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06
10
2008

Und wenn ihr, liebe Deutsche mal alles ein wenig kleiner und übersichtlicher wünscht, dann kommt doch mal zu uns. Wir haben auch einiges zu bieten – halt mehr nach dem Motto klein, aber fein.

Die Schweizer und der BERLIN-MARATHON – Christoph Seiler, Chef vom Jungfrau Marathon und erfolgreicher Marathonläufer, über seine Eindrücke vom Weltrekordlauf in Berlin

By GRR 0

Berlin, 28. September 2008, 13.00 Uhr. Überall das gleiche Bild: Müde, bisweilen sogar etwas abgekämpfte MarathonläuferInnen aus aller Welt freuen sich mit ihren Angehörigen im Zielbereich über die vollbrachte Leistung. Superlative machen die Runde – nicht nur aus den Lautsprechern: Hier ist dies nach dem grossartigen Weltrekord von Haile Gebreselassie und dem noch erstaunlicheren deutschen Rekord von Irina Mikitenko nicht anders zu erwarten. Eitel Sonnenschein überall.

Ich treffe zufällig Horst Milde, den Vater des Berlin-Marathons. „Na wie war’s?“ fragt er mit dem ihm eigenen Schalk in den Augen. „Super“ antworte ich, „super, wie immer hier in Berlin. Wir Schweizer lieben eben den Berlin-Marathon“ füge ich mit einem Zwinkern nach. Weshalb ist dies denn so?

Liegt es daran, dass wir endlich eine flache Strecke vorfinden, während die Schweizer Marathons vor allem mit Höhenmetern brillieren? Oder weil wir am Wilden Eber den inneren Schweinehund besser überwinden können als zu Hause, wo bei verschiedenen Marathonläufen lediglich einige Kühe die Läuferschar emotionslos an sich vorbei ziehen lassen?

Wohl kaum. Die Gründe müssen tiefer liegen. Fakt ist, dass in Berlin Jahr für Jahr zu den Marathons mit der grössten Schweizer Beteiligung gehört. Für uns Schweizer ist Berlin eben ein richtiger City Marathon, eine 42 km lange Sightseeing-Tour durch eine richtige Weltstadt. Wir Schweizer haben nichts Vergleichbares:

Berlin hat halb so viele Einwohner wie unser ganzes Land, Berlin ist acht mal grösser als Zürich. Da ist es klar, dass unsere City-Marathons allesamt das Stadtgebiet verlassen müssen, um genügend Kilometer zu zählen.

Wir haben zwar auch geschichtsträchtige Städte, aber mit einer erst kürzlich wiedervereinigten Stadt können wir (glücklicherweise) nicht dienen.

Die Stimmung in Berlin ist einfach einmalig – und zwar über die ganzen 42 km. Da haben wir nicht nur wegen der geringeren Einwohnerzahl schwerer, nein zuweilen machen auch die Behörden Schwierigkeiten. In Zürich zum Beispiel möchte man am Sonntagmorgen lieber eine Geisterstadt als eine grosse und laute Laufparty.

Die Streckenführung könnte besser nicht sein. Wie hiess es doch schon so schön: „Fast, flat and unforgettable!“ Wahrlich nicht nur ein Werbeslogan: Fast – In schöner Regelmässigkeit purzelten im letzten Jahrzehnt in Berlin die Weltrekorde im Marathon. Flat – Auch nach meiner vierten Teilnahme in Berlin frage ich mich immer noch, wo es da 20 m Höhenunterschied geben soll. Unforgettable – Siegessäule, Reichstag, Berliner Dom, Wilder Eber, Kurfürstendamm, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Potsdamer Platz, Brandenburger Tor und die ganze Zeit angeführt von Haile Gebrselassie, dem vielleicht besten Läufer aller Zeiten. Das ist nicht zu toppen.

Wir müssten alle Marathons der Schweiz zusammenlegen, um einmal ein solches Starterfeld hinzukriegen wie die Berliner alle Jahre im September auf der Strasse des 17. Juni.

Kurz und gut: Wir Schweizer sind ganz einfach fasziniert von Euch Berlinern und Eurem Marathon: Macht bitte weiter so! Wir kommen gerne wieder.

Und wenn ihr, liebe Deutsche mal alles ein wenig kleiner und übersichtlicher wünscht, dann kommt doch mal zu uns. Wir haben auch einiges zu bieten – halt mehr nach dem Motto klein, aber fein.

Eine Auswahl der besten Schweizer Marathons findet ihr unter www.myswissmarathon.com.

my swiss marathon

Bis bald!

Christoph Seiler, 3-facher Berlin-Marathon-Finisher

Zusatz der web-Redaktion: Christoph Seiler = Schweizer Marathon-Meister (Vor-Röthlin-Zeit) und Race Director vom Jungfrau Marathon

author: GRR

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