Genauso schade, wie die Tatsache, dass dem DLV kaum Geld zur Verfügung steht, um die bisher schwächelnden Marathonläufer zu fördern. „Uns sind hin und wieder kostenlose Massagen am Olympiastützpunkt in Halle zugesagt worden
Cierpinski am Reichstag? STARTSCHUSS – Der Kommentar von Christian Ermert in \“leichtathletik\“
Na also, es geht doch. Im Schatten von Haile Gebrselassie und Irina Mikitenko hat Falk Cierpinski in Berlin am vergangenen Sonntag in 2:13:30 Stunden den schnellsten Marathon eines Deutschen seit sage und schreibe acht (!) Jahren abgeliefert. Mit seiner Zeit rangiert der Sohn des zweimaligen Olympiasiegers Waldemar Cierpinski zwar 2008 nicht einmal unter den besten 200 Marathonläufern weltweit, aber schneller als der ehemalige Triathlet waren zuletzt Michael Fietz (2:11:28) und Carsten Eich (2:12:51), die sich mit diesen Zeiten im Frühjahr 2000 für die Olympischen Spiele in Sydney qualifizierten.
Cierpinski verpasste die DLV-Norm für den WM-Marathon 2009 zwar noch um 30 Sekunden, die Chancen stehen dennoch gut, dass die Fans am zweiten Berliner WM-Wochenenende rund um das Brandenburger Tor nicht nur Irina Mikitenko, den weiteren deutschen Frauen und Weltrekordler Haile Gebrselassie zujubeln können, sondern auch mindestens einem deutschen Marathonläufer. Der Deutsche Leichtathletik-Verband ist daran interessiert, ein Männerteam in den Marathon-Weltcup zu schicken, wie die Mannschaftswertung bei der WM genannt wird.
Wie hoch der Stellenwert des Laufens in Deutschland mittlerweile ist, belegte unterdessen eine politische Randnotiz aus der vergangenen Woche. Eigentlich sollte der Marathonkurs der WM direkt vor der Treppe zum Haupteingang des Berliner Reichstags entlangführen. Das lehnte die Bundestagsverwaltung aus Sicherheitsgründen zunächst ab. Am vergangenen Mittwoch beschloss dann aber Sportausschuss des Bundestags: „Wir wollen die Marathonstrecke in unmittelbarer Nähe des Parlaments.“
Der Ausschuss-Vorsitzende Peter Danckert (SPD) will darüber nun mit Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verhandeln. Die beiden WM-Marathonläufe finden am 22. und 23. August auf einem 10-Kilometer-Rundkurs mit Start- und Ziel am Brandenburger Tor statt. Zudem wird es am Schluss-Wochenende auf dieser Strecke einen Volkslauf geben. „Die Strecken führen an zahlreichen Sehenswürdigkeiten entlang. Dazu haben wir uns auch deshalb entschlossen, um mit attraktiven Fernsehbildern weltweit für Berlin zu werben“, sagte Heinrich Clausen, Co-Geschäftsführer des Organisationskomitees der Weltmeisterschaften: „Es wäre schade, wenn der Reichstag nicht dabei sein könnte.“
Genauso schade, wie die Tatsache, dass dem DLV kaum Geld zur Verfügung steht, um die bisher schwächelnden Marathonläufer zu fördern. „Uns sind hin und wieder kostenlose Massagen am Olympiastützpunkt in Halle zugesagt worden und vielleicht ein jährlicher Betrag von höchstens 500 Euro“, beschrieb Waldemar Cierpinski gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ am Rande des Berlin-Marathons die Förderung, die sein Sohn von Verbandsseite erhält.
Um sein Leben als Hochleistungssportler und Student mit Trainingslagern, Reha-Maßnahmen und Wettkampfreisen finanzieren zu können, seien in den beiden vergangenen Jahren 100.000 Euro in den Athleten von der SG Spergau gesteckt worden. 25.000 Euro kamen von seinen Eltern, immerhin 75.000 Euro wurden durch Sponsoren aufgebracht – bei denen diente der Name Cierpinski als Türöffner.
Es ist eben nicht nur aus genetischen Gründen ein Riesenvorteil, einen Doppel-Olympiasieger im Marathon als Vater zu haben.
Christian Ermert in "leichtathletik" – Nr. 40 vom 1. Oktober 2008
EN