Marathon mit seinem erheblichen Gefälle nicht den Bedingungen für die Anerkennung von Rekorden. Soweit Statistiken darüber geführt werden, wurden Weltbestzeiten in Berlin acht Mal verbessert. Eine ist gegenwärtig noch aktuell: in der Funktionsklasse T1 von Heinrich Köberle (Deutschland).

Herausragende Athleten sind es, die Berliner Marathongeschichte geschrieben haben. Neben den Pionieren Bob Hall (USA) und Georg Freund (Österreich), findet sich bereits im Ergebnisheft 1981 der Sportler und Rennstuhlkonstrukteur Errol Marklein, der beim BERLIN-MARATHON bis 1999 dabei war. Bei den Frauen ist es Lily Anggreny (Deutschland), die seit 1989 dabei ist, 1993 und 1995 gewann. In der Funktionsklasse T1 ist Heinrich Köberle – 1982  das erste Mal am Start – mit zwei  Weltbestzeiten (1986 und 1995) 15 Mal im Ergebnisheft zu finden, in der T2 mit 14 Teilnahmen und zwei Rekorden Christoph Etzlstorfer (Österreich). Zwölf Starts und eine Weltbestzeit (1986) erreichte der Schwede Jan-Owe Mattsson. 

Doch besonders ein Name steht für den BERLIN-MARATHON im Rollstuhl. Es ist schwer, sich nicht in Superlativen zu vergreifen. Die Statistik spricht für sich: er siegte in Hamburg, Wien, Los Angeles, Zürich,  Boston, Montreal, Monza, Osaka, London, Kapstadt, München, Oita, Schenkon, Oensingen (beides Schweiz), Frankfurt, Lausanne, Salzburg und natürlich in Berlin.

Bei 19 Teilnahmen gewann er den BERLIN-MARATHON 1 Mal und fuhr dabei vier Weltbestzeiten. Diese unvergleichliche Bilanz gehört dem Schweizer Ausnahmeathleten und Weltrekordhalter (1:20:14 Stunden) Heinz Frei.            

Dr. Reiner Pilz im Heft zum 30-jährigen Jubiläum

 

author: GRR

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